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Wie bewertet die Landesregierung die Forderungen der Naturnutzer- und Grundeigentümerverbände zur Umsetzung von Natura 2000?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz Olaf Lies hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode, Jan-Christoph Oetjen und Hermann Grupe (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Am 30. Januar 2018 haben die niedersächsischen Naturnutzer- und Grundeigentümerverbände eine Pressemitteilung sowie ein Positionspapier zur Umsetzung von Natura 2000 veröffentlicht. Daran beteiligt waren das Landvolk, der Waldbesitzerverband, die Familienbetriebe Land und Forst, die Landesjägerschaft, der Anglerverband sowie der Zentralverband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden. Die Verbände fordern, bei der Unterschutzstellung von an die EU gemeldeten Natura-2000-Gebieten deutlich stärker als bisher beteiligt zu werden.

SPD Niedersachsen und CDU Niedersachsen haben dazu in ihrem Koalitionsvertrag für die Wahlperiode 2017 bis 2022 vereinbart, den Sicherungserlass „Unterschutzstellung von Natura-2000-Gebieten im Wald“ zu überprüfen und nach Möglichkeit anzupassen. Darüber hinaus solle die Sicherstellung von Natura-2000-Gebieten laut Koalitionsvertrag durch eine Kombination aus Grundschutz und Vertragsnaturschutz für die betroffenen Nutzer und Eigentümer rechtssicher gestaltet werden. Weiterhin solle überprüft werden, ob Nutzungseinschränkungen unabhängig davon, ob es sich um ein Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiet handelt, durch einen Erschwernisausgleich entschädigt werden können (Seite 109 des Koalitionsvertrages).

Vorbemerkung der Landesregierung

Das Positionspapier ist dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz übermittelt worden. In der Sache werden in dem Positionspapier folgende Punkte gefordert:

  1. eine landesweite Grundschutzverordnung für die Natura 2000-Gebiete, um die von der EU geforderte Unterschutzstellung bis Ende 2018 zu erreichen;

  2. eine nicht über die 1:1 Umsetzung der Vorgaben der EU hinausgehende Regelung;

  3. die bisherigen Unterschutzstellungserlasse aufzuheben;

  4. die Grundeigentümer- und Nutzerverbände in alle weiteren Schritte enger einzubeziehen;

  5. den Erschwernisausgleich auch auf bestehende Landschaftsschutzgebiete auszuweiten.

    Soweit es die Umsetzung von Natura 2000 betrifft wird ergänzend auf die Antworten der Landesregierung zur Kleinen Anfrage „Umsetzung von Natura 2000 in Niedersachsen“ (hier Vorbemerkung zur Antwort) – LT-Drs. 17/872, die Antwort zur Kleinen Anfrage „Faktische Vogelschutzgebiete und Infrastrukturprojekte“ (hier Vorbemerkung zur Antwort) – LT-Drs. 17/8435 (neu) sowie die Antwort zur Kleinen Anfrage „Wie unterstützt die Landesregierung von Schutzgebietsausweisungen betroffene Naturnutzer?“ – LT-Drs. 18/230 (hier Nr. 32) verwiesen.

1. Wie bewertet die Landesregierung das Positionspapier sowie die einzelnen Forderungen der niedersächsischen Naturnutzer- und Eigentümerverbände zur Umsetzung von Natura 2000?

Das Positionspapier greift die diesbezüglichen Überlegungen des Koalitionsvertrages auf. Im Koalitionsvertrag angesprochen sind

  • die Überprüfung des gemeinsamen Runderlasses des MU und des ML „Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald […]“ vom 21. Oktober 2015 (Koalitionsvertrag Zeilen 2807 bis 2810)

  • die Prüfung, ob bei der Sicherstellung von Natura 2000 der Vertragsnaturschutz in Kombination mit einem sog. Grundschutz nicht relevanter werden könne (Koalitionsvertrag Zeilen 2814 bis 2817),

  • die Prüfung, ob identische Nutzungsbeschränkungen in Schutzgebieten (NSG/LSG) künftig unabhängig vom jeweiligen Schutzgebietscharakter durch einen Erschwernisausgleich abgegolten werden können (Koalitionsvertrag Zeilen 2818 bis 2820).

    Bezüglich der Bewertung der im Positionspapier formulierten Forderungen ist im Einzelnen anzumerken:

    Zu a) Im Falle einer Grundschutzverordnung müsste sich die Landesregierung mit zahlreichen rechtlichen Fragestellungen, die in Teilen hochumstritten sind, auseinandersetzen, insbesondere mit Fragen zum Bestimmtheitsgebot und Übermaßverbot. Zudem hat z.B. die Verwaltung für die Erstellung der bayerischen Grundschutzverordnung ca. 2 Jahre benötigt. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass eine Grundschutzverordnung in der zur Verfügung stehenden Zeit bis Ende 2018 erlassen werden könnte.

    Zu b) Es wird davon ausgegangen, dass die Forderung im Zusammenhang mit der im Koalitionsvertrag formulierten Überprüfung des gemeinsamen Runderlasses des MU und des ML „Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald […]“ vom 21. Oktober 2015 (Koalitionsvertrag Zeilen 2807 bis 2810) steht.

    Im Zuge der Bemühungen um eine hoheitliche Sicherung von Natura 2000-Gebieten hat das Land Niedersachsen gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landkreistag (NLT), betroffenen Landkreisen, Interessenverbänden der Wald- und Grundeigentümer und weiteren Partnern eine Prüfung des sogenannten „Walderlasses“ (oder auch „Unterschutzstellungserlasses“) vorgenommen. Dieser Erlass ist Grundlage für die Unterschutzstellung der zahlreichen Waldflächen in Niedersachsen, ca. 1,2 Millionen Hektar Wald gibt es in Niedersachsen, davon liegen rund 137.000 Hektar in Natura 2000-Gebieten, die derzeit durch Ausweisung von Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebieten hoheitlich gesichert werden müssen.

    In einer Konferenz des Niedersächsischen Landkreistages mit ehrenamtlichen Vertretern der Kreistage und der Regionsversammlung erklärte der Niedersächsische Umweltminister, dass der Walderlass nicht geändert werde. Ein klarstellender zwischen MU und ML abgestimmter Leitfaden ist Richtschnur für die unteren Naturschutzbehörden, die die Regelungen des Unterschutzstellungserlasses in konkrete Schutzgebietsverordnungen umsetzen müssen. Darüber hinaus soll er den Waldbesitzenden und Forstleuten als Information dienen, damit diese eine klarere Vorstellung davon erhalten, wie die EU-rechtskonforme 1:1-Umsetzung aussehen soll.

    Bei der Wahl des geeigneten hoheitlichen Sicherungsinstrumentes werden die zuständigen unteren Naturschutzbehörden das in der Verwaltungspraxis anzuwendende Übermaßverbot beachten.

    Zu c) Auf die Ausführungen zu b) wird verwiesen.

    Zu d) Die Sicherung der niedersächsische Natura 2000-Gebiete erfolgt durch einen hoheitlichen Gebietsschutz. Die hoheitlichen Sicherungsverfahren erfolgen auf Grundlage eines im Naturschutzrecht verankerten, formalisierten Verfahrens. Darin ist die Beteiligung der betroffenen Landnutzer und Grundstückseigentümer am Verordnungsgebungsverfahren gesetzlich festgelegt.

    Zu e) Die Landesregierung beabsichtigt, zukünftig den Erschwernisausgleich Wald nicht nur in Naturschutzgebieten, sondern auch in Landschaftsschutzgebieten zur Anwendung zu bringen. Dazu bedarf es einer Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz sowie der bisherigen Erschwernisausgleichsverordnung Wald. Im Übrigen steht die Maßnahme noch unter dem Vorbehalt einer Absicherung im Landeshaushalt. Die Überlegungen zum Erschwernisausgleich dürfen– mit Blick auf das Vertragsverletzungsverfahren u.a. wegen mangelnder Sicherung der FFH-Gebiete - allerdings nicht zu einer Verzögerung der laufenden Sicherungsverfahren führen.

    Auf nachfolgend verlinkte Presseinformation wird verwiesen

    (http://www.nlt.de/magazin/artikel.php?artikel=503&type=&menuid=19&topmenu=19 ).

2. Welche bisherigen Vorgaben des Landes zur Umsetzung von Natura 2000 wird die neue Landesregierung wie ändern, und wird sie damit den Forderungen der Naturnutzer- und Eigentümerverbände entsprechen oder entgegenkommen?

Der o.g. gemeinsame Runderlass „Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald […]“ des MU und des ML vom 21.10.2015 wird nicht geändert. Insofern bestehen die verlässlichen Vorgaben für eine EU-rechtskonforme 1:1-Umsetzung fort. Eine Grundschutzverordnung ist nicht geplant. Diese Informationen und der o.a. klarstellende Leitfaden wurden am 22. Februar 2018 u.a. an die unteren Naturschutzbehörden versandt. Die Hilfestellungen und Handreichungen des NLWKN sind an diesen Vorgaben des Leitfadens zu „Natura 2000 in niedersächsischen Wäldern“ auszurichten.

Bezüglich der Forderung zum Erschwernisausgleich wird auf die Antworten zu Frage 1 Buchstabe e) verwiesen.

3. Auf welche Weise hat die Landesregierung die Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU zur Umsetzung von Natura 2000 geprüft, und zu welchen Ergebnissen ist sie dabei ggf. jeweils gekommen?

Das zuständige Umweltministerium hat unter Beteiligung der betroffenen Ressorts die oben benannten Prüfaufträge des Koalitionsvertrages zu Natura 2000 in rechtlicher und fachlicher Sicht umfassend geprüft. So erfolgte zur Abarbeitung des Prüfauftrages zur Überprüfung des gemeinsamen Runderlasses des MU und des ML „Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald […]“ vom 21. Oktober 2015 im Januar 2018 eine diesbezügliche inhaltliche Erörterung unter Beteiligung des ML, des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Grund- und Waldbesitzerverbänden, Waldbesitzern und Landkreisvertretern im Niedersächsischen Umweltministerium.

Diese Prüfaufträge des Koalitionsvertrages wurden umgehend abgearbeitet, um Verzögerungen beim Fortgang der Sicherung der Natura 2000-Gebiete zu vermeiden.

Bezüglich der Ergebnisse ist das Folgende auszuführen:

  • Überprüfung des gemeinsamen Runderlasses des MU und des ML „Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten im Wald […]“ vom 21. Oktober 2015 (Koalitionsvertrag Zeilen 2807 bis 2810)

    Auf die Antworten zu Frage 1 Buchstabe b) und c) sowie die Ausführungen zu Frage 2 (hier: erster Absatz) wird verwiesen.

  • Prüfung, ob bei der Sicherstellung von Natura 2000 der Vertragsnaturschutz in Kombination mit einem sog. Grundschutz nicht relevanter werden könne (Koalitionsvertrag Zeilen 2814 bis 2817)

    Mit Blick auf die Forderung nach einer sog. „Grundschutzverordnung“ wird auf die Antworten zu Frage 1 Buchstabe a) und Frage 2 (hier: erster Absatz) verwiesen.

    Das Instrument des Vertragsnaturschutzes kommt für die EU-rechtlich erforderliche Sicherung von Natura 2000-Gebieten nicht in Frage. Die reklamierte „Gleichwertigkeit“ der Instrumente „Vertragsnaturschutz“ und „hoheitliche Sicherung“ liegt nicht vor (fehlende Dauerhaftigkeit und fehlende Drittwirkung). Instrumente des Vertragsnaturschutzes kommen dagegen bei dem (der Sicherung i.d.R. nachfolgenden) Gebietsmanagement – d.h. der Umsetzung von Wiederherstellungs-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen oder für weitergehende naturschutzfachliche Ziele mit Zustimmung des Flächeneigentümers zum Tragen.

  • Prüfung, ob identische Nutzungsbeschränkungen in Schutzgebieten (NSG/LSG) künftig unabhängig vom jeweiligen Schutzgebietscharakter durch einen Erschwernisausgleich abgegolten werden können (Koalitionsvertrag Zeilen 2818 bis 2820)

    Auf die Antworten zu Frage 1 Buchstabe e) sowie die Ausführungen zu Frage 2 (hier: zweiter Absatz) wird verwiesen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
01.03.2018

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