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Antwort auf die mündliche Anfrage: Unter welchen Voraussetzungen dürfen Windkraftanlagen in einer Wasserschutzzone II errichtet werden?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Dr. Gero Hocker, Christian Grascha, Jan-Christoph Oetjen und Horst Kortlang (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Windenergieanlagen sind in einer Wasserschutzzone I ausgeschlossen und in einer Wasserschutzzone II ebenfalls nach WSG-Verordnungen in der Regel unzulässig. Laut den Schutzbestimmungen im Leitfaden Wasserschutzgebiete ist lediglich das Erneuern oder Ändern bestehender Anlagen in einer Wasserschutzzone II erlaubt.

Presseberichten zufolge soll im Rhauderfehner Ortsteil Collinghorst (Landkreis Leer) eine Windenergieanlage in einer Wasserschutzzone II errichtet werden. Die Anlage soll vom Wasserversorgungsverband Overledingen als „dienende“ Windenergieanlage auf dem Gelände des Wasserwerks betrieben werden und mit einer Nabenhöhe von 60 m ca. 300 bis 350 m von der Wohnbebauung entfernt stehen.

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkung der Landesregierung

Für die Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) gibt es in der landesweiten Schutzgebietsverordnung - SchuVO keine Regelungen. Festlegungen finden sich ggf. in den örtlichen Schutzgebietsverordnungen (WSG-VO), die jeweils fachlichen Empfehlungen folgen.

Umfassende Empfehlungen zu Aufstellung und zum Vollzug von Wasserschutzgebietsverordnungen gibt die Handlungshilfe Wasserschutzgebiete Teil 2 des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Für WEA gelten Verbote meist im Fassungsbereich (Zone I) und der engeren Schutzzone (Zone II), die durch

  • die Nähe der (baulichen) Anlage zur Wassergewinnungsanlage,

  • das Verbot von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen nach VAwS und

  • den Eingriff in die Deckschichten

    begründet sind. Genehmigungspflichten in den Zonen III sind dadurch begründet, dass bei den mit Bau und Betrieb von WEA zusammenhängenden Handlungen nicht oder nur schwer abbaubare Stoffe in den Untergrund eingetragen werden können.

    Die Verbote in den Zonen I und II sind so in vielen örtlichen WSG-VO vorgesehen und haben ihre Grundlage im Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW)-Regelwerk W 101.

    Die Genehmigung von WEA erfolgt nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und umfasst die Baugenehmigung sowie die wasserrechtlichen Genehmigungen (Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG, ausgenommen wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nach § 8 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. § 10 WHG).

1. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Windenergieanlagen in einer Wasserschutzzone II errichtet werden?

Sofern die örtliche WSG-VO ein Verbot für den Bau vorsieht, ist dies grundsätzlich einzuhalten. Auf Antrag kann die zuständige Wasserbehörde allerdings im Einzelfall eine Befreiung erteilen, wenn andere Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen, der Schutzgebietszweck der Verordnung dadurch nicht gefährdet wird oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern und die Voraussetzungen des § 52 (1) WHG vorliegen.Die Nachweispflicht liegt beim Antragsteller.

Um den Schutz sicherzustellen, sind mit der Befreiung Auflagen verbunden, die von der unteren Wasserbehörde zu formulieren sind.

2. Ist die Errichtung einer Windenergieanlage in der Wasserschutzzone II in Collinghorst zulässig und, wenn ja, warum?

Für den Bau einer solchen Anlage sind entsprechende Vorschriften der WSG-VO Collinghorst zu beachten.

In Wasserschutzgebieten sind Handlungen in der Regel nur dann zulässig, wenn von ihnen keinerlei Gefährdungen für die Trinkwassergewinnung ausgehen können. Dies ist beim Bau und Betrieb von Windenergieanlagen jedoch durchaus zu besorgen (dazu liegen bespielhaft einschlägige Leitfäden in den Bundesländern vor, z.B. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten Rheinland-Pfalz: Leitfaden zum Bau und Betrieb von Windenergieanlagen in Wasserschutzgebieten, Februar 2013).

3. Gelten für „dienende“ Windenergieanlagen andere baurechtliche Bestimmungen als für andere Windenergieanlagen und, wenn ja, welche?

Neben dem Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB können WEA auch von der privilegierten Zulässigkeit von Vorhaben nach den Nummern 1 bis 4, hier von der Nr. 3, erfasst werden. Voraussetzung dafür ist, dass diese WEA eine der jeweiligen im Außenbereich privilegiert zulässigen Anlage zugeordnete Funktion erfüllen und sich dadurch als Nebenanlage darstellen. Dies ist der Fall, wenn sie der jeweiligen Anlage/dem jeweiligen Betrieb funktional zugeordnet und ihm untergeordnet sind. Dies bedeutet insbesondere, dass der durch die WEA erzeugte Strom überwiegend in der jeweiligen Anlage, in dem jeweiligen Betrieb verwendet wird. Abzustellen ist dabei darauf, ob der betriebsbezogene Anteil der Energieerzeugung gemessen an der Gesamtkapazität der Anlage erheblich ins Gewicht fällt. Überwiegt der betriebsbezogene Anteil der Energieversorgung den zur Einspeisung in das öffentliche Netz bestimmten Anteil nicht deutlich, fehlt es an der dienenden Funktion der Anlage (BVerwG Beschl. v. 4. 11. 2008 – 4 B 44.08).

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.07.2015

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