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Mehr Geld und schnellere Durchführung – Hochwasserschutz im niedersächsischen Binnenland muss besser werden

-Es gilt das gesprochene Wort-

Anrede,

dieEinigkeit des Landtages und die schnelle Entscheidung im Haushaltsausschuss zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro über einen Nachtragshaushalt ist zu begrüßen. Im Angesicht von Naturgewalten sollte das politische Klein-Klein keinen Platz haben. Ich würde mich freuen, wenn wir die maßgeblichen Herausforderungen auch in Zukunft gemeinsam anpacken können.

Soforthilfe und zusätzliche Soforthilfe

Nach erster Erhebung sind ca. 7.000 Haushalte mit ca. 20.000 Personen vom Julihochwasser direkt betroffen. Die Soforthilfe der 1. Stufe soll vor allem schnell helfen. Die Betroffenen sollen notwendigste Dinge wie Hausrat oder Anforderungen an Unterkunft schnell wieder beschaffen können. Nicht jeder ist finanziell in der Lage, dies aus eigenen Mitteln zu bewerkstelligen. Privathaushalte erhalten auf Antrag bei einem Mindestschaden von 5.000 € und unabhängig von der Möglichkeit einer Elementarschadensversicherung pro erwachsene Person 500 €, pro Kind 250 €, maximal 2.500 € pro Haushalt, bei ganz besonderen sozialen Notlagen bis zu 20.000 €.

Die Anträge für die Soforthilfe sind bei den örtlich zuständigen Kommunen seit Montag dieser Woche verfügbar oder können im Internet abgerufen werden (14.08.2017). Die Bewilligung kann durch die örtlich zuständigen Kommunen nach der gestrigen Verabschiedung des Nachtragshaushalts 2017 (Plenarsitzung am 16./17.08.2017) erfolgen.

Die Soforthilfe der 2. Stufe soll zusätzliche Unterstützungshilfe ermöglichen.

Schäden in der Land- und Forstwirtschaft, bei Straßen und kommunaler Infrastruktur, bei örtlichen Betrieben sowie im Denkmalschutz werden zur Zeit erfasst. Hier ist noch einmal mit erheblichem Finanzierungsbedarf zu rechnen. Dieser ist aber auch abhängig vom Versicherungsschutz zu betrachten. Die Richtlinien der jeweils zuständigen Ressorts sind in Vorbereitung. Die Bedingungen sind aber noch nicht abschließend geklärt. Im Unterschied zu dem Elbehochwasser soll hier sehr sorgfältig gegenüber der Elementarschaden-versicherung ausbalanciert werden.

Es handelt sich der Natur nach um Hilfen und nicht um Schadensersatz, den nur eine Versicherung leisten kann. Elementarschadensversicherungen sind künftig unverzichtbar. Auch erweiterte Soforthilfen werden grundsätzlich nachrangig geleistet. Sie können künftig nur dann geleistet werden, wenn eine Versicherung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich zumutbar war. Soforthilfe soll künftig bundesweit einheitlich gehandhabt werden. Hier soll künftig ein Rahmen abgesteckt werden.

Jedes Hochwasser ist auch ein notwendiger Anlass zur Prüfung von Ursachen und Defiziten.

Deswegen ergreife ich sehr gerne die von Ihnen gebotene Gelegenheit durch den Antrag „Lehren aus dem Hochwasser“ und die heutige Mündliche Anfrage zur Vertiefung des Themas. Ihre Vorschläge im Antrag stellen viele der ohnehin bereits laufenden Aktivitäten bei Kommunen und Land noch einmal vor. Da gibt es viele Schnittmengen. Was dem Antrag aber fehlt, ist die zusammenfassende Analyse. Nur daraus können zukunftsgerechte Antworten entwickelt werden! Daher:

  • Gründlichkeit vor Schnelligkeit ist in der Analyse der Ursachen und der notwendigen Konsequenzen hier besonders wichtig, weil es um erhebliche finanzielle Anforderungen, aber auch um die vorausschauende Analyse eines offensichtlich dynamischen Entwicklungsprozesses hinsichtlich der Schwere von Wetterereignissen geht.

  • Wir müssen feststellen, dass die Kommunen im Harzvorland für Ereignisse in diesem Umfang nur zum Teil vorbereitet sind. „Die Kommunen sind aufgrund ihrer zentralen Zuständigkeit bei der Umsetzung dieser Maßnahmen einzubinden“, heißt es in ihrem Antrag. Das ist jedoch zu wenig. Hochwasserschutz ist Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Kommunen! Das Land unterstützt dabei.

  • Allerdings zeigen die letzten Hochwasser, das eine stärkere Zusammenarbeit der örtlichen Akteure unerlässlich ist, um wirkungsvolle gemeinsame überregionale Vorsorgepläne zu entwickeln

  • Die Rolle der Kommunen beim örtlichen Hochwasserschutz hat sich bewährt. Es sind klar Erfolge der vom Land bei der Hochwasservorsorge eingesetzten Instrumente sichtbar. Dazu gehört die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, die Erarbeitung von Hochwasserschutzplänen und die Unterstützung der Kommunen bei der Aufstellung von Hochwasserschutzkonzeptionen an kleinen Gewässern ebenso, wie die Bereitstellung von Informationen in Form von Gefahren- und Risikokarten und Stellungnahmen des Gewässerkundlichen Landesdienstes nach § 29 NWG.

  • Das Land unterstützt die Kommunen und Verbände zudem durch die freiwillige Förderung von Vorhaben des Hochwasserschutzes im Binnenland. Das Bau- und Finanzierungsprogramm Hochwasserschutz im Binnenland umfasst in diesem Jahr und im nächsten Jahr jeweils 23 Millionen Euro. Auch in Südniedersachsen wurden in jüngster Zeit erhebliche Mittel bereitgestellt. Allein im LK Hildesheim z.B. seit 2013 für acht Maßnahmen insgesamt 2,3 Mio € an Zuwendungen bei Gesamtkosten von 3,3 Mio. €.

  • Neben technischen Maßnahmen werden seit 2016 erstmals auch einzugsgebietsbezogene Konzeptionen entwickelt. Hier nenne ich z.B. das Projekt „Kommunale Info Börse Hochwasservorsorge (hib)“ bei der Kommunalen Umwelt-Aktion U.A.N.

  • Trotz der eingetretenen erheblichen Schäden müssen wir für die zukünftigen Planungen bedenken: Dieses Mal hatten wir bei dem Starkregenereignis wegen der zuvor lange anhaltendenden Trockenphase sogar noch Glück. DieHarztalsperren konnten durch die geringen Pegelstände im Vorfeld in ihren Gebieten noch nahezu den gesamten Harzabfluss (> 40 Mio. m³) aufnehmen. Trotzdem gab es Ausuferungen im Harzvorland. Es ist sehr genau zu prüfen, wo und wie in Zukunft noch mehr Rückhalt möglich und erforderlich ist. Jede Möglichkeit der Rückhaltung muss auf ihre Wirksamkeit und das jeweilige Kosten-Nutzen-Verhältnis geprüft werden.

  • Klimaforscher sagen: Starkregen und Sommerhochwässer werden gerade auch hier bei uns in Niedersachsen häufiger. Ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Hochwässern ist nach einer von der TU Wien geleiteten Studie erstmals klar belegt. Das Ergebnis dazu wurde aktuell publiziert im Fachjournal "Science": Der Klimawandel hat somit nachweislich einen deutlichen Einfluss auf Hochwasserereignisse und wir müssen dies in unseren Präventionsplanungen in unterschiedlicher Ausprägung einbeziehen; je nach den Ambitionen, die wir uns und anderen bei der Abmilderung des Klimawandels in Zukunft politisch zutrauen. Wir können dabei durch die große weltweite Einmütigkeit der Klimabeschlüsse von Paris zwar noch auf diese Abmilderung der gefährlichen Dynamik hoffen. Angesichts des gegenwärtigen Roll-Back in den USA wissen wir aber, dass dies noch lange nicht gesichert ist!

Ich will Ihnen daher einen ersten Ausblick auf die in Kürze vorliegende wissenschaftliche Bewertung der Wirkung des globalen Klimawandels auf die Entwicklung der Hochwasserabflüsse in Niedersachsen geben. Ausgewertet wird dabei die Hochwasserkennung von 143 niedersächsischen Pegeln. Anhand von zwei Klimawandelszenarien wird geprüft, welche Auswirkungen sich für die Hochwasservorsorge und die Anpassung an künftige klimatische Entwicklungen ergeben. Ich will dem Ergebnis, das in wenigen Wochen vorliegen wird, heute nicht vorgreifen. Aber ich kann ihnen schon sagen, dass wir bei der Berechnung von Hochwasserschutzeinrichtungen, bei Bauwerken, bei Überschwemmungsflächen, bei der Planung der Kanalisation bis hin zum Katastrophenschutz und in vielen anderen Bereichen einen erheblichen Aufschlag einplanen müssen. Die Größenordnung wird noch genauer zu bestimmen sein. Ich kann ihnen aber sagen, dass die Folgen mittel- bis langfristig auch finanziell sehr herausfordernd sein werden. Darauf müssen wir uns bei allen Planungen einstellen.

Deshalb gilt der Satz, dass Klimaschutz und Hochwasserschutz zwei Seiten einer Medaille sind, mehr denn je. Wirkungsvoller Klimaschutz ist mittel- und langfristiger Hochwasserschutz und natürlich auch Küstenschutz. Die Worst-Case-Szenarien des Klimawandels dürfen nicht eintreten. Es würde unsere Welt viel fundamentaler verändern als wir alle uns bislang in unseren schlimmsten Träumen vorstellen können.

Fakt ist aber auch: Es gibt bei aller Vorsorge auch zukünftig keinen hundertprozentigen Hochwasserschutz! Gemeinsame Überlegungen und Anstrengungen sind nötig - jede und jeder Einzelne und auch die Kommunen können und müssen noch weit mehr für die Vorsorge und die Abdeckung von Schäden durch Versicherungen tun.

Elementarschadensversicherungen werden nahezu flächendeckend angeboten, versichert gegen Hochwasser sind jedoch nur 16 Prozent der Niedersachsen (37 Prozent im Bundesschnitt). Auf Basis des MPK Beschlusses ist eine bundesweite Elementarschadensinitiative gefordert. Ich denke das sollten alle hier im Hause mittragen und das sollten wir gemeinsam unterstützen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017
zuletzt aktualisiert am:
23.03.2020

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