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Antwort auf die mündliche Anfrage: Kommt bald kein Binnenschiff mehr gefahren?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker. Hillgriet Eilers, Björn Försterling und Jörg Bode (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der HAZ vom 15. April 2015 war, unter der Überschrift „Umweltzone hilft der Luft kaum“, zu entnehmen, dass sieben Jahre nach der Einführung der Umweltzone in Hannover die Luftverschmutzung immer noch über den zulässigen Grenzwerten der EU liegt. Statt die getroffenen Maßnahmen infrage zu stellen, denkt die Ratsmehrheit über eine weitere Verschärfung der Auflagen nach. Umweltexperten der Stadtratsfraktion der SPD plädieren u. a. für eine schärfere Verkehrsüberwachung und die konsequente Ahndung von Verstößen.

Als Verursacher von Emissionen, die sich in der Umweltzone aufhalten, kommen jetzt u. a. auch Binnenschiffe in den Fokus. In der HAZ wird der SPD-Umweltexperte wie folgt zitiert: „Es kann nicht sein, das Binnenschiffe so einfach in die Umweltzone fahren dürfen.“

1. Vor dem Hintergrund, dass die Regierungskoalition den Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr ausbauen und die Verlagerung von Gütertransporten auf Binnenwasserstraßen stärken will: Wird die Binnenschifffahrt demnächst mit Fahrverboten oder Einschränkungen in Niedersachsen aufgrund ihrer Emissionen zu rechnen haben?

2. Vor dem Hintergrund, dass nach Meinung von Experten die Binnenschifffahrt schon jetzt ein kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsträger ist, der Markt für Binnenschiffsmotoren ein Nischenmarkt ist und Abgasnachbehandlungssysteme aus Platzgründen nicht immer verbaut werden können: Wie könnten die geforderte Verschärfung der Auflagen und deren Überwachung zweckmäßig für die Binnenschifffahrt in Umweltzonen umgesetzt werden?

3. Vor dem Hintergrund, dass nach Meinung von Experten die Binnenschifffahrt schon jetzt ein kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsträger ist, der Markt für Binnenschiffsmotoren ein Nischenmarkt ist und Abgasnachbehandlungssysteme aus Platzgründen nicht immer verbaut werden können: Welche Auswirkungen hat die politisch geforderte Einführung von strengen Euro-VI-Werten für Binnenschiffsmotoren (siehe Beschluss des Bundesrates, Drucksache 441/14) auf die politisch ebenfalls geforderte Stärkung der Binnenschifffahrt in Deutschland?

Vorbemerkung der Landesregierung

Der Mittellandkanal ist eine wichtige, viel befahrene Wasserstraße und führt direkt durch das nördliche Stadtgebiet von Hannover. In Seelze bei Hannover zweigt der Stichkanal Hannover-Linden vom Mittellandkanal ab und verbindet diesen mit dem Hafen in Hannover-Linden. Dabei verläuft er auf einer Länge von rund 5 km durch die Umweltzone. Im weiteren Verlauf durchquert der Mittellandkanal die nördlichen Stadtteile von Hannover; der Nordhafen und der Brinker Hafen liegen unmittelbar am Mittellandkanal. In Hannover Misburg zweigt der Stichkanal Hannover-Misburg zum Hafen Hannover-Misburg ab. Weiter östlich folgt die Schleuse Anderten.

Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim hat im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz im September 2011 das Gutachten „Modellgestützte Voruntersuchungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Hannover“ im Rahmen des Fristverlängerungsverfahrens zur Einhaltung des Jahresgrenzwertes für Stickstoffdioxid erstellt. Für das Stadtgebiet von Hannover wurde die Luftschadstoffbelastungen im Hauptstraßennetz für das Bezugsjahr 2010 unter Berücksichtigung der 3. Stufe der Umweltzone ermittelt. Zusätzlich ist eine Prognose für das Bezugsjahr 2015 mit der Umweltzone in der 3. Stufe erstellt worden. Zur Bestimmung der urbanen Hintergrundbelastung wurde dafür ein Emissionskataster für die Quellgruppen Industrie, Hausbrand, Schifffahrt, Bahn- und Straßenverkehr aufgebaut

Als Ergebnis stellte das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim fest, dass der Anteil der Stickstoffoxid-Emissionen aus der Schifffahrt nur ca. 3 % zur Gesamtemission der Quellgruppen beiträgt.

Für einen Abschnitt der Göttinger Straße, an dem die Verkehrsmessstation des Lufthygienischen Überwachungssystems Niedersachsen aufgestellt ist und auch im Jahr 2014 Stickstoffdioxid-Konzentrationen oberhalb des Jahresgrenzwertes aufgetreten sind, wurde damals eine Quellanalyse durchgeführt. Sie ergab ein detailliertes Bild über die Zusammensetzung der Schadstoffanteile nach ihrer Herkunft. Die Quellanalyse für Stickstoffoxide (NOx) hatte folgendes Ergebnis:

Bei den auftretenden NOX-Immissionen dominiert die lokal in der Schlucht durch den Verkehr verursachte Zusatzbelastung mit 60 %, gefolgt vom urbanen Hintergrund mit 22 % und dem regionalen Hintergrund mit rund 18 %. Der Straßenverkehr im urbanen Hintergrund trägt mit fast 16 % erheblich zur NOX-Immission bei - über ¾ der NOX-Immission wird somit vom Straßenverkehr verursacht. Der Hausbrand hat mit über 4 % einen stärkeren Einfluss auf die NOX-Immission als die Bahn mit 2 %. Die industriellen Quellen und die Quelle Schiff spielen mit Anteilen von unter 1 % nur eine untergeordnete Rolle.

Die Auswertung der Messergebnisse des Jahres 2015 bleibt abzuwarten, hinsichtlich der irrelevanten Beiträge der Binnenschifffahrt wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit aber kein anderes Ergebnis geben.

1. Vor dem Hintergrund, dass die Regierungskoalition den Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr ausbauen und die Verlagerung von Gütertransporten auf Binnenwasserstraßen stärken will: Wird die Binnenschifffahrt demnächst mit Fahrverboten oder Einschränkungen in Niedersachsen aufgrund ihrer Emissionen zu rechnen haben?

Nein.

2. Vor dem Hintergrund, dass nach Meinung von Experten die Binnenschifffahrt schon jetzt ein kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsträger ist, der Markt für Binnenschiffsmotoren ein Nischenmarkt ist und Abgasnachbehandlungssysteme aus Platzgründen nicht immer verbaut werden können: Wie könnten die geforderte Verschärfung der Auflagen und deren Überwachung zweckmäßig für die Binnenschifffahrt in Umweltzonen umgesetzt werden?

Aus Sicht der Landesregierung dürften eine Verschärfung der Auflagen und deren Überwachung für die Binnenschifffahrt zum Zwecke der Durchfahrt der Umweltzone Hannover nicht zweckmäßig sein.

3. Vor dem Hintergrund, dass nach Meinung von Experten die Binnenschifffahrt schon jetzt ein kostengünstiger und umweltfreundlicher Verkehrsträger ist, der Markt für Binnenschiffsmotoren ein Nischenmarkt ist und Abgasnachbehandlungssysteme aus Platzgründen nicht immer verbaut werden können: Welche Auswirkungen hat die politisch geforderte Einführung von strengen Euro-VI-Werten für Binnenschiffsmotoren (siehe Beschluss des Bundesrates, Drucksache 441/14) auf die politisch ebenfalls geforderte Stärkung der Binnenschifffahrt in Deutschland?

Ein Fahrverbot für Binnenschiffe in der Umweltzone ist derzeit rechtlich nicht vorgesehen. Die Stickstoffdioxid-Belastungsschwerpunkte in Hannover liegen im Bereich der Hauptverkehrsstraßen. Ein Fahrverbot für Binnenschiffe würde zu keiner messbaren Minderung in diesen Bereichen führen. Eine Überschreitung von Grenzwerten ist im Randbereich des Mittellandkanals ebenfalls nicht zu erwarten. Die Einführung von strengen Euro-VI-Werten für Binnenschiffsmotoren in der Umweltzone Hannover wird daher für nicht erforderlich gehalten.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anforderungen in Bezug auf die Emissionsgrenzwerte und die Typgenehmigung für Verbrennungsmotoren für nicht für den Straßenverkehr bestimmte mobile Maschinen und Geräte in seiner 928. Sitzung am 28. November 2014 zu den Regelungen für Binnenschiffe neben den Anpassungen der Abgasgrenzwerte für Partikelmasse und Stickoxide an die Grenzwerte vergleichbar großer Motoren in anderen Maschinen und Geräten im Hinblick auf die Bedeutung für die Luftqualität in Ballungsräumen folgendes ausgeführt:

„Der Bundesrat hält die für Binnenschiffe vorgeschlagenen Anforderungen für sehr ambitioniert. Diese scheinen den weltweit üblichen Standard im Marinesektor deutlich zu übertreffen und die im Bereich der Binnenschifffahrt üblichen Zyklen der Flottenerneuerung zu überfordern. Er regt deshalb an, die entsprechenden Regelungen unter Beachtung von Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit zu überprüfen, insbesondere auch dahingehend, ob eine Harmonisierung der Grenzwerte für die Binnenschifffahrt mit den von der US-amerikanischen Umweltbehörde USEPA festgelegten Grenzwerten vorgenommen werden sollte."

Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. und der europäische Dachverband für die Binnenschifffahrt (EBU) lehnen die von der Kommission geforderten Grenzwerte ebenfalls ab und fordern die Grenzwerte an den US-Markt anzugleichen. Der genannte Bundesratsbeschluss und die Forderungen des Binnenschifffahrtsgewerbes sind insofern identisch.

Durch den Bundesratsbeschluss sind daher keine Auswirkungen auf die politisch ebenfalls geforderte Stärkung der Binnenschifffahrt in Deutschland zu erkennen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.05.2015
zuletzt aktualisiert am:
18.05.2015

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