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Antwort auf die mündliche Anfrage: Kohlepfennig 2.0 - Was bedeuten Gabriels Pläne für die Arbeitsplätze der acht niedersächsischen Kohlekraftwerke?

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Antwort auf die mündliche Anfrage: Kohlepfennig 2.0 - Was bedeuten Gabriels Pläne für die Arbeitsplätze der acht niedersächsischen Kohlekraftwerke?


Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Gabriela König, Jörg Bode und Christian Dürr (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Bundeswirtschaftsminister Gabriel arbeitet derzeit an einem sogenannten Kraftwerkspaket, welches er laut Süddeutscher Zeitung vom 20. März 2015 noch vor der Sommerpause „durchbringen will“. Die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers führen bundesweit zu Diskussionen. Im Bundestag ist ein Fragenkatalog von 150 Einzelfragen zur Energiepolitik eingereicht worden, und Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitgeber und Politiker üben Kritik (FAZ vom 4. April 2015) am „Feldzug von Bundeswirtschaftsminister Gabriel“ (http://www.maz-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/CDU-Politiker-unterstuetzen-Gabriels-Kohlekurs). Die Pläne zur Zukunft des Strommarktes gefährden bundesweit tausende Arbeitsplätze. Verdi-Chef Frank Bsirske beziffert 100 000 Arbeitsplätze als gefährdet, wenn die ins Feld geführte Sonderabgabe für Kohlekraftwerke kommen sollte. Umweltminister Wenzel kommentierte die Hinweise von Verdi-Chef Bsirske als abenteuerlich und verwies darauf, dass die größten Risiken bei der „mangelnden Kreativität“ der verantwortlichen Unternehmensmanager liegen würden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat den Betriebsräten betroffener Unternehmen schriftlich versichert, dass die Bundesregierung Arbeit und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen werde. In Niedersachsen gibt es derzeit acht Kohlekraftwerke, die neben der erforderlichen grundlastfähigen elektrischen Energie auch zahlreiche Arbeitsplätze sichern.

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit einer über den Emissionshandel hinausgehenden Sonderumlage für eine einzige Energieart zur Finanzierung einer Aufgabe, die im Interesse der Allgemeinheit liegt?

2. Wie viele Arbeitsplätze sind in Niedersachsen durch die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Gabriel direkt und indirekt gefährdet?

3. Vor dem Hintergrund der Ausführungen im Koalitionsvertrag, dass die Landesregierung die Energieversorgung in Niedersachsen auf einhundert Prozent erneuerbare Energiequellen (Seite 85) umbauen wird und dass alle Umbaumaßnahmen dieser Energiewende im Einklang mit den Kriterien „Guter Arbeit“ (Seite 58) stehen und Umweltminister Wenzel die Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Gabriel als richtig aber nicht radikal einstuft: worauf können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den acht Kohlekraftwerken bezüglich der Arbeitsplatzsicherheit einstellen?

Vorbemerkung der Abgeordneten

Bundeswirtschaftsminister Gabriel arbeitet derzeit an einem sogenannten Kraftwerkspaket, welches er laut Süddeutscher Zeitung vom 20. März 2015 noch vor der Sommerpause „durchbringen will“. Die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers führen bundesweit zu Diskussionen. Im Bundestag ist ein Fragenkatalog von 150 Einzelfragen zur Energiepolitik eingereicht worden, und Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitgeber und Politiker üben Kritik (FAZ vom 4. April 2015) am „Feldzug von Bundeswirtschaftsminister Gabriel“ (http://www.maz-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/CDU-Politiker-unterstuetzen-Gabriels-Kohlekurs). Die Pläne zur Zukunft des Strommarktes gefährden bundesweit tausende Arbeitsplätze. Verdi-Chef Frank Bsirske beziffert 100 000 Arbeitsplätze als gefährdet, wenn die ins Feld geführte Sonderabgabe für Kohlekraftwerke kommen sollte. Umweltminister Wenzel kommentierte die Hinweise von Verdi-Chef Bsirske als abenteuerlich und verwies darauf, dass die größten Risiken bei der „mangelnden Kreativität“ der verantwortlichen Unternehmensmanager liegen würden. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat den Betriebsräten betroffener Unternehmen schriftlich versichert, dass die Bundesregierung Arbeit und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen werde. In Niedersachsen gibt es derzeit acht Kohlekraftwerke, die neben der erforderlichen grundlastfähigen elektrischen Energie auch zahlreiche Arbeitsplätze sichern.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Bundesregierung hat sich wiederholt zum Ziel gesetzt, die inländischen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Prognosen zeigen jedoch, dass dieses Ziel mit den bislang beschlossenen Maßnahmen deutlich verfehlt wird. Um diese Lücke zu schließen, hat die Bundesregierung Ende 2014 den Aktionsplan Klimaschutz verabschiedet. In diesem werden die erforderlichen zusätzlichen Emissionsminderungen in den einzelnen Sektoren dargestellt und entsprechende Maßnahmen skizziert.

Die Landesregierung bekennt sich zum 2-Grad-Ziel. Klimaschutz und Klimaanpassung sind zentrale Anliegen ihrer Politik. Aus Sicht der Landesregierung ist eine ambitionierte und effektive Klimapolitik daher zwingend erforderlich. Dies zeigen nicht zuletzt die Sachstandsberichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Bei der Umsetzung der Klimapolitik kommt gerade den hochentwickelten Regionen eine wichtige Vorreiterrolle zu. Die Landesregierung verfolgt daher eine ehrgeizige Klimaschutzagenda. Sie begrüßt zudem die Ankündigung der Bundesregierung, die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des nationalen Klimaschutzziels für 2020 umzusetzen. Darüber hinaus besteht aus Sicht der Landesregierung die Notwendigkeit für eine zeitnahe und wirksame Reform des europäischen CO2-Zertifikatehandels.

Für den Stromsektor weist der Aktionsplan Klimaschutz der Bundesregierung einen zusätzlichen Minderungsbedarf von 22 Millionen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2020 aus. Um diesen Reduktionsbedarf umsetzen zu können, hat das BMWi im März 2015 die Einführung eines „nationalen Klimaschutzbeitrags der deutschen Stromerzeugung“ vorgeschlagen. Ausweislich der Angaben des BMWi sollen dabei die Betreiber von Kraftwerken, die im Jahr 2020 älter als 20 Jahre sind, für jede emittierte Tonne CO2, die eine bestimmte jährliche Freigrenze überschreitet, zusätzliche CO2-Zertifikate abgeben. Bei dem Vorschlag handelt es sich somit mitnichten um eine individuelle Sonderabgabe für Kohlekraftwerke, sondern um einen Beitrag älterer, im Allgemeinen bereits abgeschriebener Kraftwerke zur Erreichung des nationalen Klimaschutzziels für das Jahr 2020. Durch die Freigrenze kann zudem nie die gesamte Produktion eines Kraftwerks betroffen sein. Die Details des Vorschlags können im Übrigen frei zugänglich auf der Internetpräsenz des BMWi unter www.bmwi.de eingesehen werden.

Abschließend ist anzumerken, dass der im Jahr 1975 eingeführte „Kohlepfennig“ ein prozentualer Aufschlag auf die Stromrechnung der Stromverbraucher war, um die Kohleverstromung zu subventionieren. Belastet wurden die Stromverbraucher und nicht die Kohlekraftwerke. Das Aufkommen des „Kohlepfennigs“ floss in einen Fond, mit dem der inländische Steinkohlebergbau und der Bau von Kohlekraftwerken gefördert wurde. Im Jahr 1994 wurde der „Kohlepfennig“ vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrige Sonderabgabe eingestuft und in der Folge abgeschafft. Der von Bundeswirtschaftsminister Gabriel vorgelegte Vorschlag hingegen wird den Kohlendioxidausstoß in Deutschland reduzieren. Er ist kompatibel mit dem Ziel der Landesregierung die Stromerzeugung bis 2050 auf 100 Prozent Erneuerbare Quellen umzustellen und er trägt dazu bei, die fossilen Überkapazitäten im Strommarkt zu reduzieren, indem er in der Tendenz auf alte, ineffektive Kraftwerke ohne Wärmeauskopplung zielt, die vor Jahrzehnten gebaut wurden und ihre geplante Nutzungsdauer längst überschritten haben.

Auf der anderen Seite muss sichergestellt werden, dass die Pläne nicht zu einem Strompreisanstieg führen, der untragbare Belastungen für Verbraucher und insbesondere die energieintensive Industrie hervorruft.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit einer über den Emissionshandel hinausgehenden Sonderumlage für eine einzige Energieart zur Finanzierung einer Aufgabe, die im Interesse der Allgemeinheit liegt?

Die Pläne des BMWi sehen eine Gleichbehandlung aller fossilen Kraftwerke vor. Betroffen sind Kraftwerke, die älter als 20 Jahre sind und deren CO2-Emissionen eine bestimmte brennstoffunabhängige Freigrenze überschreiten. Bei Überschreiten der Freigrenze erfolgt ausweislich der Pläne des BMWi zudem keine Geldzahlung, sondern eine Abgabe zusätzlicher CO2-Zertifikate. Es liegt im wirtschaftlichen Ermessen der Betreiber, ob sie nach Erreichen der Schwellenwerte die Produktion reduzieren oder aber die höheren Kosten tragen. Derzeit sind die Pläne des BMWi nicht hinreichend konkretisiert, um die Verfassungsmäßigkeit abschließend überprüfen zu können. Im Übrigen geht die Landesregierung davon aus, dass die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen verfassungskonform sind.

2. Wie viele Arbeitsplätze sind in Niedersachsen durch die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Gabriel direkt und indirekt gefährdet?

Für die Landesregierung ist nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang durch die Pläne des BMWi Arbeitsplätze in Niedersachsen gefährdet sein könnten

3. Vor dem Hintergrund der Ausführungen im Koalitionsvertrag, dass die Landesregierung die Energieversorgung in Niedersachsen auf einhundert Prozent erneuerbare Energiequellen (Seite 85) umbauen wird und dass alle Umbaumaßnahmen dieser Energiewende im Einklang mit den Kriterien „Guter Arbeit“ (Seite 58) stehen und Umweltminister Wenzel die Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Gabriel als richtig aber nicht radikal einstuft: worauf können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den acht Kohlekraftwerken bezüglich der Arbeitsplatzsicherheit einstellen?

Die Landesregierung verfolgt das Ziel, den aus energie- und klimapolitischer Sicht erforderlichen Strukturwandel im Erzeugungsbereich hin zu erneuerbaren Energien sozialverträglich auszugestalten. Entsprechend unterstützt sie den sozialverträglichen Abbau von Überkapazitäten im Strommarkt.Der langfristige Abbau von Arbeitsplätzen im Bereich konventioneller Kraftwerke wird durch einen Aufbau von Arbeitsplätzen im Bereich erneuerbarer Energien mehr als ausgeglichen. Aktuell sind in Niedersachsen bereits circa 55.000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien tätig.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
13.05.2015
zuletzt aktualisiert am:
18.05.2015

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