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Sind Kompensationsleistungen für Gänsefraßschäden nach EU-Recht möglich?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke, Calderone, Dr. Deneke-Jöhrens, Deppmeyer, Ehlen, Oesterhelweg, Angermann, Bäumer, Bertholdes-Sandrock, Große Macke, Klopp, Winkelmann (CDU), geantwortet.

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Es ist ein Naturereignis, wenn sich Tausende Gänse auf den Wiesen und Äckern in Norddeutschland niederlassen. Den Landwirten, denen die Wiesen und Äcker gehören, bereitet dieses Schauspiel allerdings Probleme. Die Anzahl der in Norddeutschland rastenden und bleibenden Vögel, darunter die unter Naturschutz stehenden Grau- und Nonnengänse, hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. Die damit einhergehenden Fraßschäden auf landwirtschaftlichen Betrieben sind erheblich. Besonders betroffen sind Getreide-, Raps- und Grünlandflächen. Durch die Ernteausfälle haben die niedersächsischen Landwirte finanzielle Nachteile zu beklagen.

Verschiedene Verbände, wie beispielsweise das Landvolk, fordern „finanzielle Ausgleichszahlungen der Schäden ohne Wenn und Aber“ durch das Land Niedersachsen, um die Schäden durch die geschützten Vogelarten ausgleichen zu können.

In einem Gespräch mit einer Vielzahl von betroffenen Verbänden - u. a. NABU, Landesjägerschaft und Landvolk - zum Thema Gänsemonitoring und Gänsemanagement am 22. August 2014 im ML hatte Minister Meyer jedoch zuletzt vorgetragen, dass es Schwierigkeiten mit dem EU-Recht und Kompensationsmaßnahmen für Gänsefraßschäden gebe.

Da es in Schleswig-Holstein ebenfalls Probleme durch Gänsefraß und Verkotung gibt, hat der Landesvorsitzende der CDU Schleswig-Holstein, Reimer Böge, MdEP, zu dieser Problematik am 3. Juli 2014 eine Anfrage an die EU-Kommission gestellt. In der Antwort auf die Parlamentarische Anfrage E-005627/2014 „Kompensationszahlungen für Gänsefraßschäden“ erläutert Herr Cioloş im Namen der Kommission, dass das EU-Recht im Falle von Gänsefraßschäden nationalen Beihilfen für einen Schadensausgleich nicht im Wege steht. Die Gewährung einer solchen Beihilfe stünde im Ermessen der Landes- bzw. Bundesregierung.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, nachdem nach Aussage von Herrn Cioloş nun feststeht, dass es keine „Schwierigkeiten“ mit dem EU-Recht und Kompensationsmaßnahmen für Gänsefraßschäden gibt und die Beihilfen im Ermessen der Landes- bzw. Bundesregierung liegen?

2. Welche neuen Planungen bezüglich der geforderten Kompensationszahlungen hat die Landesregierung zu diesem Zeitpunkt?

3. Welche Höhe an Kompensationszahlungen hält die Landesregierung im Falle von Schäden durch Gänsefraß oder Verkotung für angemessen?

Vorbemerkungen:

Niedersachsen besitzt für zahlreiche hier überwinternde nordische Gänsearten eine internationale Verantwortung und damit einhergehend auch entsprechende Schutzverpflichtungen. Um letzteren gerecht zu werden, hat Niedersachsen insgesamt 16 EU-Vogelschutzgebiete mit einer Fläche von ca. 125.000 ha (hier: ohne EU-Vogelschutzgebiet Niedersächsisches Wattenmeer) gemeldet, in denen Gänsearten wertbestimmend sind. In den Hauptrastgebieten der nordischen Gänse bietet das Land Niedersachsen seit dem Jahr 2000 mit Unterstützung der Europäischen Union Agrarumweltmaßnahmen an. Diese verfolgen das naturschutzfachliche Ziel ruhige, störungsarme Äsungsflächen für die überwinternden Gänse zur Verfügung zu stellen. Landwirte, die sich an den Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel beteiligen, erhalten für eintretende Biomasseverluste und den entstehenden Mehraufwand in der Flächenbearbeitung einen finanziellen Ausgleich. Die Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel erfreuen sich großer Beliebtheit: Derzeit werden landesweit ca. 21.400 ha Acker- und Grünlandflächen mit Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gänse bewirtschaftet. Dafür wendet das Land Niedersachsen mit Unterstützung der EU im Jahr 2014 einen Finanzbetrag von 5,7 Mio. Euro auf.

In der vorliegenden Anfrage wird die (alternative) Möglichkeit angesprochen, Kompensationszahlungen für Gänsefraßschäden ausschließlich aus Landesmitteln zu finanzieren. Im Gegensatz zu Agrarumweltmaßnahmen, die über die ELER-Verordnung gefördert werden, handelt es sich bei Kompensationszahlungen für Gänsefraßschäden aus reinen Landesmitteln um staatliche Beihilfen für den Agrarsektor. Staatliche Beihilfen für den Ausgleich von durch geschützte Tierarten verursachten Schäden sind zwar grundsätzlich zulässig, sie unterliegen aber der einschlägigen Rahmenregelung der Europäischen Union. Dies bedeutet, dass zwingend eine Notifizierung der Beihilfen nach Artikel 108, Absatz 3 AEUV(Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) durch die EU-Kommission erfolgen muss. Da das Land Niedersachsen grundsätzlich nicht für Schäden aufkommt, die durch Wildtiere verursacht werden, wurde der hier skizzierte Weg in Bezug auf Gänsefraßschäden bisher nicht beschritten.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 und 2

Niedersachsen beabsichtigt den Weg der Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel auch in der neuen EU-Förderperiode fortzuführen. Sollte das bei der EU-Kommission eingereichte Programm in der vorliegenden Form notifiziert werden, so wird sich die mit Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel bewirtschaftete Fläche landesweit auf ca. 26.000 ha erhöhen. Die finanziellen Aufwendungen durch das Land und die EU steigen dadurch ab dem Jahr 2016 von aktuell 5,7 Mio. Euro auf ca. 7,4 Mio. Euro pro Jahr an.

Neue Planungen, die einen Einstieg oder einen Wechsel zu Entschädigungsregelungen vorsehen, bestehen derzeit nicht.

Zu 3:

Entschädigungsregelungen zur Kompensation von Gänsefraßschäden bestehen in Niedersachsen nicht. Für die mit Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel bewirtschafteten Acker- und Dauergrünlandflächen hat die Landwirtschaftskammer aktuell in Bezug auf Ausgleichszahlungen für Biomasseverluste und Mehraufwand nachstehend genannte Beträge ermittelt:

Die Bewirtschafter von Ackerflächen (hier: Getreideanbau) erhalten einen Ausgleichsbetrag von ca. 410,- Euro pro Hektar und Jahr. Dieser sinkt auf ca. 335 Euro ab, wenn in einem der fünf Verpflichtungsjahre keine Einschränkungen in Bezug auf Düngung und Pflanzenschutzmitteleinsatz eingegangen werden und der Anbau einer Sommerung möglich ist.

Im Grünlandbereich beträgt die Ausgleichzahlung für binnendeichs gelegene Flächen ca. 275,- Euro pro Hektar und Jahr. Wenn im März eine einmalige organische Düngung sowie ein Abschleppen der Flächen durchgeführt werden soll, sinkt dieser Betrag auf 235 Euro pro Hektar und Jahr. Diese Beträge können sich durch zahlreiche Abschlags- und Zuschlagsvarianten nach unten bzw. oben verändern.

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.12.2014

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