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Antwort auf die mündliche Anfrage: Ritterhude - Umsetzung der Ankündigungen von Minister Wenzel (Teil 1)

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe, Jörg Bode, Björn Försterling, Jan-Christoph Oetjen, Horst Kortlang, Gabriela König und Dr. Gero Hocker (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Am 9. September 2014 ereignete sich eine Explosion auf dem Gelände der Chemiefabrik Organo Fluid GmbH in Ritterhude, bei der ein Mitarbeiter tödlich verletzt wurde, große Teile der Fabrik und angrenzende Privatgebäude zerstörtwurden.

Herr Minister Wenzel unterrichtete den Landtag am 22. Januar und am 2. Februar 2015 persönlich über die Versäumnisse der ihm unterstehenden Gewerbeaufsichtsverwaltung. Dabei führte er am 22. Januar im Hinblick auf konkrete Konsequenz u. a. aus:

„(...) Die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter werden per Erlass aufgefordert, dass zukünftig Entscheidungen, ob eine Änderung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage einer Anzeige nach § 15 BImSchG oder einer Genehmigung nach § 16 BImSchG bedarf, zwischen dem zuständigen Betriebssachbearbeiter und der Genehmigungsstelle des Amtes abzustimmen sind.

(...) Die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter werden aufgefordert, für die Überwachung von sogenannten IED-Anlagen, also von Anlagen nach der Industrieemissionsrichtlinie, eine aktualisierte Dokumentation des Genehmigungs-, Anzeigen- und Erlaubnisstatus mit einer aktuellen Auflistung der zu erfüllenden Nebenbestimmungen für die Anlagen zu erstellen.

(...) Vom Anlagenbetreiber vorgelegte Kataster müssen anhand der eigenen Aktenlage geprüft, verifiziert und auf einen vollständigen Stand gebracht werden bzw. muss untersucht werden, ob das der Fall ist. Wir werden in Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium auch die arbeitsschutzrechtliche Überwachungsmatrix überprüfen.

(...) Zudem wird geprüft, ob Anhaltspunkte für Dienstvergehen bestehen, die die Einleitung eines Disziplinarverfahrens erfordern.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. Warum hat die Landesregierung gegenüber dem Landtag am 22. Januar und am 2. Februar 2015 lediglich das Verhalten der Gewerbeaufsicht thematisiert, ohne die Tätigkeiten bzw. Untätigkeit des Landkreises Osterholz zu berücksichtigen?

2. Wann ist der angekündigte Erlass ergangen, und welchen konkreten Inhalt hat er?

3. Wie weit ist die angekündigte Dokumentation der IED-Anlagen vorangeschritten?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkungen:

Gemäß § 15 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ist die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage der zuständigen Behörde mindestens einen Monat, bevor mit der Änderung begonnen werden soll, schriftlich anzuzeigen, wenn sich die Änderung auf in § 1 BImSchG genannte Schutzgüter auswirken kann, sofern nicht eine Genehmigung beantragt wird. Die Prüfung, ob durch die Änderung nachteilige Auswirkungen auf die Schutzgüter hervorgerufen werden können, und somit die Entscheidung, ob eine Anzeige nach § 15 BImSchG ausreichend oder eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG erforderlich ist, erfolgte in der Vergangenheit in der Staatlichen Gewerbeaufsichtsverwaltung Niedersachsens ausschließlich durch den/die für die Überwachung des Betriebes zuständige/n Sachbearbeiter/in.

Bei einem Kataster mit der Dokumentation des Genehmigungs-/Erlaubnisstatus einer IED-Anlage sowie einer aktuellen Auflistung der für die IED-Anlagenüberwachung maßgeblichen Nebenbestimmungen handelt es sich um eine Dokumentation, in der alle die Anlage betreffenden Anträge, Genehmigungen, Änderungsgenehmigungen, Anzeigen, Anordnungen sowie Widerspruchs- und Klagebescheide, Erlaubnisse und VAwS-Eignungsfeststellungen unter Angabe der jeweiligen Rechtsgrundlage und der entscheidenden Behörde sowie sämtliche für die IED-Anlagenüberwachung maßgeblichen Nebenbestimmungen - aus den Bereichen Luftverunreinigungen einschließlich Gerüche, Lärm, sonstige Umwelteinwirkungen (wie Erschütterungen, Licht, Wärme etc.), Bodenschutz, Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS), Abfall und Anlagensicherheit – zu finden sind. Dabei handelt es sich – insbesondere bei bereits seit Jahrzehnten bestehenden und ggf. mehrfach geänderten Anlagen – um umfangreiche Dokumentationen, deren Erstellung bei fast 1.000 der Überwachung durch die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter in Niedersachsen unterliegender IED-Anlagen einen erheblichen Zeitaufwand erfordert.

Im Hinblick auf die der Überwachung durch die Landkreise, die kreisfreien Städte und die großen selbstständigen Städte unterliegenden IED-Anlagen wird eine entsprechende Erlassregelung angestrebt. Hierzu werden zeitnah Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden aufgenommen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die Landesregierung ist bestrebt, den Unglücksfall die Organo-Fluid GmbH in Ritterhude betreffend umfassend aufzuklären. In diesem Zusammenhang gehört das Verhalten aller beteiligten Behörden auf den Prüfstand. Die gründliche Untersuchung benötigt angesichts der komplexen Aktenlage und nur eingeschränkt verfügbarer Akten allerdings Zeit. Vorrang genießen dabei die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Nach der Durchsicht der Genehmigungsunterlagen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Cuxhaven durch das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz lag ein erstes vorläufiges Zwischenergebnis vor. Im Hinblick auf das besondere Interesse der Öffentlichkeit hat Herr Minister Wenzel den Landtag am 22. Januar 2015 und am 2. Februar 2015 im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz über dieses erste vorläufige Zwischenergebnis informiert. Ein vergleichbares Zwischenergebnis in Bezug auf die Tätigkeiten des Landkreises Osterholz lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Ergänzend hat, nachdem sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration mit diesem Thema am 12. Februar 2015 befasst hat, Frau Ministerin Rundt den Landtag am 18., 19. und 20. Februar 2015 unterrichtet und dabei auf die Schwierigkeiten hingewiesen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesicherte Informationen zu bestimmten Einzelfragen zu geben.

Zu 2:

Der Erlass ist am 20.01.2015 ergangen. Er soll das 4-Augen-Prinzip bei der Änderung immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen sicherstellen. Der konkrete Inhalt ist folgender:

„Die Entscheidung nach § 15 (2) BImSchG, ob die Änderung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage einer Genehmigung nach § 16 BImSchG bedarf oder lediglich anzeigebedürftig ist nach § 15 BImSchG, ist zukünftig zwischen dem zuständigen Betriebssachbearbeiter/der zuständigen Betriebssachbearbeiterin und der Genehmigungsstelle des Amtes abzustimmen. Die Entscheidung ist schriftlich ausführlich zu begründen und in den Akten zu dokumentieren.“

Zu 3:

Eine Dokumentation des Genehmigungs-/Erlaubnisstatus der fast 1.000 einer Überwachung durch die Staatlichen Gewerbeaufsichtsämter in Niedersachsen unterliegenden IED-Anlagen sowie eine aktuelle Auflistung der für die IED-Anlagenüberwachung maßgeblichen Nebenbestimmungen liegt für einen Teil der IED-Anlagen bereits vor. Ziel ist, dass diese Kataster für sämtliche nach Überwachungsplan in jährlichem Turnus zu überwachende IED-Anlagen bis zum 31.12.2015, für nach Überwachungsplan alle 2 Jahre zu überwachenden IED-Anlagen bis zum 31.12.2016 und für nach Überwachungsplan alle 3 Jahre zu überwachenden IED-Anlagen bis zum 31.12.2017 erstellt sind. Dabei gilt die Vorgabe, dass in den genannten Zeiträumen vom Anlagenbetreiber vorgelegte Kataster anhand der eigenen Aktenlage geprüft, verifiziert und auf einen vollständigen Stand gebracht werden müssen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.03.2015

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