Weiterführende Links zu Akzeptanzstudien
Koexistenz und Konfliktfelder
Der historische Lebensraum der Wölfe hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer dicht besiedelten Kulturlandschaft gewandelt und die Bevölkerung hat sich weitgehend auf ein Leben ohne Wölfe eingestellt. Mittlerweile wird deutlich, dass die Rückkehr der Wölfe unsere Gesellschaft und die von uns geschaffenen Strukturen in vielerlei Hinsicht beeinflusst und letztlich ein Umdenken erfordert.
Gesellschaftliche Akzeptanz und ihre Bedeutung
Die Akzeptanz der Gesellschaft ist die Grundlage, auf der eine weitgehend konfliktarme Koexistenz von Mensch und Wolf basiert. Mit der Akzeptanz stehen und fallen jegliche Schutzbemühungen, da sie sowohl illegale Abschüsse verhindert als auch die Errichtung von wolfabweisenden Herdenschutzmaßnahmen stärkt. Letztlich entscheidet die Gesellschaft darüber, ob und wie eine zukünftige Koexistenz möglich ist.
Laut dem Ergebnis einer durch den NABU in Auftrag gegebenen Akzeptanzstudie aus 2021, welche sich auf die Befragung von 2.360 Bundesbürgern ab 18 Jahren bezieht, sind bundesweit 52 % der Befragten Wölfen gegenüber positiv eingestellt. 77 % der Befragten finden es erfreulich, dass Wölfe wieder hier leben, und sind der Ansicht, dass sie wie andere Wildtiere in unsere Landschaft gehören. Das allgemeine Interesse in der Bevölkerung ist mit 71 % verglichen zu vorherigen Studien aus 2015 und 2018 noch immer sehr hoch. Allerdings sind 49 % der Befragten davon überzeugt, dass die Rückkehr mit Risiken verbunden sei. Knapp 30 % gaben an, dass sie Angst hätten, in einem Gebiet mit Wolfsvorkommen in den Wald zu gehen und rund 14 % sehen in dem Wolf eine Bedrohung für Menschen. Für Niedersachsen gaben 42 % eine positive Grundeinstellung an, während 21 % dem Wolf mit negativen Empfindungen entgegenstehen. Wie bereits im Jahr 2018 gaben 65 % auch in 2021 an, dass einzelne Wölfe, die Probleme verursachen, notfalls getötet werden müssen. Insbesondere wenn es zu Nutztierrissen trotz intakter Herdenschutzmaßnahmen kommt, sprechen sich 38 % der Befragten dafür aus, dass der verursachende Wolf kontrolliert getötet werden sollte.
Zu einem ähnlichen Meinungsbild der Öffentlichkeit zu Wölfen in Niedersachsen kommt auch die Umfrage, die vom Landvolk Niedersachsen gemeinsam mit weiteren Partnern in Auftrag gegeben wurde. Von Ende Mai bis Anfang Juni wurden vom Berliner Meinungsforschungsinstitut „pollytix“ 1.035 Wahlberechtigte ab 18 Jahren in Niedersachsen online gefragt. Es sprachen sich 67 % überwiegend positiv gegenüber der Rückkehr der Wölfe aus, rund 75 % sind der Meinung, dass Wölfe in unsere Landschaft gehören. 65 % sehen mit der Rückkehr auch die damit verbundenen Probleme für Menschen und Nutztiere. Knapp 43 % gaben an, dass sie in einer Gegend mit Wölfen Angst haben, in den Wald zu gehen, während rund 20 % den Wolf als Gefahr für den Menschen einstuft. Insgesamt gaben 70 % an, dass sie sich die Festlegung einer maximalen Anzahl von Wölfen in Niedersachsen wünschen. 65 % spracht sich für einen Abschuss von Wölfen aus, wenn diese wiederholt geschützte Nutztiere reißen, während mehr als 80 % für das Fernhalten von Wölfen aus Landschaften waren, die nicht sicher gezäunt werden können.
Die Umfragen zeigen, dass Wölfe in unserer Kulturlandschaft willkommen sind und als Teil der heimischen Arten angesehen und akzeptiert werden. Anhand der Ergebnisse lässt sich allerdings auch die Notwendigkeit weiterer umfangreicher und gezielter Öffentlichkeitsarbeit als auch die Forderung nach einem rechtskonformen Management inklusive einer Bestandskontrolle ableiten, um zukünftig die hohe Akzeptanz für die Koexistenz von Mensch und Wolf zu sichern.
Wie gefährlich ist der Wolf für uns Menschen?
Keine Tierart sorgt für eine solch große emotionale sowie ambivalente Ausstrahlung auf die Bevölkerung wie der Wolf. Die Darstellung von Wölfen in den Medien wird bis heute durch stereotype Wolfsbilder beeinflusst. In Märchen, Büchern und Filmen wird der Wolf entweder als bedrohliches Raubtier oder Inbegriff intakter Natur dargestellt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass eine rationale Bewertung schon immer schwergefallen ist und diese zwei antagonistischen Standpunkte noch immer polarisieren. Insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen anhand von Daten und Fakten ein reales Bild des großen Beutegreifers zu geben und dabei auch das reale Gefahrenpotential zu benennen, welches von Wölfen ausgeht.
Eine aktualisierte Studie des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) gibt einen Überblick über Konflikte von Wölfen mit Menschen von 2002-2020 in verschiedenen Regionen der Welt. Von 2002-2020 fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit 491 Angriffe, von denen 26 tödlich endeten. Schwerpunktregionen für Konflikte sind Iran, Türkei und Indien. Der Großteil (78%) der Angriffe lässt sich auf Tollwut zurückführen. In Europa und Nordamerika – in denen die Lebensumstände von Menschen als auch Wölfen vergleichbar sind (ausreichend wilde Beutetiere, keine Tollwut, sozioökonomischer Status) konnten in den vergangenen 18 Jahren insgesamt 14 von Wölfen angegriffene Menschen bestätigt werden, von denen zwei Fälle (beide in Nordamerika) tödlich endeten. In Hinblick darauf, dass es fast 60.000 Wölfe in Nordamerika und rund 17.000 in Europa gibt, die sich ihren Lebensraum mit Hunderten Millionen Menschen teilen, liegt das statistische Risiko für einen Wolfsangriff somit knapp über Null. Da es sich um ein Wildtier handelt, kann niemand einen möglichen Angriff völlig ausschließen. Gleiches gilt für Wildschweine, Füchse, aber auch Haushunde. Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland hat es hier bisher keine dokumentierten Verletzungen von Menschen durch Wölfe gegeben.
Weidetierhaltung und Wölfe
Damals wie auch heute stellt die Weidetierhaltung einen großen Konfliktpunkt zwischen Menschen und großen Beutegreifern dar. Wölfe erbeuten überwiegend wildlebende Huftiere, sie jagen jedoch selektiv und suchen sich in der Regel diejenigen Beutetiere, die für sie am leichtesten und gefahrlosesten zu erbeuten sind. Dabei unterscheiden sie nicht zwischen Wildtieren und Nutztieren.
Insbesondere Schafe, Ziegen und Gehegewild, aber auch Fohlen und Kälber, die nicht wolfsabweisend geschützt sind, stellen für Wölfe eine leichte Beute dar. Da Wölfe zudem in der Lage sind, Schwachstellen an den vom Menschen installierten Präventionsmaßnahmen zu finden und dort zu überwinden, stellt die Koexistenz insbesondere für Weidetierhaltende eine große Herausforderung dar, die es nach Kräften durch die öffentliche Hand zu unterstützen gilt. Denn Weidetiere spielen in unserer Kulturlandschaft eine bedeutende Rolle für den Natur- und Klimaschutz, die Deichsicherheit und die Kultur.
Das Land Niedersachsen ist sehr darum bemüht, Nutztierhaltende beim Schutz ihrer Weidetiere zu helfen und unterstützt daher im Rahmen der „Richtlinie Wolf“ nach Kräften den Aufbau des flächendeckenden Herdenschutzes, damit Wölfe gar nicht erst erlernen, dass Nutztiere wie Schafe und Ziegen einfach zu erbeuten sind.
Jagd und Wölfe
In Europa erbeuten Wölfe hauptsächlich wildlebende Huftiere wie Rehe, Rothirsche und Wildschweine. Sie (Beutegreifer und Beutetiere) stehen in einer komplexen gegenseitigen Wechselbeziehung mit ihrer Umwelt, der eine lange Ko-Evolution vorausgeht. Generell kann die dauerhafte Anwesenheit von Wölfen einen Einfluss auf wildlebende Huftiere haben, der sich z.B. in der Änderung der Fitness und/oder dem Verhalten der Beutetiere äußern kann. Der Einfluss von Wölfen auf ihre Beutetiere und deren Reaktion wird allerdings durch eine Vielzahl an Faktoren mitbestimmt. Neben natürlichen Gegebenheiten und Umwelteinflüssen, wie z.B. die Größe der Beutetierbestände, die Artenzusammensetzung in der Region oder das Klima, haben insbesondere menschliche Aktivitäten einen großen Einfluss auf die Wechselbeziehungen und Bestandsentwicklungen. Die menschliche Jagd, aber auch die intensive Forst- und Landwirtschaft sowie der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind wichtige Faktoren, die sich allesamt auf das Verhalten und die Entwicklung von Wildbeständen auswirken.
In einer sächsischen, revierbezogenen Jagdstreckenanalyse der Altkreise Kamenz und Bautzen (1998 – 2009), bei der zwischen wolfsfreien und von Wölfen besiedelten Gebieten unterschieden wurde, konnten die verzeichneten Schwankungen in den Jagdstrecken nicht alleine auf die Anwesenheit der Wölfe zurückgeführt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass Wölfe insbesondere dort spürbar ins Gewicht fallen, wo insgesamt weniger wildlebende Huftierarten vorkommen und wo schon heute der Zuwachs der Bestände durch jagdliche Aktivitäten ausgeschöpft wird. Bisher liegen noch keine belastbaren Daten und Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Anwesenheit der Wölfe in Bezug auf das komplexe Ökosystemgefüge in Wolfsgebieten vor.
Tourismus und Wölfe
Die Abwesenheit der Wölfe hat nicht nur die Nutztierhaltung, sondern auch den Tourismus geprägt. Die Bilder von ungeschützten Schafen auf Deichen oder Almen, zwischen denen Touristen umherlaufen können, gehören zur touristischen Visitenkarte von vielen Urlaubsregionen. Allerdings ist mit der Rückkehr der Wölfe eine Veränderung eingetreten, die ein Umdenken der Gesellschaft erfordert, um eine Koexistenz zu ermöglichen. Dazu gehört nicht nur die Akzeptanz der Tierart Wolf in unserer Kulturlandschaft und das Erlernen des richtigen Umgangs bei Begegnungen mit Wölfen, sondern auch die Akzeptanz damit verbundener Maßnahmen, wie der Errichtung von wolfssicheren, elektrifizierten Zäunen und die Nutzung von Herdenschutzhunden zum Schutz der Weidetiere. Auch der Umgang mit dem eigenen Hund im Wolfsgebiet muss neu bedacht werden, damit dieser nicht Gefahr läuft, in das fremde Territorium eines wilden „Artgenossen“ zu geraten. Deshalb ist eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit unerlässlich.
Die Erfahrungen (auch aus anderen Bundesländern) zeigen, dass ein Nebeneinander von Mensch und Wolf in Tourismusgebieten nicht nur möglich ist, sondern Wölfe auch ein touristisches Potential bieten. In Deutschland werden Wölfe bereits zu touristischen Zwecken genutzt, z.B. im Rahmen von Wolfswanderungen direkt „vor der Haustür“.