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Antwort auf die mündliche Anfrage: Wie viel kostete die diesjährige Hitzewelle die deutschen Stromkunden?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Dr. Stefan Birkner und Christian Dürr (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Presseberichten zufolge hat die diesjährige Hitzewelle, die Deutschland in den Monaten Juli und August erreichte, zur Folge, dass Stromkunden Mehrkosten in möglicherweise zweistelliger Millionenhöhe zu tragen haben. Die Süddeutsche Zeitung spricht in ihrem Artikel „Hitzewelle kostet Stromkunden Millionen“ vom 16. August 2015 von einem Betrag von 25 Millionen Euro, die bisher an Mehrkosten entstanden sind. Bis Jahresende wird eine Zunahme dieses Betrages erwartet. Gründe für diese Mehrbelastung sind die hohe Photovoltaikproduktion sowie instabile Stromnetze in Polen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die aktuellen Veränderungsprozesse der deutschen Energieerzeugungsstrukturen führen durch den Ausbau der erneuerbaren Energien dazu, dass Stromerzeugungs- und Verbrauchsschwerpunkte auseinander rücken. Die deutschen Erzeugungsschwerpunkte z. B. der Windkraft liegen im Norden, die Verbrauchsschwerpunkte liegen dagegen insbesondere in Süd- und Westdeutschland.

Das Stromübertragungsnetz in Deutschland ist Bestandteil des europäischen Verbundnetzes und durch seine Lage in Zentraleuropa für den Stromaustausch zwischen den europäischen Partnern von großer Bedeutung. Der Netzausbau in Deutschland kann dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien derzeit nicht folgen. Reichen die Netzkapazitäten in Deutschland nicht für die anstehende Transportaufgabe aus, sucht sich der Strom entsprechend seiner physikalischen Eigenschaften alternative Wege, soweit diese nicht technisch unterbunden werden.

Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine Ableitung von den Erzeugungsschwerpunkten im Norden in die Lastschwerpunkte im Süden ggf. auch über das polnische Verbundnetz erfolgt. Da dieses Netz jedoch nicht für diese Transportaufgabe dimensioniert ist, kann es zeitweilig an die physikalische Grenze gelangen. Um dies zu verhindern, bauen die polnischen Netzbetreiber an den deutsch-polnischen Grenzkuppelstellen sogenannte Phasenschieber zur physikalischen Abschottung und zum Schutz ihres Verbundnetzes, was den Druck auf den deutschen Netzausbau erhöht.

Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 der Kleinen Anfrage zu „Zwangsabschaltungen von Windparks aufgrund fehlender Stromnetze (Teil 2)“ (LT-Drucksache 17/4025) ausgeführt, ist es wirtschaftlich nicht vertretbar, den Netzausbau für die maximal mögliche Einspeisung aus erneuerbaren Energien auszulegen. Bereits heute kommt es aufgrund von Netzengpässen zu Situationen, in denen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien abgeregelt werden müssen. Ein Ausbau für jede eingespeiste Kilowattstunde hätte zur Folge, dass die Netze die meiste Zeit überdimensioniert wären, da der Fall, dass alle angeschlossenen Anlagen in Volllast einspeisen, nur sehr selten eintritt. Durch eine Abregelung der temporär auftretenden Erzeugungsspitzen (Spitzenkappung) der Windkraft- und PV-Anlagen könnte der zusätzliche Netzausbaubedarf auf ein wirtschaftlich optimaleres Maß begrenzt werden.

Diese Thematik wurde bereits im Oktober 2013 in der in Niedersachsen auf Initiative der Landesregierung durchgeführten „Kleinen Energierunde“ in deren Handlungsempfehlungen aufgegriffen. Es wurde vorgeschlagen, dass zur Optimierung des Netzausbaus Möglichkeiten der Kappung von Erzeugungsspitzen bei der erneuerbaren Erzeugung und wirtschaftliche Steuerungsmöglichkeiten mit Bezug auf Anbindungserfordernisse für erneuerbare Erzeugungsanlagen an entfernt liegenden Standorten eingeführt werden sollen. Die Bundesregierung hat den Vorschlag aufgegriffen und erarbeitet derzeit die entsprechenden rechtlichen Regelungen.

Die von den Netzbetreibern vorgenommene Reduzierung oder Abregelung der bevorrechtigten Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien (EE) sowie Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen (KWK-Anlagen) ist notwendig, wenn die derzeit verfügbaren Netzkapazitäten im Verteil- oder Übertragungsnetz nicht ausreichen, um den insgesamt erzeugten Strom abzutransportieren.

§ 13 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) enthält Regelungen zur Systemstabilität und die Befugnis der Netzbetreiber, zur Beseitigung von Gefahren für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Netze die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Das in § 14 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2014) geregelte Einspeisemanagement beinhaltet die temporäre Reduzierung der Einspeiseleistung von Anlagen aus erneuerbaren Energien, Grubengas oder Kraft-Wärme-Kopplung. Netzbetreiber sind zur Reduzierung berechtigt, soweit anderenfalls die Netzkapazität im jeweiligen Netzbereich durch diesen Strom überlastet wäre. § 15 EEG 2014 sieht in der Rechtsfolge einen finanziellen Ausgleichsanspruch des Betreibers vor, wenn die Einspeisung aufgrund eines Netzengpasses gemäß § 14 EEG 2014 reduziert wird. Ist keine anderslautende Vereinbarung mit dem Netzbetreiber getroffen, erhält der Anlagenbetreiber 95 % der entgangenen Vergütungen zuzüglich entgangener Wärmeerlöse und abzüglich der ersparten Aufwendungen. Übersteigen die entgangenen Einnahmen in einem Jahr 1 % der Einnahmen dieses Jahres, sind die betroffenen Anlagenbetreiber ab diesem Zeitpunkt zu 100 % zu entschädigen.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) ist für die Datenerhebung zum Einspeisemanagement zuständig und wurde um Auskunft zur Datenlage gebeten (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung zu der Antwort auf die Kleine Anfrage zu „Zwangsabschaltungen von Windparks aufgrund fehlender Stromnetze (Teil 2)“ (LT-Drucksache 17/4025)). Die BNetzA hatte dazu die nachfolgende Auskunft erteilt:

„Die BNetzA erhebt die Daten zum Einspeisemanagement auf der Ebene der Verteilernetze über das Monitoring nach § 35 des EnWG. Dabei werden die Summenwerte der Ausfallarbeit und der Entschädigungszahlungen differenziert nach den einzelnen erneuerbaren Energieträgern abgefragt. Eine Abfrage zu der Anzahl der einzelnen Einspeisemanagementmaßnahmen wird nicht durchgeführt. Die Monitoringabfrage bezieht sich jeweils auf das vorangegangene Kalenderjahr. Derzeit läuft die Abfrage für das Jahr 2014, weshalb gegenwärtig nur Daten für das Jahr 2013 bei der BNetzA vorliegen.“

1. Wie viel wird die Hitzewelle die niedersächsischen Stromkunden in 2015 voraussichtlich kosten?

In den Sommermonaten kommt es in Phasen niedrigen Stromverbrauchs teilweise vor, dass EE-Anlagen wegen noch fehlender Transportkapazitäten abgeregelt werden müssen.

Der Landesregierung liegen derzeit keine belastbaren Zahlen zu den Auswirkungen der sommerlichen Hitzewelle auf die Strompreisentwicklung für das Jahr 2015 in Niedersachsen vor.

2. Wie viele Eingriffe in die Stromnetze mussten während der Hitzewelle konkret in Niedersachsen und in Deutschland getätigt werden?

Auch zu Netzeingriffen im Rahmen von Einspeisemanagementmaßnahmen liegen keine Zahlen für Niedersachsen vor. Nach Angabe der BNetzA liegen auch für bundesweite Einspeisemanagementmaßnahmen keine Zahlen für das Jahr 2015 vor.

Als weiteres Instrument haben die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) in Engpasssituationen die Möglichkeit in den konventionellen Kraftwerkspark mittels des sogenannten „Redispatch“ einzugreifen. Diese Maßnahme hat das Ziel, kurzfristig auftretende Engpässe aus Netzgesichtspunkten zu vermeiden oder zu beseitigen. Daher wird Redis-patch nur im netzbedingten Notfall, d. h. im Rahmen von unerwarteten bzw. außergewöhnlichen Systemzuständen angewandt. Redispatch wird somit nicht als ein marktwirtschaftlich effektives Engpassmanagement betrieben, sondern die ÜNB setzen es in erster Linie für die System- bzw. Netzstabilität ein.

Eine länderspezifische Erfassung zu den Redispatch-Netzeingriffen erfolgt nicht. Zudem können die erhobenen Daten der Übertragungsnetzbetreiber nicht einfach auf die Länder übertragen werden, da die Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber Ländergrenzen überschreiten.

3. Wie viel Strom wurde während der Hitzewelle in Deutschland produziert, und wie viel wurde davon ins Ausland zu welchem Gesamtpreis abgegeben?

Verlässliche, amtliche Daten zur Stromproduktion liegen erst mit mehrmonatiger Verzögerung vor. Dies gilt ebenso für den Stromaußenhandelssaldo. Selbst mit diesen Daten wäre jedoch eine exakte Berechnung des tatsächlichen „Gesamtpreises“, zu dem eine bestimmte Menge Strom ins Ausland verkauft wurde, nicht möglich. Der Handel mit Strom findet sowohl börslich als auch over-the-counter (OTC) statt. Der OTC-Handel wiederum kann über entsprechende Handelsplattformen oder auch vollständig bilateral erfolgen. Gerade im Falle eines rein bilateralen OTC-Handels werden dabei regelmäßig auch nicht-standardisierte Kontrakte gehandelt, die mit den an der Strombörse gehandelten standardisierten Produkten nicht direkt vergleichbar sind. Eine einfache Bewertung des exportierten Stroms mit dem häufig als Referenzpreis bezeichneten Preis für Stunden- und Blockprodukte am Day-Ahead-Markt der Strombörse führt somit in aller Regel zu Unschärfen und hätte somit keine valide Aussagekraft über den tatsächlichen „Gesamtpreis“. Letzteres gilt jedoch bereits dann, wenn angenommen würde, dass der exportierte Strom ausschließlich in Form von standardisierten Produkten verkauft wurde. Der Preis für Stunden- oder Blockkontrakte am Day-Ahead-Markt der Strombörse gibt nur die zeitpunktbezogene Wertigkeit des Stroms wieder. Über den tatsächlichen Verkaufspreis des exportierten Strom sagt dies jedoch wenig aus, da der Strom nicht zwingend zu exakt diesem Zeitpunkt verkauft wurde, sondern möglicherweise bereits im Terminhandel oder auch erst im intra-day-Markt zu den dortigen Preisen verkauft wurde.

Zusammenfassend wäre somit – selbst bei Vorliegen der entsprechenden Datenbasis über die Menge des exportierten Stroms – nur eine näherungsweise Bestimmung des zeitpunktbezogenen Werts des exportierten Stroms möglich. Dieser Wert sagt aber wiederum nichts darüber aus, zu welchem „Gesamtpreis“ der Strom tatsächlich verkauft wurde.

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.09.2015

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