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Antwort auf die mündliche Anfrage: Wann stellt die Landesregierung den Schutz des Wolfes in Niedersachsen durch eine angemessene Ausgleichsregelung für geschädigte Nutztierhalter sicher?

Pressemitteilung 127/2014

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Dr. Stefan Birkner, Hillgriet Eilers, Hermann Grupe, Dr. Marco Genthe und Jörg Bode (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Der Wolf ist eine gesetzlich geschützte Tierart. Die Schutzanstrengungen können aber nur Erfolg haben, wenn der Wolf bei der betroffenen Bevölkerung vor Ort akzeptiert wird. Nach Auskunft der Landesregierung ist bereits im Dezember 2013 ein „Richtlinienentwurf über die Gewährung von Zuwendungen und Billigkeitsleistungen zur Minderung oder Vermeidung von wirtschaftlichen Belastungen durch den Wolf“ in die Verbandsbeteiligung gegeben worden.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Was hat die Landesregierung daran gehindert, die Regelung des Landes Brandenburg sofort eins zu eins zu übernehmen, und welche prinzipiellen Unterschiede werden zwischen der Situation in Brandenburg und Niedersachsen gesehen?
  2. Was wird konkreter Inhalt der Richtlinie sein, und wann wird sie in Kraft treten?
  3. Hat sich die Sachlage seit Dezember 2013 weiter verändert, und wie prognostiziert die Landesregierung mittelfristig die Entwicklung des Wolfbestandes in Niedersachsen?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Der Wolf (Canis lupus) breitet sich in Deutschland weiter aus. Es handelt sich beim Wolf um eine nach Europarecht und Bundesrecht besonders geschützte Art, die in keiner Weise vom Menschen in ihrer Lebensentfaltung beeinträchtigt werden darf. Da diese Art bei sich bietender Gelegenheit auch Nutztiere reißt, wird die Rückkehr des Wolfes, insbesondere seitens unterschiedlicher Nutztierhaltergruppen, aber auch anderer Bevölkerungsgruppen, kritisch betrachtet. Um in der Bevölkerung die Akzeptanz für den Wolf zu stärken, leisten die jeweiligen Bundesländer finanzielle Hilfen an die betroffenen Nutztierhalter. In den Bundesländern, in denen sich der Wolf bereits etabliert hat bzw. sich gerade verbreitet, bestehen hinsichtlich der Gewährung von Ausgleichszahlungen bei Wolfsübergriffen sowie der Förderung von Präventionsmaßnahmen unterschiedliche und teilweise sehr stark voneinander abweichende Regelungen. Diese Abweichungen sind einerseits dadurch bedingt, dass der Wolf sich langsam und nicht gleichzeitig flächendeckend in Deutschland ausbreitet, andererseits aber auch unterschiedliche Finanzierungsinstrumente in den jeweiligen Bundesländern zur Verfügung stehen bzw. als wirksam erachtet werden.

Insofern kann auf eine diesbezüglich zwischen den Bundesländern abgestimmte Verfahrensweise nicht zurückgegriffen werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

In Brandenburg sind die Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen bei Nutztierrissen sowie die Förderung von Präventionsmaßnahmen in jeweils unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt. Die Präventionsmaßnahmen werden in Brandenburg bislang über EU-Förderprogramme teilfinanziert. Auf Grund des Überganges in die neue Förderperiode mussten dort, insbesondere für das Jahr 2014, alternative Finanzierungswege gesucht werden.

Das Land Niedersachsen beabsichtigt dagegen eine Richtlinie, die beide Regelungsinhalte vereint und eine Finanzierung aus Landesmitteln vorsieht. Eine Förderung von Präventionsmaßnahmen mit EU-Mitteln ist dagegen in Niedersachsen nicht vorgesehen, da verfügbare bzw. geplante EU-Förderinstrumente zu hohe Bagatellgrenzen und unflexible Antragsfristen beinhalten. Die Landesregierung lässt jedoch Regelungsinhalte anderer Bundesländer in die Richtlinie mit einfließen, sofern sie aus fachlicher und haushaltsrechtlicher Sicht in Niedersachsen für geeignet betrachtet werden. Auch die erfolgte Verbandsbeteiligung unter Einbindung unterschiedlicher Nutztierhaltervereinigungen in Niedersachsen hat landesspezifische Regelungserfordernisse ergeben, die in den nunmehr aktualisierten Richtlinienentwurf mit eingeflossen sind.

Aus vorgenannten Gründen können Regelungen anderer Bundesländer, insbesondere aus Brandenburg, durch die Landesregierung nicht identisch übernommen werden.

Zu 2:

Mit dem aktuellen Richtlinienentwurf ist die Landesregierung insofern gut aufgestellt, dem Erfordernis einer staatlichen Unterstützung der Nutztierhalter bei durch den Wolf verursachten Nutztierrissen sowie der Förderung von geeigneten Präventionsmaßnahmen, unter Berücksichtigung der allgemeinen Verantwortung der Nutztierhalter nach § 1 Tierschutzgesetz zum Schutz ihrer Tiere, in Niedersachsen im ausgewogenen Umfang zu begegnen.

Die Landesregierung beabsichtigt mit dem aktualisiertem Richtlinienentwurf die Finanzierung von

4 Billigkeitsleistungen gem. § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) als freiwillige Zahlung des Landes für durch den Wolf verursachte Nutztierrisse auf Basis einer amtlichen Wertermittlung für Schafe, Ziegen, Gatterwild, Rinder und Pferde.

4 Zuwendungen gem. § 44 LHO in der „Förderkulisse Herdenschutz“ für Präventionsmaßnahmen zur Wolfsabwehr (Nachrüstung bzw. Neuanschaffung von Zäunen nebst erforderlichem Zubehör zur Realisierung eines wolfsabweisenden Grundschutzes sowie in geeigneten Fällen die Förderung der Anschaffung von Herdenschutzhunden) vorzugsweise für Schafe, Ziegen und Gatterwild.

Bis November des Jahres 2014 wird eine innerhalb des Landes Niedersachsen mit den Fachressorts (ML und MF), der Staatskanzlei sowie dem Landesrechnungshof abgestimmte Fassung der Richtlinie angestrebt. Da die Zahlungen von Billigkeitsleistungen und die Förderung von Präventionsmaßnahmen überwiegend landwirtschaftliche Unternehmen betreffen werden und entsprechende staatliche Beihilfen unter Anwendung der „De-minimis-Regelung für den Agrarbereich“ (Verordnung (EU) Nr. 1408/2013 vom 18.12.2013) auf 15.000 Euro für einen Zeitraum von drei Steuerjahren begrenzt sind, wird von der Landesregierung eine Notifizierung der Richtlinie durch die EU-Kommission beantragt werden, um im Einzelfall darüber hinausgehende Zahlungen leisten zu können. Die Dauer des Notifizierungsverfahrens ist durch die Landesregierung nicht beeinflussbar und wird ab Antragstellung mindestens vier Monate betragen. Eine Veröffentlichung der Richtlinie im Ministerialblatt kann erst nach erfolgter Notifizierung erfolgen. Bis zu deren Veröffentlichung beabsichtigt die Landesregierung deshalb, auf Basis eines landesweit abgestimmten Richtlinienentwurfs und unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben der VO (EU) Nr. 1408/2013 voraussichtlich ab Ende des Jahres 2014 mit der Förderung von Präventionsmaßnahmen zu beginnen. Rückwirkende Zahlungen für bereits durchgeführte Präventionsmaßnahmen sind nicht möglich.

Um unnötige Härten für betroffene Tierhalter zu vermeiden, werden bereits seit Auftreten des Wolfes in Niedersachsen vom Land freiwillige Billigkeitsleistungen bei Nutztierrissen an geschädigte Tierhalter gezahlt, wenn diese nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Wolf verursacht wurden.

Zu 3:

Die Sachlage unterliegt einer großen Dynamik und stellt sich derzeit wie folgt dar:

Entwicklung der Wolfspopulation

1998 siedelte sich das erste Wolfspaar in der Muskauer Heide in Sachsen an. Seitdem wurden in Deutschland 38 Territorien von Wölfen besetzt, davon 35 von je einem Wolfsrudel oder -paar.

Die Ausbreitung des Wolfs entwickelt sich, ausgehend von der sächsischen Population, erwartungsgemäß in Richtung Norden und Westen. Seit 2007 gibt es auch Wolfsnachweise in Niedersachsen. Die Ausbreitung ist nachstehender Kartendarstellung zu entnehmen, die Anzahl nachgewiesener Tiere der folgenden Tabelle.

Sichere Aussagen über die Gesamtzahl in Niedersachsen vorhandener Tiere sind nicht möglich, da die Dynamik der Ab- und Zuwanderung ein- und zweijähriger Jungwölfe kaum zu verfolgen ist (mit einer entsprechenden Dunkelziffer ist daher bei den Jungwölfen zu rechnen). Üblicherweise werden daher in der Forschung lediglich Angaben zu den territorialen Rudeln, die in der Regel immer aus einem Elternpaar und den oder einigen der vorjährigen Jungtiere bestehen, sowie zu den jeweiligen Welpen gemacht.

Wolfsnachweise in Niedersachsen

2012

2013

2014

Rudel

1

3

5

Alttiere

3

7

12

Welpen

3

17

20

Jährlinge

0

2

9

Einzelnachweise

0

6

9

Eine annähernd exakte Prognose der künftigen Populationsentwicklung ist nicht möglich, erwartet wird aber ein Anstieg der Population bis zur Besetzung aller für den Wolf geeigneten Gebiete. Entscheidende Voraussetzung für die Eignung eines potenziellen Territoriums ist ein ausreichender Bestand an Beutetieren. Das ist bei den teilweise sehr hohen Schalenwildbeständen in weiten Teilen Niedersachsens gegeben. Ein Wolfsrudel benötigt unter den hiesigen Verhältnissen ein Territorium von 250 bis 350 km². Langfristig ist mit einer landesweiten Verbreitung des Wolfes zu rechnen. Befürchtungen, dass es – möglicherweise regional – zu unerträglich hohen Wolfsdichten kommen könnte, bestehen nicht, da ein Wolfsrudel das von ihm beanspruchte Territorium gegen andere Wölfe verteidigt, Eindringlinge und ältere eigene Nachkommen (in der Regel spätestens im zweiten Lebensjahr) vertreibt. Diese wandern ab und versuchen, nicht besetzte Territorien zu finden.


Nutztierrisse

Die Entwicklung der Nutztierrisse seit dem Auftreten des Wolfes in Niedersachsen stellt sich wie folgt dar:

Gemeldete Nutztierschäden in Niedersachsen

bis 2012

2013

2014

Gesamt 2008 -2014

Schadensfälle

13

29

27[1]

691

davon Wolf

8

16

13

37

nachweislich nicht Wolf

5

13

11

29

Somit gingen etwas über die Hälfte der Fälle (53,6%) auf den Wolf zurück. In 42% der Fälle waren nachweislich Hunde oder andere Verursacher verantwortlich. Je Schadensfall waren teilweise mehrere Nutztiere betroffen.

Bei dem in Niedersachen sehr umfangreichen Angebot an wilden Beutetieren besteht für den Wolf keine Notwendigkeit, sich von Nutztieren zu ernähren. Er tut dies allerdings, wenn diese nicht oder nicht ausreichend durch Zäune oder andere Vorkehrungen (z. B. Herdenschutzhunde) geschützt sind.

Nach den Erfahrungen anderer Bundesländer, vor allem Sachsen, ist nach einer anfänglichen Zunahme der Übergriffe auf Nutztiere eine Beruhigung zu erwarten, da nach und nach die notwendigen Präventionsmaßnahmen ergriffen und immer stärker Wirkung zeigen werden.


[1] Drei Schadensfälle befinden sich noch in der Bearbeitung.

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.09.2014

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