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Lies: „Noch mehr Strom vom Meer rund um die Uhr“

- Küstenländer vereinbaren mit Bund 20-GW-Ausbau bis 2030 -


PI 42/2020

Neben Niedersachsen haben die Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit dem Bund und den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion und Tennet vereinbart, die installierte Leistung von Windkraftanlagen auf See auf 20 GW im Jahr 2030 auszubauen. „Für mich ist der zielstrebige und effiziente Ausbau der erneuerbaren Energien ein entscheidender Baustein, um die vom Bund gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Wir brauchen noch mehr Strom vom Meer! Und den haben wir dort rund um die Uhr“, so Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies. „Windkraftanlage in Nord- und Ostsee leisten dazu einen wichtigen Beitrag, zumal sie durch eine hohe Zahl der Volllaststunden erheblich zur Versorgungssicherheit beitragen“, so Lies. „Sie finden im Meer gute Standortbedingungen, können stetig Strom erzeugen und sind mit Blick auf neue Technologien kostengünstiger als bisher. Unterm Strich finden Offshore-Windräder darum eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Dazu gehört auch der verlässliche Ausbau der Stromnetze. Hier dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.“

Mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie sind große wirtschaftliche Chancen verbunden: Wertschöpfung und Beschäftigung in den Küstenländern wie auch im Binnenland. „Diese wirtschaftlichen Potenziale werden noch zunehmen, weil die Offshore-Windenergie auch über Deutschland hinaus an Bedeutung gewinnt“, so Lies. Um auch im internationalen Markt eine führende Rolle einzunehmen, werden deutsche Unternehmen ihre derzeitigen Wettbewerbsvorteile ausbauen müssen. Dabei unterstützt ein starker Heimatmarkt die Entwicklung der Branche. „Das Ziel, den Ausbau der Offshore-Windenergie auf 20 GW bis 2030 zu erhöhen, ist daher auch unter diesem Blickwinkel mehr als zu begrüßen“, so der Minister.

Die Umsetzung dieses Ziels stellt alle Beteiligten aber auch vor große Herausforderungen. Die verschiedenen Prozesse müssen gut miteinander verzahnt und die Arbeiten eng aufeinander abgestimmt werden. Für Lies ist damit genauso eng die Technologiefrage verbunden. „Wir brauchen einen konsequenten Ausbau der Wasserstoffwirtschaft. Nicht jede erzeugte Kilowattstunde Strom können und müssen wir direkt übertragen. Die Produktion von grünem Wasserstoff an der Küste und später auch auf dem Meer ist wesentlicher Baustein einer erfolgreichen Energiewende“, so der Minister. „Wir haben viel zu lange nur den Strombereich bedacht. Aber gerade die Industrie und auch größere Teile der Mobilität setzen auf grünen Wasserstoff als wichtige Ressource. Im Übrigen birgt das auch die Chance, Energie zu speichern und Erzeugung sowie Verbrauch zeitlich zu entkoppeln.“

Die Energieministerin und die Energieminister der betroffenen Küstenländer und des Bundes sowie die Präsidentin des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), der Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA) und die Geschäftsführer der Übertragungsnetzbetreiber sind sich daher einig, die Voraussetzungen zur Umsetzung dieses ambitionierten Offshore-Ausbaus zu schaffen und die nötigen Prozesse mit höchster Priorität voranzutreiben. „Weitere Schritte müssen folgen, um die im Klimaschutzgesetz beschlossene Treibhausgasneutralität bis 2050 und den damit ansteigenden Offshore-Ausbau nach 2030 umzusetzen“, so Lies. Hierzu werden sich die Beteiligten weiter abstimmen. Sie sind sich darüber hinaus einig, dass diese Steigerung die Entschlossenheit der Bundesregierung sowie der beteiligten Landesregierungen, den Ausbau naturverträglich zu gestalten, unberührt lässt.

Forschung, und Entwicklung und Demonstration im Bereich der Offshore-Windenergie in Deutschland ist für Bund und Länder unverzichtbar, um die internationale Führungsposition in der Windindustrie zu erhalten und weitere Kostensenkungspotenziale bei den Ausschreibungen für Windenergie auf See zu realisieren. Bund, Küstenländer und Übertragungsnetzbetreiber wirken daher gemeinsam darauf hin, eine zeitnahe Umsetzung des nationalen Offshore-Testfeldes und seiner Netzanbindung entsprechend den Festlegungen im Netzentwicklungsplan und im Flächenentwicklungsplan zu ermöglichen.

Zur Umsetzung des 20-GW-Offshore-Ziels vereinbaren die Beteiligten:

Flächenausweisung auf See

Mehr Strom aus Offshore-Windenergie erfordert zusätzliche Flächen auf See. Dafür wird das BSH die notwendigen Voraussetzungen schaffen und den Flächenentwicklungsplan bis Ende 2020 fortschreiben, unter Berücksichtigung der Raumordnungspläne für die ausschließliche Wirtschaftszone, die gegenwärtig vom BSH fortgeschrieben werden, sowie der Raumordnungspläne der Küstenländer. Ferner wird der Bund Maßnahmen zur Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen auf See prüfen. Die fachlichen Standards sowie die einschlägigen umweltrechtlichen Anforderungen werden dabei beibehalten.

Naturverträglicher Einsatz der 525 kV-Technologie

Die 525 kV-Technologie erlaubt es, über ein einzelnes Kabelsystem die doppelte Leistung im Vergleich zur bisher üblichen 320 kV-Technologie zu transportieren. Ohne den Einsatz dieser neuen Technologie sind 20 GW Offshore-Windenergie im Jahr 2030 nicht möglich. Die Übertragungsnetzbetreiber werden die innovative Technik für die bestätigten Anbindungssysteme der Offshore-Windparks in der Nordsee ab 2029 einsetzen, um die Zahl der insgesamt erforderlichen Anbindungsleitungen zu halbieren und damit die Eingriffe in die Umwelt zu senken. Bund, Küstenländer und Übertragungsnetzbetreiber sind sich einig darin, dass die erforderlichen Temperaturkriterien (2 K-Kriterium als etabliertes Vorsorgekriterium) im Umfeld der Kabel beim Einsatz der 525 kV-2.000 MW-Technik sowohl in der Ausschließlichen Wirtschaftszone als auch im Küstenmeer in der Nordsee erfüllt werden können. Dies ist insbesondere im Wattenmeer mit seiner hohen naturschutzfachlichen Wertigkeit als Nationalpark und UNESCO-Weltnaturerbe von Bedeutung. Zur Nachweisführung zum 2 K-Kriterium im Küstenmeer gelten die am 2. März 2020 im Rahmen der Arbeitsgruppe 2K Kriterium erzielten Ergebnisse (siehe Anhang). Die Rahmenbedingungen und die Methodik der Nachweisführung finden Eingang in den Flächenentwicklungsplan 2020 des BSH und in die entsprechenden Planungs- und Genehmigungsmaßstäbe der Küstenländer für den Bereich des Küstenmeers.

Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes

Die hier beschriebenen Maßnahmen werden durch eine Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes im ersten Halbjahr 2020 ergänzt. Der Bund kommt damit seiner Verantwortung für die Schaffung verlässlicher und unterstützender Rahmenbedingungen nach. Mit der Novelle sollen die für die Erhöhung des Ausbauziels für Windenergie auf See von 15 auf 20 GW bis 2030 erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen umgesetzt werden. Die gesetzlichen Neuregelungen sollen den Ausbau der Windenergie auf See noch effizienter, netzsynchroner und marktorientierter gestalten. Von besonderer Bedeutung ist, dass die für die Abnahme, Übertragung und Verteilung des Stroms erforderlichen Netzkapazitäten rechtzeitig geschaffen werden können. Vor der Ausschreibung der Flächen ist der Sachstand beim Ausbau der erforderlichen Anbindungsleitungen zum geplanten Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Windenergieanlagen auf See zu ermitteln. Darüber hinaus hat die fristgerechte Fertigstellung der HGÜ-Trassen sowie weiterer Drehstrom-Leitungen für den Transport des Stroms von Nord- nach Süddeutschland eine hervorgehobene Bedeutung.

Zeitpläne und Meilensteine

Planung, Genehmigung und der Bau der für 20 GW Offshore-Windenergie notwendigen Infrastruktur bis 2030 einschließlich der Integration des erzeugten Stroms in das Übertragungsnetz sind in zeitlicher Hinsicht sehr herausfordernd. Insbesondere die Küstenländer und die Übertragungsnetzbetreiber tragen dabei eine gemeinsame Verantwortung, um die benötigten Offshore-Anbindungsleitungen erfolgreich und fristgerecht umzusetzen. Die Bundesnetzagentur hat Ende 2019 mit der Bestätigung des Netzentwicklungsplans 2019/2030 (NEP) drei weitere Offshore-Anbindungsleitungen festgelegt, die erforderlich sind, um 20 GW Offshore-Windenergie bis 2030 ans Stromnetz anzuschließen. Der NEP sieht in den Jahren 2021 bis 2030 die Inbetriebnahme von insgesamt 14 neuen Offshore-Anbindungsleitungen vor. Fünf Anbindungsleitungen werden demnach in Mecklenburg-Vorpommern, acht in Niedersachsen und eine Anbindungsleitung in Schleswig-Holstein anlanden.

Die Energieministerin und Energieminister der Küstenländer und des Bundes, der Präsident der Bundesnetzagentur, die Präsidentin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie sowie die Geschäftsführer der Übertragungsnetzbetreiber einigen sich für die bereits geplanten und die aufgrund des 20GW-Zieles neu hinzukommenden Offshore-Anbindungsleitungen auf konkrete Zeitpläne für festgelegte Meilensteine (so genanntes „Offshore-Controlling“, siehe Anlage). Die Meilensteine umfassen Beginn und Ende der relevanten Planungsverfahren sowie Baubeginn und Inbetriebnahme. Die Zeitpläne sind zugleich ambitioniert und realistisch. Sie ergänzen das bereits bei der Bundesnetzagentur bestehende Monitoring des Stromnetzausbaus und werden auf www.netzausbau.de veröffentlicht. So kann sich die Öffentlichkeit jederzeit über den Fortschritt beim Ausbau der Offshore-Anbindungsleitungen informieren.

Besonders herausfordernd ist die Planung der Offshore-Anbindungsleitungen für Windparks in der Nordsee hinsichtlich der Querung des Küstenmeers. In Niedersachsen steht für den Zeitraum bis 2030 aus logistischen Gründen nur eine zusätzliche Kabeltrasse über die Insel Norderney zur Verfügung, die für den Ausbau der Offshore-Windenergie auf 20 GW bis 2030 aber nicht ausreicht. Deshalb ist eine Aufhebung des Vorrangs für den Grenzkorridor N-II (Norderney) und eine vorgezogene Verlegung über Grenzkorridor N-III erforderlich. Dazu wird ein Raumordnungsverfahren zur Identifizierung weiterer Trassenkorridore durchgeführt. Das Land sichert zu, dieses Raumordnungsverfahren bis zum dritten Quartal 2021 sowie erforderliche Änderungen des Landesraumordnungsprogramms bis zum dritten Quartal 2022 abzuschließen. In Schleswig-Holstein ist für die bis 2027 anstehende Offshore-Anbindungsleitung NOR-7-2 zum großen Teil eine vorhandene Trasse durch das Küstenmeer nutzbar. Auf die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens hat Schleswig-Holstein nach § 16 Abs. 2 ROG verzichtet.

Die Behörden der Küstenländer und des Bundes sowie die Übertragungsnetzbetreiber sind nicht nur für die Offshore-Anbindungsleitungen, sondern auch für die Genehmigung und den Bau von diversen Netzausbauvorhaben an Land verantwortlich, die dem landseitigen Abtransport der Offshore-Windenergie besonders dienen. Nach Aufnahme dieser Vorhaben in das Bundesbedarfsplangesetz im Rahmen der BBPlG-Novelle 2020 werden auch für diese Vorhaben zügig Zeitpläne vereinbart.

Die vereinbarten Zeitpläne lassen den ergebnisoffenen Charakter der Prüfung in Planungs- und Zulassungsverfahren unberührt. Entscheidungen werden allein von den zuständigen Behörden der Länder und des Bundes unter Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen getroffen. Dabei ist elementar, die Entscheidungsqualität zu sichern.

In den Zeitplänen nicht berücksichtigt sind äußere Einflüsse, auf die weder die zuständigen Behörden noch die Netzbetreiber Einfluss haben oder nehmen können. Dazu gehören beispielsweise Gerichtsverfahren gegen Planfeststellungsbeschlüsse sowie neue Anforderungen aus der Rechtsprechung.

Die Inbetriebnahme der Windparks auf See ist mit der Fertigstellung der Offshore-Anbindungsleitungen und dem Netzausbau an Land zu synchronisieren, um hohe Kosten für Netzengpässe und Abregelungen von Strom zu vermeiden. Entsprechend sind die Fortschritte des Netzausbaus bei der Staffelung der Ausschreibungen der Windenergie auf See durch die BNetzA adäquat zu berücksichtigen.

Koordination und Ressourcen

Für einen erfolgreichen Ausbau der Offshore-Windkraft ist es notwendig, die verschiedenen Aktivitäten und Akteure effektiv zu koordinieren. Die Küstenländer und der Bund werden ihre Behörden mit ausreichenden Ressourcen ausstatten, damit sowohl die Offshore-Windparks als auch die Offshore-Anbindungsleitungen sowie die landseitigen Netzausbauvorhaben zügig fertiggestellt werden können. Die Übertragungsnetzbetreiber sagen ihrerseits zu, die Projekte innerhalb der regulatorischen Rahmenbedingungen so mit Ressourcen (Kapital, Personal, Sachmittel) auszustatten, dass die Projekte wie im Offshore-Controlling vereinbart umgesetzt werden können

Anhang: Nachweisführung zum 2 K-Kriterium im Küstenmeer (Auszug aus dem Ergebnis-Protokoll der Arbeitsgruppe 2-K-Kriterium beim BSH am 2. März 2020, Punkt 6)

1. Die Einhaltung des 2 K-Kriteriums ist unstrittig, im Küstenmeer bleibt es bei einer Referenzpunkttiefe von 30 cm.

2. Zur Einhaltung des 2 K-Kriteriums kann der Leiterquerschnitt im Küstenmeer auf max. 2500 mm² erhöht werden.

3. Die für die Nachweisführung getroffene Annahme eines Wärmewiderstands von 1,0 Km/W für das Küstenmeer Schleswig-Holsteins wird kurzfristig überprüft und ggf. angepasst. Hierbei können die von den ÜNB im Rahmen des Temperatur-Monitorings auf der „Büsumtrasse“ gewonnenen Daten zusätzliche Ansatzpunkte liefern.

4. Die Anwendbarkeit des für die AWZ und das Küstenmeer Niedersachsens angenommenen Wärmewiderstands von 0,7 Km/W wird anhand von realen Messwerten für das Küstenmeer überprüft.

5. Eine Einhaltung des 2 K-Kriteriums im laufenden Betrieb wird unter Verwendung von modellhaften Verfahren, wie z.B. TCM II, überprüft. Die Ergebnisse des Monitorings sollten dazu verwendet werden, den Umgang mit geringfügigen Überschreitungen zu überprüfen.

6. Die Mindestüberdeckung von 1,50 m zur Einhaltung des 2 K-Kriteriums wird in der Praxis bereits übertroffen. Im Rahmen der Genehmigungsverfahren und im laufenden Betrieb ist die Einhaltung der Mindestüberdeckung zyklisch nachzuweisen.


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