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Biologie von Wölfen

Systematik und Erscheinungsbild

Der Wolf (Canis lupus) ist die größte Art in der Familie der Hunde (Canidae). Das Gewicht und die Körpergröße schwanken je nach Verbreitungsgebiet zwischen 15 kg (Wölfe auf der arabischen Halbinsel) und 80 kg (Wölfe in nordischen Ländern). Die Wölfe Mitteleuropas sind dem Eurasischen Wolf (Canis lupus lupus) zuzuordnen, der in Europa und Asien am weitesten verbreiteten Unterart. Sie weisen ein durchschnittliches Körpergewicht von 40 kg auf und eine Schulterhöhe von ca. 75 cm. Die Fähen (weibliche Wölfe) sind in der Regel etwa 10-15 % kleiner und leichter als die Rüden (männliche Wölfe). Vom Erscheinungsbild ähneln Wölfe dem Deutschen Schäferhund. Sie sind jedoch hochbeiniger und besitzen eine gerade Rückenlinie. Wölfe weisen relativ kleine und dreieckige Ohren auf, die auf der Innenseite dicht behaart sind. Die Rute (der Schwanz) ist gerade, buschig, an der Spitze oft schwarz und wird meist herabhängend getragen. Europäische Wölfe haben eine graue Grundfärbung, die von gelblichgrau über graubraun bis dunkelgrau variieren kann. Die Unterseite der Schnauze und die Kehle sind deutlich heller gefärbt, während das Rückenfell an den Schulterblättern häufig einen hellen Sattelfleck mit dunkler Sattellinie aufweist.


Grafik, die die Erscheinungsmerkmale eines Wolfs beschreibt   Bildrechte: MU

Lebensweise

Wölfe leben in Familienverbänden, den sogenannten Rudeln, die sich durchschnittlich aus etwa drei bis 11 Individuen zusammensetzen. Ein Wolfsrudel besteht aus den führenden Elterntieren (der sogenannten Leitfähe und dem Leitrüden) und ihren Nachkommen verschiedenen Alters. Das Elternpaar bleibt oft ein Leben lang zusammen. In Niedersachsen kann von einer durchschnittlichen Rudelgröße von sechs bis sieben Tieren ausgegangen werden. Die Rudelgröße ändert sich im Jahresverlauf mit Geburt, Tod und der Abwanderung der älteren Jungwölfe.

Jedes Wolfsrudel beansprucht ein eigenes Territorium, das durch Duftmarken (Urin und Kot) der Elterntiere markiert und gegen andere Wölfe verteidigt wird. Wesentliche Faktoren bei der Wahl des Territoriums sind ein gutes Nahrungsangebot und die strukturelle Ausstattung, wie störungsarme Bereiche für die Welpenaufzucht. Die Größe des Territoriums variiert innerhalb und zwischen (Sub-)Populationen und wird maßgeblich von der verfügbaren Nahrung bestimmt. Je weniger Beutetiere auf einer Fläche leben, desto größer sind die Wolfsterritorien. Während Wölfe in Skandinavien eine Territoriumsgröße zwischen 400 und 2.200 km² aufweisen, belaufen sich die der Wölfe in Polen auf 150 – 350 km².

Wolfsrudel Ostenholzer Moor im Oktober 2017

Entwicklungsbiologie

In Mitteleuropa findet die Verpaarung, die sogenannte Ranzzeit, in der Regel Ende Februar/Anfang März statt. Nach einer Tragzeit von rund 63 Tagen werden zwischen Ende April und Anfang Mai meist vier bis sechs Welpen in einer Wurfhöhle geboren, von denen nur ein Teil das erste Jahr überlebt. Im Gegensatz zu Haushündinnen wird die Wolfsfähe nur einmal im Jahr läufig. In den kleinen Familienrudeln in Mitteleuropa kommt es nur selten vor, dass eine zweite geschlechtsreife jüngere Fähe im Rudel verbleibt und einen zweiten Wurf Welpen zur Welt bringen kann.

Wolfswelpen werden nach der Geburt von der Mutterfähe gesäugt, welche die Wurfhöhle in den ersten drei Tagen nicht verlässt. Die kleinen Wölfe kommen blind und taub auf die Welt und wiegen ca. 300 - 500 Gramm. In den ersten zwei Wochen schlafen und trinken die Kleinen überwiegend, sehen und hören allerdings noch immer nichts. Nach zwei Wochen beginnt die sogenannte Prägungsphase der Wolfswelpen. Die Augen öffnen sich zwar, allerdings könne die Welpen erst nach weiteren zwei Wochen richtig scharf sehen. Auch die Ohren öffnen sich dann, richten sich auf und die ersten Zähne brechen durch.

Zwischen der 3. und 4. Woche verlassen die kleinen Wölfe das erste Mal die Wurfhöhle, sodass sie das Rudel kennenlernen. In dieser Zeit bekommen sie schon etwas vorverdautes Fleisch, das von den älteren Wölfen hervorgewürgt wird. Mit der 4. Woche beginnt dann die Sozialisierungsphase. Von nun an sind alle Rudelmitglieder an der Welpenaufzucht beteiligt. Die Welpen erlernen die Körpersprache, das Spiel- und Jagdverhalten entwickelt sich, und erste Beiß-Kampf- und Bewegungsspiele finden statt. Wenn das Rudel zur Jagd geht, bleibt mindestens ein Rudelmitglied bei den Welpen in der Nähe der Wolfshöhle. Bereits in der 6. Woche haben die kleinen Wölfe den größten Teil ihres späteren Verhaltensrepertoires erlernt, das im Spiel mit den Geschwistern und den Eltern geübt werden muss. Sie nehmen immer mehr feste Nahrung zu sich und werden nach spätestens acht Wochen von der Muttermilch entwöhnt. Die zunächst auffällig blauen Augen färben sich langsam um; i. d. R. werden sie bernsteinfarben. Im Alter von 8 – 10 Wochen werden die Welpen vom Rudel zu den sogenannten „Rendezvous-Plätzen“ geführt. Hierbei handelt es sich um Plätze, die von den Altwölfen als Spielplatz für die Kleinen ausgesucht wurden. Sie bieten genügend Fläche für Spiele und Jagdversuche, aber auch ausreichend Rückzugsgebiet im Gefahrenfall. Mit drei Monaten begleiten die Welpen das Rudel schon gelegentlich beim Umherstreifen und erkunden so die nähere Umgebung.


Wolfsjährlinge mit Welpen   Bildrechte: Sebastian Koerner
Wolfsjährlinge mit Welpen am Rendezvousplatz

Zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat begleiten die Jungwölfe - auch juvenile Wölfe genannt - das Rudel auf dessen Wanderung und auf der Jagd. Nach acht Monaten sind die „Kleinen“ beinahe so groß wie die Jährlinge bzw. die Altwölfe. Als Jährlinge - oder auch subadulte Wölfe genannt - werden die Wölfe bezeichnet, die im zweiten Wolfsmonitoringjahr seit der Geburt beobachtet werden, also 1 Jahr alt geworden sind. Sie sind nun von der Größe her so groß wie die Altwölfe – oder auch adulte Wölfe genannt, d. h. das Skelett ist mit 12 - 14 Monaten vollständig ausgewachsen. Durch weitere Muskel- und Gewichtszunahme erreichen sie ihre vollständige Masse allerdings erst mit etwa zwei Jahren.

Mit einem Alter von zehn bis 22 Monaten können die subadulten Wölfe geschlechtsreif werden. Das ist individuell unterschiedlich. Die meisten jungen Wölfe wandern ab, wenn sie geschlechtsreif werden. Sie suchen dann ein eigenes Territorium und einen Partner. Manche versuchen sich in der Nachbarschaft anzusiedeln, wenn diese Gebiete noch nicht besetzt sind, andere wandern viele hundert Kilometer weit vom Elternrudel weg. Dabei können sie bis zu 70 km in einer Nacht zurücklegen und so große Distanzen in kurzer Zeit überwinden. Durch die regelmäßige Abwanderung bleibt die Anzahl der Wölfe, wenn alle Habitate besetzt sind, innerhalb eines bestimmten Gebietes relativ konstant.

Nahrungsökologie

Ein erwachsener Wolf benötigt täglich etwa zwei bis drei Kilogramm Fleisch. Er kann mehr als 10 kg Nahrung auf einmal aufnehmen, aber auch mehrere Tage hungern. Wölfe sind in Bezug auf ihre Nahrung sehr anpassungsfähig und bevorzugen Beutetiere, die leicht zu fangen sind. In Europa erbeuten Wölfe hauptsächlich wildlebende Huftiere.

Die Analyse von 3501 Wolfslosungen aus der Lausitz konnte dies auch für Deutschland zeigen. Die Studie ergab, dass Rehe mit über 50 % den Hauptnahrungsbestandteil der sächsischen Wölfe bilden, gefolgt von Rothirschen und Wildschweinen mit je 20 %. Hasenartige (Wildkaninchen und Feldhase) machen einen Anteil von 3,4 % aus. Einen sehr geringen Biomasseanteil wurde hingegen für die vom Menschen angesiedelten Arten Mufflon (0,7 %) und Damhirsch (1,7 %) festgestellt. Haustiere (überwiegend Schafe) und Kleinsäuger (vor allem Wühlmäuse) kommen zwar regelmäßig in der Wolfsnahrung vor, machen jedoch nur einen sehr geringen Teil der verzehrten Biomasse aus. Der Anteil von Nutztieren liegt bei 1 %. Des Weiteren können gelegentlich mittelgroße Säuger wie Nutria, Fuchs und Marderhund, Vögel, Fische und Früchte festgestellt werden, wobei es sich wahrscheinlich größtenteils um Gelegenheitsbeute oder Aas handelt.

Je nach Verfügbarkeit und Erreichbarkeit kann die Zusammensetzung des Speiseplans saisonale oder jährliche Schwankungen aufweisen. So zeigte die Studie außerdem, dass Wildschweine vor allem im Frühling erbeutet werden, wenn Frischlinge eine leichte Beute darstellen. Im Sommer hingegen werden vor allem Rothirschkälber bevorzugt. Das Reh wird dagegen das ganze Jahr über gleich genutzt.

Beutekategorie und -arten von Wölfen   Bildrechte: MU
Wolf jagt Rotwild   Bildrechte: Theo Grüntjens

Wolf jagt Rotwild

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