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Spaltet der Dieselgipfel die Landesregierung?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Jörg Bode, GabrielaKönig, Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Ministerpräsident Weil hat am Dieselgipfel in Berlin teilgenommen und die Ergebnisse als ersten Fortschritt bezeichnet. Bis Ende 2018 sollen über 5 Millionen Fahrzeuge mit einem Softwareupdate nachgerüstet werden und die NOx-Belastungen um 25 bis 30 % gesenkt werden. „Das ist ein wichtiger und notwendiger Beitrag der deutschen Unternehmen“ erklärte Ministerpräsident Weil hierzu (dpa, 2. August 2017, 17:50 Uhr). Im Nachgang des Dieselgipfels hat sich auch sein Stellvertreter, Umweltminister Wenzel, mit einer Presseinformation zu den Ergebnissen geäußert. Wörtlich heißt es: „Niedersachsens Umweltminister Wenzel bezeichnete das Ergebnis des heutigen Dieselgipfels in Berlin als enttäuschend für die von hohen NOx-Emissionen betroffenen Kommunen und Bürgerinnen und Bürger. Ohne Blaue Plakette und Hardwarenachrüstung könnten die gesetzlichen Grenzwerte nicht flächendeckend eingehalten werden“.

In einem Interview des Deutschlandfunks äußerte sich Bundesumweltministerin Hendricks zu den verabredeten Softwareupdates für 5,3 Millionen Kraftfahrzeugen wie folgt: „Es wird etwas bringen. Es wird auf jeden Fall die Luftqualität verbessert werden. Das wird auf jeden Fall so sein. … Zu behaupten, es bringt gar nichts, ist einfach falsch“. Auf die nachfolgende Frage des Redakteurs: „Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel sagt aber genau das, nämlich dass ohne Hardwarenachrüstung eigentlich gar nichts gewonnen ist“ führt Bundesumweltministerin Hendricks aus: „Wenn er das behauptet, dann behauptet er das sozusagen auf falscher Datenbasis“ (http://www.deutschlandfunk.de/nach-dem-diesel-gipfel-nicht-zu-akzeptieren-dass-es-nicht.694.de.html?dram:article_id=392598).

Vorbemerkung der Landesregierung

Es ist weder sachgerecht noch erfolgreich, auf der Basis zusammengesuchter Teilinformationen eine Spaltung der Landesregierung zu unterstellen. Herr Ministerpräsident Weil hat hinsichtlich der Nachrüstung von Softwareupdates immer von einem ersten Schritt gesprochen. Er hat ferner darauf verwiesen, dass Hardware-Nachrüstungen nicht ausgeschlossen sind und in den beschlossenen zukünftigen Expertenrunden zum Gesprächsgegenstand gehören. Herr Umweltminister Wenzel hat an diesen Punkt angeknüpft und zusätzliche Maßnahmen in den Blick genommen. Bei dieser Ausgangsbasis ist auch nicht erkennbar, dass es einen Widerspruch zu den Äußerungen von Frau Bundesumweltministerin Hendricks geben sollte. Dass die auf dem Diesel-Gipfel getroffenen Vereinbarungen keinerlei positive Wirkung hätten, hat Umweltminister Stefan Wenzel nicht behauptet.

Bund, Länder und Automobilindustrie haben sich während des Dieselgipfels auf folgende Maßnahmen verständigt:

„Die deutsche Automobilindustrie wird bei ca. 5,3 Millionen der in Deutschland aktuell zugelassenen Diesel-PKW in den Schadstoffklassen Euro 5 und 6 die NOx-Emissionen dieser Fahrzeuge um durchschnittlich 25 bis 30 Prozent – auf Basis der Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und der erreichbaren Fahrzeuge – bis zum Jahresende 2018 reduzieren. Die Kosten für diese Nachrüstung werden von den Fahrzeugherstellern getragen. Diese Maßnahmen dürfen zu keinem Anstieg der CO2-Emissionen führen.

Um den Wechsel von Dieselfahrzeugen älterer Standards als Euro 5 auf Fahrzeuge mit modernster Abgasnachbehandlung oder E-Fahrzeuge zu beschleunigen, haben die drei deutschen Automobilhersteller verbindlich zugesagt, eigenfinanzierte Anreize (z. B. „Umstiegsprämien“) kurzfristig zu schaffen.

Die internationalen Wettbewerber der deutschen Automobilunternehmen sind dringend aufgefordert, mit vergleichbaren Maßnahmen ihren Beitrag zur Schadstoffminderung und damit für den Gesundheits- und Klimaschutz zu leisten.

Bund und Automobilindustrie werden gemeinsam einen "Fonds: Nachhaltige Mobilität für die Stadt" auflegen. Die drei deutschen Automobilhersteller werden sich entsprechend ihrer Marktanteile am Industrieanteil des Fonds beteiligen.“

Die Belastung der Luft wird in Niedersachsen mit dem durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim betriebenen Lufthygienischen Überwachungssystem Niedersachsen (LÜN) überprüft. Dabei dient die Beurteilung der Belastung durch die in der Vorbemerkung der Abgeordneten angesprochenen Stickstoffoxide (NOx) dem Schutz der Vegetation und wird an sogenannten „emissionsfernen" Probenahmestellen vorgenommen. Nach Definition der Neunundreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen) liegen emissionsferne Probenahmestellen mehr als 20 km entfernt von Ballungsräumen und mehr als 5 km von Bebauung, Industrieanlagen und Straßen. Gemäß dieser Definition wurden die Probenahmestellen Ostfriesische Inseln und Wurmberg im niedersächsischen Messnetz als emissionsfern eingestuft. Mit NOx-Jahresmittelwerten im Jahr 2016 von 6 μg/m³ (Wurmberg) und 11 μg/m³ (Ostfriesische Inseln) wurde der Jahresmittel-Grenzwert von 30 μg/m³ an diesen emissionsfernen Probenahmestellen sicher eingehalten.

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt der einzuhaltende Immissionsgrenzwert für die mittlere jährliche Belastung durch Stickstoffdioxid (NO2) 40 μg/m³. Dieser wurde nach wie vor auch im Jahr 2016 in mehreren niedersächsischen Städten teilweise erheblich, mit Konzentrationen von über 50 μg/m³, überschritten. Die Städte Hameln, Hannover, Hildesheim, Oldenburg und Osnabrück, sind daher verpflichtet, ihre bestehenden Luftreinhaltepläne nachzubessern, um den Zeitraum einer Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten.

1.Wie beurteilt die Landesregierung die Ergebnisse des Dieselgipfels für Niedersachsen in Bezug auf die Entwicklung der NOx-Belastungen und mögliche künftige Fahrverbote?

Hauptverursacher der NO2-Belastung an den Orten mit Grenzwertüberschreitungen sind die NOx-Emissionen von Kraftfahrzeugen, wobei innerhalb dieser Emittentengruppe ein großer Teil der Emissionen Diesel-Pkw zuzurechnen sind. Die vereinbarten Maßnahmen des „Dieselgipfels“ zielen darauf ab, die NOx-Emissionen von Diesel-Pkw zu verringern.

Es ist davon auszugehen, dass die vereinbarten Maßnahmen einen gewissen mindernden Effekt haben werden. Wie sich die NO2-Belastung niedersachsenweit konkret entwickeln wird, kann derzeitig seriös nicht abgeschätzt werden.

Eine Änderung der Rechtslage ist durch die Vereinbarungen des „Dieselgipfels“ nicht eingetreten. Die betroffenen niedersächsischen Kommunen sind weiterhin in der Pflicht, Luftreinhaltepläne mit Maßnahmen aufzustellen, die geeignet sind, den Zeitraum der Überschreitung des NO2-Grenzwertes so kurz wie möglich zu halten. Gesetzlich gefordert sind Maßnahmen, die von Stellen staatlicher Verwaltung umgesetzt werden. Die für die Aufstellung des Luftreinhalteplans zuständige Behörde muss zumindest alle geeigneten, das heißt wirksamen und rechtlichen zulässigen Maßnahmen, die behördlicherseits durch Anordnung oder sonstige Entscheidung umgesetzt werden können, im Luftreinhalteplan festlegen. Die Maßnahmen des „Dieselgipfels“ richten sich hingegen an Automobilhersteller und Eigentümer/Besitzer von Diesel-Kfz. Davon abgesehen gehen die Maßnahmen mit keiner unmittelbaren rechtlichen Verpflichtung einher. Für die Halter von Kraftfahrzeugen besteht insbesondere keine Verpflichtung, das angebotene freiwillige Softwareupdate durchzuführen und auch die angebotene Umstiegsprämie stellt lediglich einen Anreiz dar, emissionsärmere Pkw zu erwerben. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass durch die vereinbarten Maßnahmen sämtliche Diesel-Pkw erfasst werden.

Sofern sich die auf den Dieselgipfel vereinbarten Maßnahmen als nicht ausreichend erweisen um die Grenzwerte für NO2 einzuhalten, wenden weitere Maßnahmen geboten sein, um Fahrverbote zu vermeiden.

2.Was bringt ein Softwareupdate bei den betroffenen Fahrzeugen in Bezug auf die Verbesserung der Luftqualität?

Da die Zielvorstellung der getroffenen Vereinbarung davon ausgeht, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Freigabe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bis zum Jahresende 2018 umgerüstet werden können, sind die Entscheidungen des KBA abzuwarten. Erst nachdem die Hersteller ihre Bilanzierung der Umsetzung der Softwareupdates nach dem Jahresende 2018 vorgelegt haben, sind emissionsseitig belastbare Aussagen möglich. Immissionsseitige fundierte Bewertungen könnten dann frühestens im Februar/März 2019 durchgeführt werden.

Die angestrebte NOx-Minderung von durchschnittlich 25 bis 30 Prozent wird nicht alleine dazu führen, dass die Emissionsgrenzwerte der zukünftig geltenden NOx-Abgaswerte erreicht werden. Dies gilt insbesondere für die Euro-5-Diesel-Pkw, so wird ein mittels Softwareupdate nachgerüsteter Euro-5-Diesel-Pkw dann lediglich Real-Emissionen in gleicher Größenordnung wie ein Euro-4-Diesel-Pkw verursachen. Die NOx-Emissionen liegen dann immer noch rund 20-fach höher als beim Euro-5-Pkw mit Ottomotor.

3.Trifft die Aussage von Bundesumweltministerin Hendricks zu, dass die Behauptungen von Umweltminister Wenzel auf einer falschen Datenbasis basieren?

Die Aussage trifft nicht zu. Die Antwort von Bundesumweltministerin Hendricks zielt auf die Frage, „dass ohne Hardware-Nachrüstung eigentlich gar nichts gewonnen ist“. Dies hat Umweltminister Stefan Wenzel tatsächlich so auch gar nicht behauptet (siehe Vorbemerkung). Die Angaben von Herrn Umweltminister Wenzel basieren auf Abschätzungen, die auf der Datenbasis des aktuellen Handbuchs der Emissionsfaktoren (HBEFA), Version 3.3 durchgeführt wurden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017

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