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Erfordernisse für die Verstärkung von Küstenschutzanlagen

Extremereignisse beflügeln immer wieder das Nachdenken im Küstenschutz. Die bis heute nachwirkenden "Schlüsselereignisse" für den Küstenschutz an der niedersächsischen Nordseeküste liegen gerade ein halbes Jahrhundert zurück. Dazu gehören die Holland-Sturmflut von 1953, die Katastrophensturmflut in der Deutschen Bucht am 16./17.02.1962 und die ebenfalls extreme Sturmflut am Jahresbeginn 1976 sowie schließlich auch solche Ereignisse, die nicht überörtlich als extrem einzustufen sind, aber örtlich zu bedrohlichen Scheitelwasserständen geführt haben. So zählte die Sturmflut am 1. November 2006 zu den schwersten der letzten 100 Jahre an der niedersächsischen Nordseeküste. Auf Borkum wurde mit 2,70 Metern über MThw exakt die Pegelmarke der 62er-Sturmflut erreicht. In der Jade wurde an der Vareler Schleuse der höchste jemals gemessene Wert um lediglich vier Zentimeter unterschritten.

Der Küstenschutz stützt sich auf die wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Sturmflutereignisse. Die heutigen Untersuchungen sind darauf gerichtet, neben den hydrodynamischen Beanspruchungen der Küstenschutzanlagen die hydrologischen und morphologischen Gegebenheiten und Entwicklungen im Küstenraum zu analysieren, um gesicherte Grundlagen für langfristige Küstenschutzplanungen und die Bemessung der Anlagen zu liefern. Einen wichtigen Baustein zur Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen im Bereich des Küsteningenieurwesens bildet dabei die Zusammenarbeit der Küstenländer und des Bundes im Rahmen des Kuratoriums für Forschung im Küsteningenieurwesen (KFKI).

Eine weitere wesentliche Fragestellung betrifft die zukünftige Entwicklung des Merresspiegelanstiegs. In welchem Ausmaß die klimabedingten Veränderungen erfolgen, kann gegenwärtig seitens der Wissenschaft nicht eindeutig belegt werden. Eine Vielzahl der Wissenschaftler geht allerdings davon aus, dass durch das Abschmelzen von Inlandgletschern und kontinentalen Eisschilden sowie durch die Ausdehnung des Meerwassers als direkte Folge der globalen Erwärmung der Meeresspiegel künftig verstärkt ansteigen wird. Auf die Szenarien des Weltklimarats zum Meeresspiegelanstieg hat das Ministerium für Umwelt und Klimaschutz mit einem Symposium am 06.07.2007 reagiert. Mit Experten und zuständigen Akteuren wurde diskutiert, ob und welche Maßnahmen kurzfristig ergriffen werden müssen, um dem Klimawandel im Küstenschutz zu begegnen. Ein wesentliches Ergebnis war die Festlegung, das bislang gültige Vorsorgemaß für den zu erwartenden Meeresspiegelanstieg bei der Bemessung der niedersächsischen Hauptdeiche von 25 cm auf 50 cm zu verdoppeln. Ferner wurden die planmäßigen Investitionen in den Küstenschurz von Bund und Land deutlich angehoben.

Die Sicherheitsphilosophie beim Küstenschutz ist darauf ausgerichtet, alle Hauptdeiche so sicher zu machen, dass sie dem zu erwartenden höchsten Tidehochwasser widerstehen und das geschützte Gebiet vor allen Sturmfluten bewahren können. Daher wird bei allen Nacherhöhungen der Hauptdeichlinie das o. g. Vorsorgemaß von 50 cm berücksichtigt. Dieser Wert ergibt sich aus dem bisherigen Trend des Tidehochwasser-Anstiegs am unbeeinflussten Nordseepegel Norderney-Riffgat und dem Zuschlag von 25 cm für den Klimawandel. Bei Bauwerken in der Deichlinie wird die Gründungsstatik schon heute so bemessen, dass im Regelfall eine spätere Nacherhöhung dieser Bauwerke um bis zu einen Meter erfolgen kann. Es ist davon auszugehen, dass auch bei einem verstärkten Anstieg genügend Reaktionszeit für eine weitere Anpassung der Küstenschutzanlagen bleibt.

Mit zunehmender Höhe der Bemessungswasserstände nehmen aber auch die Risiken für das geschützte Hinterland zu. Es kann nie gänzlich ausgeschlossen werden, dass bei Extremereignissen die Wellen in Teilbereichen den Deich überspülen oder es gar zu einem Deichbruch kommt. Die höheren Wasserstände führen dann naturgemäß dazu, dass ein immer weiträumigerer Bereich von der Überflutung betroffen sein kann.

Ein wirksames Mittel zur Reduzierung dieser Gefährdung kann an geeigneten Stellen langfristig die Errichtung oder Ertüchtigung einer zweiten Deichlinie sein. Mit relativ geringfügigen Mitteln könnten mit ihr Überflutungen räumlich begrenzt und die Sturmflutsicherheit im Küstenraum deutlich verbessert werden (doppelte Sicherheit). Diese Vorsorgemaßnahme wurde bereits von einigen Deichverbänden in Teilbereichen umgesetzt.

Küstenschutz   Bildrechte: NLWKN

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.04.2014

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