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Probleme beim Steinkauzschutz im Nordwesten Niedersachsens

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Sigrid Rakow, Marcus Bosse, Karsten Becker, Axel Brammer, Frank Henning und Uwe Santjer (SPD), geantwortet.

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Ein Betreuer von Steinkauzröhren berichtete, dass er vermutet, mehrere Steinkauzjungtiere in seinen Röhren seien an vergifteten Mäusen zugrunde gegangen, die möglicherweise Giftköder in entsprechenden Vorrichtungen bei Großtierställen zu sich genommen hätten.

Beim Steinkauz handelt es sich um eine hoch bedrohte und streng geschützte Art, für die erhebliche Schutzmaßnahmen vorgenommen werden. Falls die Nagerbekämpfung mit Giftködern Auflage zum Betrieb von Ställen ist, könnten natürlich auch andere Eulen, Greifvögel und weitere Prädatoren oder sogar Haustiere mit den vergifteten Mäusen in Verbindung kommen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, ob Steinkäuze und eventuell weitere Eulen oder Greifvögel infolge des Einsatzes von Nagergiften an Großtierställen im Landkreis Oldenburg bzw. in andern Landkreisen zu Schaden gekommen sind, weil diese die vergifteten, aber noch lebenden Mäuse als Beute zu sich genommen haben?

2. Sind der Landesregierung Berichte insbesondere über auf diese Weise gestorbene Jungvögel des besonders geschützten und hoch bedrohten Steinkauzes in dessen Brutröhren bekannt?

3. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, derartige Ereignisse durch Auflagen und/oder technische Veränderungen künftig auszuschließen?

Vorbemerkungen:

Bei Rodentiziden handelt es sich um chemische Mittel, die gegen Nagetiere eingesetzt werden. Die in den Fraßködern enthaltenen Wirkstoffe werden als Antikoagulantien bezeichnet, sie hemmen die Blutgerinnung der Tiere. Man unterscheidet Wirkstoffe der ersten und zweiten Generation, wobei letztere giftiger und schwerer abbaubar sind. Da die Wirkung der Antikoagulantien erst mehrere Stunden nach Aufnahme der Fraßköder einsetzt, können Nagetiere das Verenden von Artgenossen nicht mehr mit deren Futteraufnahme in Verbindung bringen.

Verschiedene Untersuchungen belegen, dass beim Einsatz von Rodentiziden nicht nur Nagetiere, sondern auch Nicht-Zielorganismen betroffen sein können: In Großbritannien haben Walker et al. (2008) in 33 von 172 untersuchten Waldkäuzen Rückstände von mindestens einem Antikoagulans festgestellt. In einer Studie aus Schottland wurden bei 70 % von 114 untersuchten Rotmilanen Rückstände von Antikoagulanzien nachgewiesen (Hughes et al. 2013). Zu ähnlich hohen Werten gelangten Christensen und Mitarbeiter (2012) bei Untersuchungen an Greifvögeln und Eulen in Dänemark. Es ist davon auszugehen, dass die nachgewiesenen Konzentrationen mitunter für den Tod der Tiere verantwortlich waren. Abgesehen von tödlichen Effekten sind auch langfristige Auswirkungen auf Gesundheit und Fortpflanzungserfolg auf die überlebenden Tiere nicht auszuschließen. In Übereinstimmung mit diesen Studien konnte aktuell in einer weiteren Untersuchung nachgewiesen werden, dass der Einsatz von Rodentiziden im Bereich von Stallanlagen auch Nagetiere (z.B. Waldmäuse) trifft, die in deren unmittelbarem Umfeld leben und Zugang zu den Köderstationen haben (Geduhn et al. 2014).

Aus den vorgenannten Ausführungen wird deutlich, dass ein Einsatz von Rodentiziden mit größter Sorgfalt und unter umfassender Beachtung von Risikominimierungsmaßnahmen durchgeführt werden muss.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Der Landkreis Oldenburg hat mitgeteilt, dass von einem Betreuer einer Steinkauz-Brutröhre tote Jungvögel gefunden worden sind. Der Betreuer hat den Verdacht geäußert, dass der Tod der Vögel auf Rodentizide zurückgeht, die nach seiner Kenntnis in nahegelegenen Ställen eingesetzt werden. Das Veterinäramt des Landkreises hat auf Nachfrage der Unteren Naturschutzbehörde den Einsatz dieser Mittel bestätigt. Ob die Jungvögel tatsächlich durch Rodentizide umgekommen sind, konnte nicht abschließend geklärt werden, da keine weitergehenden Untersuchungen an den toten Jungvögeln durchgeführt wurden.

Über den geschilderten Fall hinaus sind der Staatlichen Vogelschutzwarte weder im Landkreis Oldenburg noch in anderen niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten konkrete Fälle einer Sekundärvergiftung von Eulen (incl. Steinkauz) und Greifvögeln durch Rodentizide bekannt. Allerdings will sie solche Fälle nicht ausschließen und verweist darauf, dass betroffene Beutegreifer nicht am Ort der Nahrungsaufnahme und damit in der Nähe menschlicher Siedlungen und Stallungen verenden sondern erst Stunden später (unentdeckt) in der freien Landschaft der Giftwirkung erliegen.

Zu 2:

Siehe Antwort zu 1.

Zu 3:

Aufgrund der o. a. Fragestellung ist nicht auszuschließen, dass die Steinkautzjungtiere Mäuse aufgenommen haben, die an rodentiziden Bioziden verendet waren, die einen Wirkstoff der Gruppe der Antikoagulanzien enthalten haben. Diese Wirkstoffgruppe ist im Rahmen der Biozidproduktzulassung zunächst nach EU-Biozidrichtlinie 98/8/EG und nationalem Chemikaliengesetz und in der Folge seit dem 01.09.2013 gem. der EU Biozidverordnung Nr. 528/2012 in eine Positivliste für biozide Wirkstoffe aufgenommen worden und unter bestimmten Anwendungsauflagen in den zuzulassenden Biozidprodukten zur Schadnagerbekämpfung als verkehrsfähig erklärt worden.

Die Biozidproduktzulassung von rodentiziden antikoagulanten Bioziden erfolgt in jedem Mitgliedsstaat einzeln auf nationaler Ebene. In Deutschland wurden durch die Biozidprodukt-Zulassungsstelle (BAuA) für die Anwendung von Produkten mit antikoagulanten Wirkstoffen sowohl spezifische Risikominderungsmaßnahmen (RMM) als auch eine „Gute fachliche Anwendung“ formuliert. Ziel dieser Auflagen ist u. a. auch die Gefahr der Primär- und Sekundärvergiftung (um letztere könnte es sich ggf. bei dem oben beschriebenen Fall handeln) weitestgehend auszuschließen oder zumindest auf ein vertretbares Maß zu minimieren.

Die RMM stellen Sachkundeanforderungen an den Anwender von Produkten mit antikoagulanten Wirkstoffen der 2. Generation und geben u. a. auch folgende Verfahrensweisen bei einer Schadnagerkämpfung vor:

zur Vermeidung von Risiken für Mensch und Umwelt ist die Gebrauchsanleitung einzuhalten;

Fallen sind dem Einsatz von Biozid-Produkten vorzuziehen;

Köder mit Antikoagulanzien nicht als Permanentköder zur Vorbeugung gegen Nagerbefall oder zum Monitoring von Nageraktivitäten einsetzen;

zum Nagetiermonitoring sind giftfreie Köder, Überwachungsgeräte oder Fallen zu verwenden, z.B. Vorköderung mit Haferflocken;

die Nagerart, die Größe des betroffenen Gebietes und die Befallsursache ermitteln;

die Befallsstärke der Nager abschätzen;

vor der Bekämpfungsmaßnahme alle Nutzer der Räumlichkeiten und Gebäude sowie deren Umgebung, in denen Giftköder ausgelegt werden, über die Vergiftungsgefahr für Menschen und Haus- und Wildtiere und über die Maßnahmen, die im Falle einer Vergiftung, des Verschüttens des Köders oder des Findens von toten Nagern zu ergreifen sind, informieren;

das Biozid-Produkt möglichst nur in und unmittelbar um Gebäude verwenden;

es müssen Köderstationen zur Ausbringung von Ködern verwendet werden;

wenn die Beschaffenheit der Köder und Köderstationen dies zulässt, die Köder in den Köderstationen sichern, so dass ein Verschleppen durch Nagetiere nicht möglich ist;

Köderstationen gezielt an den zuvor erkundeten, von Nagern bevorzugten Aufenthaltsorten platzieren;

zu Beginn der Bekämpfung Köderstellen möglichst alle 2-3 Tage und anschließend mindestens wöchentlich aufsuchen und kontrollieren, ob der Köder angenommen wird und die Köderstationen unversehrt sind;

bei jeder Kontrolle gefressene Köder ersetzen und das betroffene Gebiet nach toten Nagern absuchen, diese entsorgen um damit Sekundärvergiftungen von Haus- und Wildtieren vorzubeugen;

tote Nager in einer Plastiktüte verpackt über den Hausmüll oder eine Tierkörperbeseitigungsanlage entsorgen;

besteht der Verdacht auf Resistenz gegen den eingesetzten Wirkstoff ist der Einsatz eines anderen, potenteren Wirkstoffs zu prüfen;

die Bekämpfungsmaßnahme beenden, wenn keine Köder mehr angenommen werden;

dann alle Köder und tote Nager vom Befallsort entfernen;

bei der Aufnahme von Köderresten Hautkontakt vermeiden.

Köder entsprechend den Herstellerangaben entsorgen.

Werden die vorstehenden Verfahrenshinweise umgesetzt, so sind sie geeignet, das Restrisiko bei der Ausbringung von antikoagulanten Biozidprodukten für die Umwelt zu minimieren.

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.12.2014

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