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3. Regierungskommission

Empfehlungen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen


1. Einleitung
Die 3. Regierungskommission hat sich im August 1995 konstituiert und mit der Übergabe ihres Abschlußberichtes im Oktober 1998 ihre Arbeit beendet. Der umfassende Auftrag, die Vielschichtigkeit der Probleme sowie die Vielzahl von Beteiligten erforderte im Hinblick auf einen möglichst breit angelegten gesellschaftlichen Konsens die Einbindung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen in die Kommissionsarbeit. In die Kommission wurden daher Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, der Verwaltung, der Umweltverbände, der Wissenschaft, der Gewerkschaften und der kommunalen Spitzenverbände berufen.

Die Arbeiten der 3. Regierungskommission wurden wesentlich von den abfallwirtschaftlichen Randbedingungen geprägt, die mit der Umsetzung des im Oktober 1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) verbunden waren. Vor diesem Hintergrund hatte die 3. Regierungskommission folgende sieben Arbeitskreise eingerichtet:

AK 13 Elektronikschrott
AK 16 Kfz-Recycling
AK 17 Abfallvermeidung bei Produktgestaltung und -nutzung
AK 18 Transparenz der Abfallströme
AK 19 Ausgestaltung der abfallrechtlichen Überwachung durch das Land Niedersachsen
AK 20 Zukünftige Wahrnehmung von Entsorgungsaufgaben durch öffentliche und/oder private Entsorger
AK 21 Anforderungen an eine hochwertige Verwertung

Die in der Kommission vertretenen Gruppierungen waren in den Arbeitskreisen durch Experten vertreten.

Die Kommission sowie die sieben Arbeitskreise haben ihre Arbeitsergebnisse nebst Empfehlungen in umfangreichen Arbeitsberichten dokumentiert und der interessierten Öffentlichkeit auf einem Abschlußsymposium im Januar 1999 vorgestellt.

2. Ergebnisse
Die Arbeitsweise der Kommission, unter Einbeziehung aller relevanten Gruppen gemeinsame Lösungen für sehr konkrete Probleme zu entwickeln, hat sich bewährt. Auch nach kontroversen Diskussionen wurden praktisch sämtliche Arbeitsergebnisse von den beteiligten gesellschaftlichen Gruppen einvernehmlich getragen. Die Kommission und ihre Arbeitskreise hat mit den Ergebnissen ihrer problem- und bedarfsnahen Arbeit weit über die niedersächsische Landesgrenze hinaus Anerkennung gefunden.

Nachfolgend sind besonders prägnante Beispiele für die Arbeit der 3. Regierungskommission und ihrer Arbeitskreise dargestellt:

2.1 Elektronikschrott
Der Arbeitskreis "Elektronikschrott" hat sich mit verschiedenen BMU-Entwürfen einer Elektronikschrottverordnung auseinandergesetzt und zum Geltungsbereich, zur Produktverantwortung und zur Kostenregelung Empfehlungen an die Landesregierung ausgesprochen.

Der Schwerpunkt der Arbeiten des Arbeitskreises war das Thema "Entsorgung von ausgedienten sogenannten mülltonnengängigen Elektrokleingeräten" (z.B. Bügeleisen, Heizlüfter, Toaster). Es wurden erstmalig repräsentative Untersuchungen zur Ermittlung der stofflichen Zusammensetzung von mülltonnengängigen Elektrokleingeräten in Auftrag gegeben, um daraus Folgerungen für Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Dabei wurde festgestellt, daß die Geräte etwa 60 % Wertstoffe, wie z.B. Eisen, Kupfer und Aluminium, aber auch in erheblichem Umfang Schadstoffe wie Brom, Cadmium und halogenierte Kohlenwasserstoffe enthalten. Die erstaunlichen Ergebnisse veranlaßten den Arbeitskreis, sich mit Nachdruck für eine von Hausmüll getrennte Erfassung dieser Gerätegruppe und eine ordnungsgemäße, schadlose und hochwertige Verwertung auszusprechen. Entsprechende Verfahren sind am Markt verfügbar und ökonomisch zumutbar.

Des weiteren wurden verschiedene Entsorgungsszenarien für mülltonnengängige Elektrokleingeräte unter ökologischen und ökonomischen Aspekten bewertet. Bei Abwägung zwischen ökologischer Zielerreichung und dazugehöriger Kostenrelevanz erscheint das Entsorgungsszenario "Getrennte Erfassung der Kleingeräte, keine Schadstoffentfrachtung, vollständige mechanische Aufbereitung mit anschließender separater Behandlung einzelner Stoffströme" ein gewisses Optimum darzustellen. Unbeschadet dessen sollte nach Auffassung des Arbeitskreises vor einer mechanischen Aufbereitung dieser Gerätegegruppe zumindest eine Sichtkontrolle erfolgen, um Störstoffe, Fehlwürfe und zweifelsfreie Schadstoffkomponenten auszusortieren.

Die Arbeitsergebnisse des Arbeitskreises sind der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt worden und bilden eine wesentliche Grundlage für die Erarbeitung einer Elektronikschrott-Recyclingrichtlinie.

2.2 Kfz-Recycling
Aufbauend auf den Ergebnissen des Arbeitskreises "Kfz-Recycling" der 2. Regierungskommission war es Aufgabe des gleichnamigen Folgearbeitskreises, Lösungsvorschläge für noch offen gebliebene Fragestellungen zu erarbeiten. Es ging hierbei insbesondere um die nach der Kfz-Demontage und nach der weiteren Behandlung (Shredder) verbleibenden Stoffströme. Diese umfassen zum einen die bei der Demontage und beim Shreddern zielgerichtet gewonnen Materialien und zum anderen die zur Entsorgung anstehenden Shredderrückstände.

Es wurde festgestellt, daß im Bereich der Verwertung von Metallen, abgesehen von Maßnahmen zur Beschränkung des Eintrages von Kupfer im Eisenschrott, kaum Defizite zu verzeichnen sind. Im Zusammenhang mit der Entsorgung von Kunststoffen sieht der Arbeitskreis die größten Entwicklungspotentiale. So sollten z.B. Rezyklate in Zukunft verstärkt in den Produktionsprozeß integriert werden. Allerdings stellt das stoffliche Recycling nicht die alleinige Problemlösung dar, sondern auch die energetische Verwertung muß in die Betrachtung mit einbezogen werden. Ein zentrales Thema des Arbeitskreises war die Entsorgung der bei der Kfz-Verwertung anfallenden Shredderleichtfraktion. Zielführend ist hier aus Sicht des Arbeitskreises eine mehrstufige Aufbereitung und Trennung in mindestens drei Abfallströme (heizwertreich, metallisch, mineralisch).

Der heizwertreiche Teilstrom soll nach definierten Kriterien energetisch und der metallische Teilstrom stofflich verwertet werden. Der überwiegend mineralische Teilstrom wird i.d.R. abgelagert oder aber in weiteren Schritten aufbereitet werden müssen. Um Abfallmengen für einen wirtschaftlichen Betrieb einer Aufbereitungsanlage bündeln zu können, sollten sich die Shredderbetreiber in geeigneter Weise zusammenschließen.

2.3 Abfallvermeidung bei Produktgestaltung und -nutzung

Der Arbeitskreis "Abfallvermeidung bei Produktgestaltung und -nutzung" hat die für den Abfallanfall relevanten Einflußgrößen in dem gesamten Produktlebenszyklus erfaßt und analysiert.

Demnach sei es zur Abfallvermeidung bei Produktgestaltung und -nutzung beispielsweise erforderlich

  • bei der Herstellung von Produkten den Materialeinsatz und die Problemstoffe zu senken sowie die Produkte demontage- und recyclinggerecht zu gestalten

  • die Nutzungsdauer von Produkten z.B. durch Wartung und Reparatur zu verlängern

  • die Nutzung von Produkten zu intensivieren (z.B. durch Gemeinschaftsnutzung)

  • das Produkt und die Produktabfälle bzw. -bauteile und -werkstoffe zu recyceln

Problematisch bei der Umsetzung dieser Strategien sei u.a., dass die eigentumsgekoppelten Werthaltungen in der Gesellschaft Barrieren für die Bereitschaft der Übernahme von Gemeinschaftsnutzungsmodellen (z.B. Sharing, Miet- und Leihmodelle) darstellen. Hier gelte es, ökonomische Anreize zu schaffen. Des weiteren seien unternehmerische Angebote zur Gemeinschaftsnutzung wie auch zur Instandhaltung häufig gekennzeichnet durch hohe Preise, welche die Konsumenten für die Miete oder Reparatur von Konsumgütern zahlen müssen. Um dieser Preise zu reduzieren, eigne sich eine ökologische Steuerreform, die gleichzeitig Ressourceneinsparung belohnt und Arbeitskosten reduziert. Denkbar sei hier die Einführung einer reduzierten Mehrwertsteuer für abfallvermeidende Dienstleistungen.

Der Arbeitskreis gibt in seinem Abschlußbericht den verschiedenen Akteuren konkrete Empfehlungen zur Verwirklichung der o.g. Strategien. So wird der niedersächsischen Wirtschaft beispielsweise empfohlen, für die von ihr hergestellten Produkte Möglichkeiten einer freiwilligen Rücknahme und des Aufbaus von Recyclingstrukturen zu prüfen, den Verbrauchern die Instandhaltung von Produkten als lebensverlängernde Maßnahme durch Unterstützung und Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Reparaturwerkstätten zu erleichtern und durch Verbesserung der Kommunikation (gezielte Werbung und Produktinformation) über die abfallarmen Produkte die Nachfrage zu beleben.

2.4 Transparenz der Abfallströme
Der Arbeitskreis "Transparenz der Abfallströme" hat die Daten der in Niedersachsen maßgebenden Abfallströme (Siedlungs- und Sonderabfall) aufbereitet und analysiert. Für die verschiedenen Abfalldatenquellen und -mengen wurden Defizite aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge zur Erhöhung der Transparenz der Abfallströme gemacht. Der Arbeitskreis hält es für erforderlich, für die unbestimmten Rechtsbegriffe des KrW-/AbfG und deren Abgrenzung gegeneinander, z.B. Abfall/Produkt, Verwertung/Beseitigung schnellstmöglich Interpretationshilfen zu erarbeiten.

Es ist der Verdienst dieses Arbeitskreises auf die Inkonsistenz der verschiedenen Datensammlungen durch eine Vielzahl von Stellen hingewiesen und Vorschläge für die Änderungen des Umweltstatistikgesetzes mit Blick auf eine Bereinigung bzw. Transparenz und gesicherte Datenbasis gemacht zu haben. Der Arbeitskreis kommt zu dem Ergebnis, daß es dringend erforderlich ist, die zusätzliche Belastung der Wirtschaft und der Verwaltung durch das mehrfache Erheben und Auswerten von Abfalldaten abzustellen.

2.5 Ausgestaltung der abfallrechtlichen Überwachung
Der Arbeitskreis "Ausgestaltung der abfallrechtlichen Überwachung durch das Land Niedersachsen" hat die Niedersächsiche Landesregierung unmittelbar im Rahmen des niedersächsischen Abstimmungsverhaltens im Bundesrat bei der Diskussion des untergesetzlichen Regelwerkes zum KrW-/AbfG beraten. So gehen beispielsweise die dezidierte Ausgestaltung der Zuordnungsvorschriften der EAK-Verordnung, die regeln, wie Abfälle den sechsstelligen Abfallschlüsseln zuzuordnen sind, auf die Beratungen des Arbeitskreises ebenso zurück wie die Gestaltung der Übergangsvorschrift.

Der Arbeitskreis hatte ein Stichtagsregelung vorgeschlagen, wonach bis zum 31.12.98 ausschließlich alte Abfallschlüssel verwendet werden sollten und ab dem 01.01.99 ausschließlich der neue Abfallschlüssel. Dieser Vorschlag des Arbeitskreises wurde von Vertretern des Niedersächsischen Umweltministeriums in die Beratungen des Bundestages eingebracht und fand dort die erforderliche Mehrheit. Im Hinblick auf die Vollzugstauglichkeit der Nachweisverordnung votierte der Arbeitskreis einheitlich für die Beibehaltung einer 10-tägigen Eingangsbestätigungsfrist, weil innerhalb dieser Frist in vielen Fällen schon die endgültige Bestätigung erteilt werden könnte. Diese Auffassung ließ sich auch in den Beratungen des Bundesrates durchsetzen.

Darüber hinaus hat sich der Arbeitskreis der Auslegung des KrW-/AbfG zugewandt, soweit diese Auslegung Bedeutung für die Ausgestaltung der Überwachung der Abfallströme in Niedersachsen hatte und sich mit der erforderlichen Anpassung des niedersächsischen Landesrechtes an das KrW-/AbfG beschäftigt. Ein wesentliches Ergebnis dieses Arbeitskreises war es, daß aufgrund seiner Empfehlungen bundeseinheitlich für die Jahre 1997 und 1998 darauf verzichtet wurde, von den rechtlichen Möglichkeiten des § 21 KrW-/AbfG, Abfallbilanzen und Abfallwirtschaftskonzepte durch die Überwachungsbehörden prüfen zu lassen, Gebrauch zu machen.

2.6 Zukünftige Wahrnehmung von Entsorgungsaufgaben
Der Arbeitskreis "Zukünftige Wahrnehmung von Entsorgungsaufgaben durch öffentliche und/oder private Entsorger" hat sich u.a. mit der durch das KrW-/ AbfG geänderten Rechtslage - soweit sie Einfluß auf die Wahrnehmung von Entsorgungsaufgaben durch öffentliche und/oder private Entsorger hat - umfassend auseinandergesetzt und die wesentlichen Änderungen dargestellt.

Durch die Änderungen im Abfallrecht durch das KrW-/AbfG unterliegen Abfälle zur Verwertung aus Gewerbebetrieben nicht mehr der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Diese Tatsache hat starken Einfluß auf die von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu entsorgenden Abfallmengen, deren Abfallmengenprognosen sowie die Planung der Abfallentsorgungsanlagen und die daraus folgende Belastung der Gebührenzahler.

Die Erstellung eines Abfallwirtschaftskonzeptes setzt eine gründlich erstellte Abfallmengenprognose voraus. Auf der Grundlage dieses Konzeptes sind dann evtl. erforderliche Anpassungen der Satzungen vorzunehmen. Die Unterscheidung zwischen Abfällen zur Beseitigung und Abfällen zur Verwertung hat große Bedeutung für die Abfallmengenprognose. Um zu verhindern, daß ausschließlich der Preis den Weg des Abfalles bestimmt und die Abfälle nicht in dafür geeignete und ggf. hochwertige Entsorgungswege gelangen, hält der Arbeitskreis es für dringend erforderlich, dieser Entwicklung durch eine klare und möglichst verbindliche Abgrenzung der Begriffe Abfallverwertung/Abfallbeseitigung zu begegnen.

Der Arbeitskreis empfiehlt daher, entsprechende Abgrenzungskriterien unverzüglich mindestens durch eine Verwaltungsvorschrift einzuführen und für eine einheitliche Umsetzung Sorge zu tragen. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sollten baldmöglichst ihre abfallwirtschaftlichen Planungen wegen der aus den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen resultierenden Ungewißheit über die Abfallmengenprognose überarbeiten.

Hinsichtlich der Möglichkeiten und Veränderungen bei den privaten Entsorgungsträgern hat sich der Arbeitskreis zu Empfehlungen nicht entschließen können, da für die in den §§ 17 und 18 KrW-/AbfG vorgesehenen Möglichkeiten derzeit kein Bedürfnis besteht.

2.7 Anforderungen an eine hochwertige Verwertung
Nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz müssen bei der Verwertung von Abfällen ökologisch hochwertige Verwertungsverfahren angewendet werden. Der Arbeitskreis "Anforderungen an eine hochwertige Verwertung" hat hierzu ein praxisnahes Konzept zur Beurteilung verschiedener Verwertungsverfahren in Verbindung mit Checklisten erarbeitet, um den Abfallbehörden - aber auch der betroffenen Wirtschaft - eine unmittelbare Hilfe für den Vollzug zu geben.

Für den Vergleich der Verwertungsverfahren wurden insgesamt acht Bewertungsfragen erarbeitet und in einem Bewertungsraster zusammengefaßt. Die Bewertungsfragen bilden ein praktikables Instrument für die Wirtschaft und Verwaltung, mit dem -ohne große Recherchen, wissenschaftliche Untersuchungen oder Einschaltung sachverständiger Dritter - Verwertungsverfahren einer Rangfolge zuzuordnen sind.

Das empirisch entwickelte Bewertungsraster wurde an dreizehn Fallbeispielen zu relevanten niedersächsischen Abfallströmen, wie z.B. die der Kunststoffabfälle oder der Altreifen überprüft und optimiert. Die Ergebnisse zeigen, daß in der Regel Entscheidungen zur hochwertigen Verwertung auch ohne umfangreiche ököbilanzielle Betrachtungen getroffen werden können.

3. Ausblick
Vor dem Hintergrund der außerordentlich positiven Resonanz, die die Arbeit der 3. Regierungskommission gefunden hat, hat die Niedersächsische Landesregierung beschlossen, dieses bewährte kooperative Instrument für die Diskussion und Klärung bedeutsamer abfallwirtschaftlicher Fragestellungen auf einer erweiterten thematischen Basis in einer 4. Regierungskommission fortzuführen. Herausragende Aufgabe der neuen Regierungskommission ist es, die Niedersächsische Landesregierung hinsichtlich der Strategien zum Thema "Umweltmanagement und Kreislaufwirtschaft" zu beraten und Empfehlungen an Politik und Wirtschaft abzugeben. Die 4. Regierungskommission hat ihre Arbeit im November '99 begonnen.

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