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Sind die Planungen zum Ausbau des Drehstromnetzes im Landkreis Cloppenburg und Osnabrück noch aktuell? (Teil 2)

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Björn Thümler, Jens Nacke, Martin Bäumer, Karl-Heinz Bley, Christian Calderone, Gerda Hövel, Burkhard Jasper, Clemens Lammerskitten, Clemens Große Macke, Anette Meyer zu Strohen und Dr. Stephan Siemer (CDU) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Die Gemeinde Cappeln hat am 21. Februar 2017 Sachverständige beauftragt, ein wissenschaftliches Gutachten betreffend Notwendigkeit und Alternativen des geplanten Netzausbaus im Landkreis Cappeln zu erstellen. Die Gemeinde befürchtet, dass durch die Leitungsplanungen die zukünftige Entwicklung der Gemeinde Cappeln behindert werde. In der Gemeinde befinden sich Suchräume für den Bau von Gleichstrom-Drehstrom-Konvertern und Umspannwerken. Laut dem oben genannten Gutachten droht eine Teilung der Gemeinde durch den Bau der geplanten 380-kV Drehstromtrasse.

1.Bewertet die Landesregierung die Kapazität des geplanten Drehstromnetzes als bald erschöpft, wenn ja, warum?

Das vorhandene Stromnetz wurde für die Stromversorgung der Endverbraucher aus zentralen Großkraftwerken geplant und errichtet. Mit der Energiewende und der damit verbundenen zunehmenden Umstellung auf erneuerbare Energien aus volatilen, oftmals dezentralen Erzeugungseinheiten kommt das derzeitige Stromnetz an seine Leistungsgrenzen und bedarf des Ausbaus und der Erweiterung. Zur Ermittlung des Ausbaubedarfs wurde 2012 bundesgesetzlich das Netzentwicklungsplanverfahren, begleitet durch umfangreiche Beteiligung der breiten Öffentlichkeit in Form von Konsultationen eingeführt.

Der Netzausbaubedarf in Deutschland, den der Netzentwicklungsplan für die nächsten 10 bzw. 20 Jahre ausweist, wird auf der Grundlage eines genehmigten Szenariorahmens von den Übertragungsnetzbetreibern ermittelt. Die Netzentwicklungsplanung ist ein dynamischer Prozess. Durch das eingeführte Netzentwicklungsplanverfahren wird sichergestellt, dass rechtliche und technische Modifizierungen jederzeit in die Planung einfließen können und damit langfristig ein optimiertes Gesamtsystem entsteht. Die Landesregierung unterstützt diesen Prozess und beteiligt sich an den regelmäßigen Konsultationen mit eigenen Stellungnahmen.

2.Wenn ja, was plant die Landesregierung, um dieser Erschöpfung entgegenzuwirken?

Niedersachsen hat angesichts der besonderen wirtschaftlichen– und klimapolitischen Bedeutung eines beschleunigten Netzausbaus für die erfolgreiche Ausgestaltung der Energiewende einen aktiven Steuerungsprozess für den Netzausbau implementiert. Hierzu werden die in Landeszuständigkeit laufenden Genehmigungsverfahren zum Stromnetzausbau in permanenter Abstimmung mit den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) besprochen und optimiert durchgeführt.

Auch eine bessere Verzahnung von Raumordnungs(ROV)- und Planfeststellungsverfahren für die Energieleitungsprojekte in Niedersachsen wird gemeinsam mit den ÜNB angestrebt. Das Ziel künftiger ROV muss sein, die für die Trassenfindung grundsätzlichen Trassierungsfragen bereits auf dieser Planungsebene zu klären, um das nachfolgende Planfeststellungsverfahren zu entlasten. Auf diesem Wege wird eine Beschleunigung im Genehmigungsprozess erwartet, ohne die formellen sowie informellen Beteiligungsmöglichkeiten einzuschränken. Damit sollen künftig frühere Inbetriebnahmezeitpunkte erreicht werden, als bisher von den ÜNB vorgesehen.

Die Niedersächsische Landesregierung setzt sich überdies intensiv dafür ein, dass vorhandene Potentiale zur Entlastung der Stromnetze umfassend genutzt werden. So zeigt ein vertiefter Blick auf das Stromversorgungssystem, dass die Stromnetze derzeit in erheblichem Maße durch konventionelle Kraftwerke ausgelastet werden, die auch in Phasen eines hohen Stromdargebots nahezu durchgehend am Netz verbleiben und weiter Strom produzieren. Grundsätzlich bedarf es derzeit noch einer gewissen Mindestleistung konventioneller Kraftwerke zur Bereitstellung von Systemdienstleistungen (beispielsweise Momentanreserve, Regelleistung, Blindleistung oder Kurzschlussleistung), so dass selbst an Tagen, an denen rechnerisch genügend Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung stünde, Kraftwerke aus Sicherheitsgründen betrieben werden müssen. Studien wie bspw. das vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz in Auftrag gegebene Gutachten „Technische Mindesterzeugung des Kraftwerkspark bis zum Jahr 2030 in Niedersachsen und Deutschland“ und der von der Bundesnetzagentur herausgegebene „Bericht über die Mindesterzeugung“ zeigen zugleich, dass die konventionelle Dauerstromproduktion das aus netztechnischer Sicht erforderliche Maß deutlich übertrifft.

Die konventionelle Dauerstromproduktion geht damit im Kern oftmals auf die Inflexibilität insbesondere älterer Kohle- und Atomkraftwerke sowie ökonomische Fehlanreize zurück und nicht auf Erfordernisse der Versorgungssicherheit. Entsprechend könnten die Stromnetze in Netzengpasssituationen durch eine Absenkung der konventionellen Dauerstromproduktion auf das für die Netzstabilität erforderliche Maß entlastet werden, ohne dass die Versorgungssicherheit beeinträchtigt wird. Auf diese Weise könnten auch die kostenintensiven Eingriffe zur Engpassvermeidung reduziert werden. Hierfür bedarf es u. a. wirksamer Anreize und Regelungen für einen flexiblen und netzdienlichen Betrieb konventioneller Kraftwerke. Um darüber hinaus die derzeit aus netztechnischer Sicht noch erforderliche konventionelle Mindestleistung zu reduzieren, sollten Systemdienstleistungen zukünftig verstärkt durch erneuerbare Energien und Flexibilitätsoptionen wie Speicher erbracht werden. Auf Initiative von Niedersachsen hat die 88. Umweltministerkonferenz am 05.05.2017 einstimmig den Beschluss „Entlastung der Stromnetze durch eine Absenkung der Mindestleistung (‚must-run‘) konventioneller Kraftwerke“ gefasst, mit dem der Handlungsbedarf und die Effizienzpotentiale im Bereich der konventionellen Dauerstromproduktion aufgezeigt werden.

Einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Stromnetze können überdies Flexibilitätsoptionen liefern. Dies betrifft insbesondere die so genannten zuschaltbaren Lasten, mit denen der zunehmenden Abregelung von EE-Anlagen im Rahmen von Einspeisemanagementmaßnahmen effektiv entgegengewirkt werden kann. Die niedersächsische Landesregierung setzt sich daher aktiv dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für Flexibilitätsoptionen energiewendeorientiert weiterentwickelt werden und schnellstmöglich zuschaltbare Lasten im erforderlichen Umfang zur Vermeidung von Netzengpässen eingesetzt werden.

Auf Initiative Niedersachsens hat die 88. Umweltministerkonferenz am 05.05.2017 ebenfalls einstimmig den Beschluss „Konsistenter Rechtsrahmen für Flexibilitätsoptionen im Stromversorgungssystem gefasst“, in dem die Potentiale und der Handlungsbedarf im Bereich der Flexibilitätsoptionen adressiert werden. In der Folge hat auch die Wirtschaftsministerkonferenz am 29./30.06.2017 einen vergleichbaren Beschluss gefasst.

3.Unterstützt die Landesregierung die Planungen zum Parallelbau von Gleichstromerdkabeln neben den sich jetzt in Planung befindlichen Wechselstromleitungen, und, wenn ja, wie sieht diese Unterstützung aus?

Die Landesregierung unterstützt und begleitet die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur bei den in Bundeszuständigkeit zu genehmigenden Gleichstromprojekten SuedLink (Bundesbedarfsplanprojekte (BBPl) Nr. 3 Brunsbüttel – Großgartach und Nr. 4 Wilster – Grafenrheinfeld) und A-Nord ( BBPl Nr.1 Emden Ost – Osterath) durch eigens eingerichtete ressortübergreifende Arbeitsgruppen unter der Federführung des für Raumordnung zuständigen Landesministeriums. Den ÜNB werden wertvolle Planungshinweise in gemeinsamen Sitzungen und ergänzend in Form von Stellungnahmen gegeben. Um den ambitionierten Zeitplan für eine erfolgreiche Durchführung der HGÜ-Planungen zu gewährleisten ist es zu begrüßen, dass die Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur den niedersächsischen Vorschlag aufgegriffen haben, den eingeschlagenen Weg des offenen und transparenten Dialogs über eine möglichst konfliktarme Trassenführung mit den betroffenen Kommunen und Kreisen fortzusetzen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017

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