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Antwort auf die mündliche Anfrage zu: Verteilnetze als Kernstück der Energiewende - Novelle der Anreizregulierungsverordnung

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Dr. Gero Hocker (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der Ausbau der Verteilnetze ist wesentlich für das Gelingen der Energiewende, was für Niedersachsen mit der VKU-Verteilnetzstudie dargelegt wurde. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) zu novellieren.

In den Eckpunkten der Bundesregierung zur Novelle der ARegV heißt es u. a.:

Zum Thema Investitionsbedingungen

„Die Energiewende macht Investitionen in die Energienetze notwendig. Um die notwendigen Investitionen für den Aus- und Umbau der Verteilernetze zu erleichtern, müssen Investitionen zügig, nachdem sie getätigt wurden, erlöswirksam werden. Dazu soll der Zeitverzug zwischen dem Tätigen der Investition und ihrer Erlöswirksamkeit für das Instrument des Erweiterungsfaktors beseitigt werden. Daneben ist es notwendig, die Zielgenauigkeit des Erweiterungsfaktors zu erhöhen, da dieser sowohl zu Unterdeckungen als auch - häufiger - zu Überdeckungen der tatsächlichen Kosten geführt hat. Da Unterdeckungen zu Lasten der Netzbetreiber und Überdeckungen zulasten der Netzkunden gehen, ist beabsichtigt, die für den Erweiterungsfaktor maßgeblichen Parameter passgenauer auszugestalten. Die Technologieneutralität des Erweiterungsfaktors ist zu gewährleisten.“

Seitens der Verteilnetzbetreiber wird hingegen das Konzept der Investitionskostendifferenz als geeignetes Instrument gesehen, um investitionshemmenden Zeitverzug bei der Kostenanerkennung zu vermeiden.

Zum Thema Vereinfachtes Verfahren

„Das vereinfachte Verfahren hat sich als bürokratiesenkendes Instrument für kleinere Netzbetreiber bewährt. Allerdings erscheinen die Schwellenwerte nicht mehr angemessen. Einerseits hat sich das Verfahren der Anreizregulierung eingespielt, sodass der Aufwand für die Beteiligten insgesamt gesunken ist. Andererseits ist der prozentuale Anteil der Netzbetreiber, die vom vereinfachten Verfahren Gebrauch machen, mit ca. 80 % spartenübergreifend sehr hoch und stößt auch bei der Europäischen Kommission auf rechtliche Bedenken. Es wird daher eine Absenkung der bestehenden Schwellenwerte auf 7 500 angeschlossene Kunden für Gasnetzbetreiber und 15 000 angeschlossene Kunden für Stromnetzbetreiber geprüft. Ziel ist es, die Zahl der Netzbetreiber im Regelverfahren zu erhöhen und damit den Effizienzvergleich noch belastbarer zu machen. Zudem besteht die Chance, weiterhin vorhandene Ineffizienzen zu heben.“

Zum Thema Effizienz

„Daneben soll die Ermittlung des maßgeblichen Effizienzwertes gestrafft und so die Effizienzanreize verstärkt werden. Bei der Einführung der Anreizregulierung wurde entschieden, vier individuelle Effizienzwerte unter Verwendung von zwei Effizienzvergleichsmethoden und jeweils zwei verschiedenen Kostenansätzen zu berechnen. Der beste der vier ermittelten Effizienzwerte wurde für die Festsetzung der Erlösobergrenzen verwendet („best of four“). Damit wurde sichergestellt, dass etwaige Unsicherheiten im Effizienzvergleich kompensiert werden. Alle Beteiligten haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass der Effizienzvergleich robuster geworden ist und seine Ergebnisse entsprechend belastbarer sind. Das beschriebene „Sicherheitsnetz“ kann nun engmaschiger gezogen werden. Zukünftig wird daher auf den durchschnittlichen Effizienzwert abgestellt.“

1. Wie ist die Position der Landesregierung im Hinblick auf die von der Bundesregierung beabsichtigte neue Ausgestaltung der Anreizregulierungsverordnung?

2. Wie ist die Position der Landesregierung bezüglich des Konzepts der Investitionskostendifferenz?

3. Auf welche Art und Weise bringt die Landesregierung sich in die Beratung der ARegV-Novelle ein?

Vorbemerkung der Landesregierung

Mit dem vorgelegten Eckpunktepapier hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die aus seiner Sicht erforderlichen Schwerpunkte für eine Novelle der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) vorgestellt. Das BMWi will insbesondere die Investitionsbedingungen verbessern und Effizienzanreize verstärken.

Die Ziele einer Novellierung der ARegV, insbesondere eine Verbesserung der Investitionsbedingungen, sind zu begrüßen. Die zur Umsetzung der Ziele vorgeschlagenen Maßnahmen werden allerdings von der Landesregierung sehr unterschiedlich bewertet. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Investitionsbedingungen.

1. Wie ist die Position der Landesregierung im Hinblick auf die von der Bundesregierung beabsichtigte neue Ausgestaltung der Anreizregulierungsverordnung?

Zum Thema Investitionsbedingungen:

Im Eckpunktepapier des BMWi wird vorgeschlagen, dass zur Verbesserung der Investitionsbedingungen für Verteilnetzbetreiber das schon bestehende Instrument des Erweiterungsfaktors prinzipiell beibehalten, aber in einigen Punkten angepasst wird. Zum einen soll der Zeitverzug bei der Erlöswirksamkeit von Erweiterungsinvestitionen vermindert werden, zum anderen soll die Treffgenauigkeit erhöht werden.

Der Erweiterungsfaktor ist ein Regulierungsinstrument zur Berücksichtigung von Erweiterungsinvestitionen in die Netzinfrastruktur innerhalb der fünfjährigen Regulierungsperiode. Damit sollen die Kosten für Netzerweiterungen auf Basis von Parameteränderungen (Anzahl der Anschluss- und Ausspeisepunkte, Jahreshöchstlast, dezentrale Erzeugungsleistung und Fläche des versorgten Gebiets) in der Erlösobergrenze berücksichtigt werden. Eine Erhöhung der Parameterwerte zwischen dem Basisjahr und dem Antragsjahr führt zu einer entsprechenden Erhöhung der genehmigten Erlösobergrenze. Die tatsächlichen Kosten der Erweiterungsinvestition sind hierfür aber nicht relevant.

Die Landesregierung sieht die Beibehaltung des Erweiterungsfaktors kritisch, da er vermutlich auch nach Anpassungen weder zielgenau noch kostensparend sein wird. Zudem wird der Zeitverzug nur für Erweiterungsinvestitionen vermindert, für die Ersatzinvestitionen hingegen besteht unvermindert ein Zeitverzug von 3 – 7 Jahren bis zur Erlöswirksamkeit.

Zum Thema Vereinfachtes Verfahren:

Das vereinfachte Verfahren der Anreizregulierung bietet den teilnahmeberechtigten Netzbetreibern die Möglichkeit, den mit dem Regelverfahren der Anreizregulierung verbundenen regulatorischen Aufwand zum Teil zu vermeiden. Das vereinfachte Verfahren dient damit der Entlastung kleinerer Netzbetreiber von regulatorischen Anforderungen. Das vereinfachte Verfahren als Gesamtpaket beinhaltet Regelungen zugunsten und zulasten der teilnehmenden Netzbetreiber, bspw. keine Teilnahme am Effizienzvergleich, keine Möglichkeit zur Bereinigung des Effizienzwertes, weniger Berichtspflichten sowie die Annahme von 45 % der Gesamtkosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile.

Eine Halbierung der bestehenden Schwellenwerte auf 7.500 angeschlossene Kunden (Gas) und 15.000 angeschlossene Kunden (Strom) für den Zugang zum vereinfachten Verfahren hätte für die betroffenen kleineren Netzbetreibern einen erhöhten bürokratischen Aufwand zur Folge. Im Hinblick auf die bessere Möglichkeit zur Effizienzprüfung bei kleinen Netzbetreibern, wäre insoweit eine Absenkung zwar von Vorteil. Insgesamt geht die Landesregierung jedoch davon aus, dass die Beschränkung des Zugangs zum vereinfachten Verfahren weniger sachdienlich ist als eine Weiterentwicklung der Ausgestaltung des vereinfachten Verfahrens, etwa durch Absenkung der pauschalierten 45 % dauerhaft nicht beeinflussbarer Kosten.

Zum Thema Effizienz:

Die Landesregierung sieht auch die im o.g. Eckpunktepapier vorgeschlagene Abschaffung des „best of four“ Ansatzes bei der Berücksichtigung des Effizienzwertes kritisch. Ein Teil des Effizienzpotentials wurde bereits mit den ersten beiden Regulierungsperioden realisiert, woraus auch eine Angleichung und allgemeine Erhöhung der Effizienzwerte resultiert. Mit der Einführung eines durchschnittlichen Effizienzwertes würde sich ein Großteil der Netzbetreiber durch geringere Renditeerwartungen schlechter als bei der bisherigen Regelung stellen. Von einem robuster gewordenen Effizienzvergleich ist aus Sicht der Landesregierung nicht auszugehen, da sich eine Erhöhung der Robustheit nur aus einer größeren Grundgesamtheit der am Effizienzvergleich beteiligten Unternehmen und einer besseren Vergleichbarkeit der Strukturparameter ergibt. Eine Steigerung der Effizienzanreize ist durch die geplante Neuregelung nicht zu erwarten, da Differenzen zwischen den ermittelten Effizienzwerten auch auf den Verfahrensunterschieden basieren, die vom Netzbetreiber nicht beeinflussbar sind und die Differenz zwischen dem ermittelten besten und durchschnittlichen Effizienzwert eine vom Netzbetreiber nicht erreichbare Effizienzvorgabe darstellen würde. Die bisherige Regelung trägt damit auch insbesondere zur Akzeptanz des Effizienzvergleichs bei. Es ist davon auszugehen, dass es zu einer erhöhten Anzahl von Beschwerden und Gerichtsverfahren gegen die individuell festzulegenden Effizienzwerte bei Umsetzung der geplanten Neuregelung kommen wird. Aus Sicht der Landesregierung sollte daher der „best of four“ Ansatz bei der Auswahl der Effizienzwerte beibehalten werden.

Die ebenfalls geplante Einführung eines Effizienzbonus schätzt die Landesregierung als wenig wirksam ein. Ein Bonus, der besonders effizienten Netzbetreibern gewährt würde, hängt zum einen von der eigenen Kostenstruktur des jeweiligen Netzbetreibers aber gerade auch von der Kostenstruktur aller anderen Netzbetreiber ab, die aber ex- ante nicht prognostizierbar und damit unsicher ist. Aufgrund dieser asymmetrischen Informationsverteilung würden Netzbetreiber einen möglichen Effizienzbonus nicht durch eigene zusätzliche Effizienzanstrengungen in ihrer Planung berücksichtigen. Von dem bisher auch nur wenig konkret dargestellten Konzept werden daher keine weiteren Anreize zur Effizienzsteigerung im Vergleich zum bestehenden System erwartet.

2. Wie ist die Position der Landesregierung bezüglich des Konzepts der Investitionskostendifferenz?

Die Landesregierung verfolgt das Ziel, dass die Novellierung der Anreizregulierungsverordnung einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem Anreiz notwendiger Investitionen und der Begrenzung der von den Netzkunden zusätzlich zu tragenden Netzkosten schafft.

Zur Beseitigung des die Investitionen hemmenden Zeitverzugs zwischen getätigter Investition und ihrer Erlöswirksamkeit für die Verteilnetzbetreiber hält die Landesregierung die im Eckpunktepapier des BMWi vom 16.03.2015 vorgeschlagene Lösung über die Modifikation des Erweiterungsfaktors für nicht überzeugend (siehe Antwort zu Frage 1). Vorzuziehen sind Modelle mit einem jährlichen Kapitalkostenabgleich, in denen sich Änderungen im Anlagevermögen der Netzbetreiber unmittelbar auf ihre Erlösobergrenzen auswirken. Als eines dieser Modelle mit Kapitalkostenabgleich behält das Modell Investitionskostendifferenz (IKD) einen Sockeleffekt bei, indem die Alterung der Anlagegüter innerhalb der Regulierungsperiode außer Acht bleibt. Auf diese Weise werden Neuinvestitionen angereizt, ohne dass sich die Erlössituation bezogen auf die Altanlagen innerhalb einer Regulierungsperiode stark verschlechtert.

Die Landesregierung ist der Auffassung, dass das Modell IKD als noch akzeptabler Kompromiss zwischen den Erlösinteressen der Netzbetreiber und dem Ziel möglichst günstiger Netzentgelte angesehen werden kann.

3. Auf welche Art und Weise bringt die Landesregierung sich in die Beratung der ARegV-Novelle ein?

Vertreter der Landesregierung haben an allen offiziellen Besprechungen, Workshops und Arbeitsrunden zwischen Bundesnetzagentur, BMWi und Ländern teilgenommen und sich entsprechend eingebracht.

Ein informeller, fachlicher Austausch auf Arbeitsebene der Bundesländer fand im April dieses Jahres dazu auf Einladung Niedersachsens in Hannover statt.

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.05.2015

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