Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen klar Logo

Stefan Wenzel, Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz

Rede zur Aktuellen Stunde „Was muss noch passieren? Wann handelt die Landesregierung beim Goldenstedter Wolf“; Antrag der CDU-Fraktion (11.11.15)


Es gilt das gesprochene Wort –

Anrede,

lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: „Eine erfolgreiche Rückkehr des Wolfes, eine der seltensten Tierarten Mitteleuropas, wäre nicht nur ein großartiger Beitrag zum Erhalt der natürlichen biologischen Vielfalt in Deutschland; sie wäre auch ein Beweis dafür, dass Mensch und Natur auch in einer hoch zivilisierten Gesellschaft kein Gegensatz sind,“ so mein Vor-Vorgänger Hans-Heinrich Sander vor fünf Jahren in seinem Vorwort zum Niedersächsischen Wolfskonzept.

Anrede,

so schön dieses Bekenntnis zum Wolf klingt, so unzureichend war das System der Maßnahmen und Richtlinien, das uns CDU und FDP für den Umgang mit dem Wolf zurück gelassen haben. Wir haben das Wolfsmanagement neu aufstellen müssen. Das ist die Wahrheit. Während Sie, Herr Angermann, in Ihrer Phantasie auf Safari gehen, sorgen wir für die Sicherheit der Menschen und für den Ausgleich der Interessen zwischen Artenschutz und Nutztierhaltung.

Anrede,

Anlass unserer heutigen Erörterung ist eine Wölfin, der eine Reihe von Nutztierrissen zugeordnet werden kann. Das Gros dieser Risse betrifft ungeschützte Tiere und stellt unter Beweis, dass der Wolf gewissermaßen ein Opportunist ist, der einfache Angebote – und das sind ungeschützte Schafe auf der Weide im Vergleich mit Wildtieren – bevorzugt.

Allerdings wurden deutlich weniger Tiere gerissen als öffentlich behauptet.

Zudem muss immer die richtige Ursache geklärt werden. Ich erinnere nur an manchen Fehlalarm. In knapp vierzig Prozent aller Vorfälle haben wir es nicht mit Wölfen als Verursacher zu tun, sondern beispielsweise mit Hunden.

Anrede,

das Washingtoner Artenschutzabkommen, die Europäische Richtlinie und das Bundesnaturschutzgesetz stellen seltene wildlebende Tiere unter besonders strengen Schutz.

Um die finanziellen Verluste, die der Wolf verursacht, aufzufangen, wurden jedoch Möglichkeiten zum finanziellen Ausgleich geschaffen. Nutztierhalter sollen auch in Zukunft ihrem Beruf nachgehen können. Seit unsere Richtlinie in Kraft getreten ist werden nicht nur finanzielle Verluste ausgeglichen.

Für diese Billigkeitsleistungen wurden mit der „Richtlinie Wolf“ klare Regeln geschaffen und auch Fördermöglichkeiten für individuelle Präventionsmaßnahmen eingeführt.

Beides wird seitdem regelmäßig in Anspruch genommen – von 175 Anträgen kommen insgesamt 19 aus dem Raum Diepholz/Vechta. Das sind bei der dortigen Nutztierhalterdichte allerdings noch ziemlich wenige.

Die Tiere von Herrn Barth waren besser geschützt. Trotzdem wurden die Zäune wahrscheinlich zweimal von einem Tier überwunden. Meine Staatssekretärin Almut Kottwitz war auch zweimal vor Ort und hat mit Herrn Barth besprochen, wie der Grundschutz noch verbessert werden kann. Derzeit wird geklärt, wie sichergestellt werden kann, dass der Halter auch über Herdenschutzhunde bzw. eine entsprechende Förderung und die notwendige Ausbildung verfügt. Außerdem hatte der Halter Esel angeschafft. Wo die Esel auf der Weide, standen, ist der Wolf nicht eingedrungen.

Anrede,

Lassen Sie mich nun auf das Anliegen der CDU eingehen: Sie fordern den sofortigen Abschuss. Überschrift BILD vom 06.11. „CDU will Problem-Wolf erschießen lassen“

Da stellt sich – bei allem Verständnis für geschädigte Nutztierhalter und solche, die Schäden befürchten – zunächst die Frage, ob dieser Forderung unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen überhaupt nachgekommen werden kann.

Nach derzeitigem Stand ist ihre Forderung der Aufruf zum Rechtsbruch.

Das Artenschutzrecht sieht für besonders geschützte Tiere nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Entnahme einzelner, individuell bekannter Tiere aus der Natur vor. Beim Wolf heißt das, er muss entweder eine konkrete Gefahr für Menschen darstellen, oder er muss sich darauf spezialisiert haben, regelmäßig Nutztiere zu reißen, die hinreichend gegen Wolfsangriffe geschützt sind. Dabei müssen aber auch alle verfügbaren Mittel – beispielsweise auch Herdenschutzhunde – zum Schutz genutzt werden und die Arbeiten müssen sachgerecht ausgeführt sein.

Anrede,

Eine Entnahme ist im Artenschutzrecht das letzte Mittel zur Problemlösung. Sie ist nur zulässig, wenn es dazu keine Alternativen gibt.

Vorsorglich habe ich aber angeordnet, dass dieses Tier besendert werden soll.

Sollte das Tier dann wiederholt einen als hinreichend erachteten Schutz überwinden, kann man seiner mit Hilfe des Senders relativ schnell habhaft werden.

Nach Artenschutzrecht ist es zwingend erforderlich, nur das Tier zu entnehmen, das auch gemeint ist. Und das geht nicht, wenn man irgendwo in der Zielgegend einen Wolf sieht oder meint zu sehen, sondern nur, wenn dieser Wolf – dank genetischer Analysen – genau bestimmt ist. Würde man das falsche Tier treffen, hätte das erhebliche strafrechtliche Konsequenzen für die betreffende Person.

Anrede,

übrigens ist vor allem Sachsen hier dank der viel längeren Wolfserfahrung ein wichtiger Vorreiter. Schon vor rund acht Jahren gab es dort einen ähnlichen Vorgang. Das Tier dort ließ das Springen seit in den Zäunen grimmige Hunde auf ihn warteten.

Auch in Sachsen haben in letzter Zeit Mitglieder des sogenannten Rosentaler Rudels mehrere Male Elektrozäune übersprungen und dann Schafe gerissen. Das hörte auf, als in richtiger Höhe über dem Zaun Flatterbänder angebracht worden sind.

Vor Ort wird zwar – wie hier – die Entnahme gefordert, die sächsische Regierung aber fordert schlicht und einfach eine Verstärkung der Schutzmaßnahmen.

Anrede,

insgesamt haben wir es mit einer rechtlich komplizierten Lage zu tun Man muss sich angesichts ihrer hiesigen Forderungen ja auch fragen, warum ihre Partei fortwährend auf Landesebene Alarm ruft und nicht auf Bundesebene aktiv geworden ist, um bei der EU eine Änderung der Richtlinie zu beantragen.

Vielleicht hat ja die Kommission Herrn McAllister und Herrn Dammann-Tamke die Aussichtslosigkeit ihrer Wünsche so deutlich klar dargestellt, dass sie das Unterfangen aufgegeben haben.

Nutztierrisse durch Prädatoren sind kein neues Phänomen. Das Thema ist so alt wie der Beruf des Bauern. Jahrtausende lang haben Mensch und Tier in Koexistenz gelebt – sogar ohne Richtlinie Wolf.

Heute haben wir ein wachsendes Bewusstsein vom Wert des Artenschutzes – gerade auch für die Rolle der großen Prädatoren bei der Balance unserer Ökosysteme. Das gebietet ein sorgfältiges Abwägen, die Achtung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die sorgfältige Ausführung präventiver Schutzmaßnahmen und die Kooperation aller Beteiligten.

Lebensrisiken und Gefährdungen können wir nie ganz ausschließen. Denken Sie etwa an die Zahl der Personen, die versehentlich bei der Jagd zu Schaden kommen. Oder denken wir an die Tausenden von Wildunfällen oder die Vorfälle mit Hunden.

Auch im CDU regierten Sachsen – dreimal kleiner als Niedersachsen - sind in diesem Jahr (Stand 21.10.2015) schon rund 130 getötete Nutztiere gemeldet wurden. Und trotzdem heißt es im Managementplan Wolf der von ihrem Parteifreund Tillich geführten dortigen Landesregierung "der Freistaat Sachsen begrüßt, dass mit der Rückkehr der Tierart Wolf nach Sachsen in Deutschland die europäischen Bemühungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt Früchte tragen"

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.11.2015

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln