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Antwort auf die mündliche Anfrage: Wie steht die Landesregierung zu Braun- und Steinkohle?

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD werden konventionelle Kraftwerke, die mit Braun- und Steinkohle oder mit Gas betrieben werden, als „auf absehbare Zeit unverzichtbarer Teil des Energiemixes“ bezeichnet.

SPD und Grüne haben in ihrer Koalitionsvereinbarung in Niedersachsen dagegen festgelegt, dass „konventionelle fossile Kraftwerke zur Abdeckung von Spitzenlast oder industriellen Prozessen nur noch genehmigt werden, wenn der Wirkungsgrad mindestens 55 Prozent erreicht“.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das Bekenntnis von CDU, CSU und SPD zu Braunkohle und Steinkohle als „auf absehbare Zeit unverzichtbarer Teil des Energiemixes“?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des brandenburgischen SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Freese, der das Bekenntnis zur Kohle mit den Worten „Es geht hier nicht nur um die Umwelt, es geht auch um Geld“ verteidigte?

3. Welchen Stellenwert für den derzeitigen Energiemarkt misst die Landesregierung der Kohle bei?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkungen:

In Ihrer Politik orientiert sich die Landesregierung am Interesse Niedersachsens. Entsprechend verfolgt sie eine nachhaltige Politik und setzt sich aktiv für den Klimaschutz ein. Dadurch leistet sie ihren Beitrag die Klimafolgen beherrschbar zu halten. Entsprechend strebt sie an, die Energieversorgung langfristig zu 100-Prozent auf erneuerbare Quellen umzustellen, und nicht nur aus der Kernenergie, sondern langfristig auch aus der Verstromung von Öl, Braunkohle, Steinkohle und Gas auszusteigen.

Niedersachsen ist Vorreiter beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Es setzt sich für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren ein. Dabei hat die Landesregierung die Versorgungssicherheit, die Bezahlbarkeit und die Umweltverträglichkeit der Energieversorgung im Blick.

In Niedersachsen ist ein Braunkohlekraftwerk mit einer Netto-Nennleistung von 352 MW im Betrieb. Das entspricht knapp 1,7 Prozent der gesamten in Deutschland installierten Netto-Nennleistung der am Stichtag 16.10.2013 in der Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) verzeichneten Braunkohlekraftwerke. Zum selben Zeitpunkt betrug die Netto-Nennleistung der in Niedersachsen betriebenen Steinkohlekraftwerke insgesamt 2.150 MW entsprechend 8,6 Prozent der Netto-Nennleistung aller in Deutschland am Netz befindlichen Steinkohlekraftwerke. Ein weiteres Steinkohlekraftwerk mit einer Leistung von 800 MW ist in Wilhelmshaven auf dem Rüstersieler Groden im Probebetrieb.

In 2013 stammten knapp 60 Prozent der in Deutschland erzeugten Strommenge aus Anlagen, die Elektrizität aus fossilen Energieträgern gewinnen. Knapp 20 Prozent der Stromerzeugung basierte auf Steinkohle rund ein Viertel auf Braunkohle. Der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Elektrizitätserzeugung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Betrug er im Jahre 2000 lediglich 6,6 Prozent, erreichte er 2013 eine Höhe von 23,4 Prozent. Der Anteil der Erneuerbaren liegt im Windland Niedersachsen traditionell deutlich höher. Genaue Zahlen für 2013 liegen derzeit nicht vor.

Aktuell bestehen in Norddeutschland keine Engpässe bei den Erzeugungskapazitäten. Zudem bietet das europäische Verbundnetz zusätzliche Versorgungssicherheit. Entsprechend handelt es sich bei Kraftwerksneubauten in Niedersachsen gleichsam um Ersatzinvestitionen, die gegenüber Altanlagen bestehen müssen. Vor diesem Hintergrund hält es die Landesregierung für angemessen und richtig, konventionelle fossile Kraftwerke zur Abdeckung der Spitzenlast oder industrieller Prozesse nur noch zu genehmigen, wenn deren Wirkungsgrad mindestens 55 Prozent beträgt.

Die Landesregierung setzt sich für einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und Energiesparen ein. Zudem wirbt sie dafür, den europäischen Treibhausemissionshandel zu reformieren, die Menge der Treibhausgasemissionszertifikate zu verringern und einen Mindestpreis für die Zertifikate einzuführen. Der Treibhausgasemissionshandel soll für eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes sorgen und zu Investitionen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes anregen. Moderne Gaskraftwerke mit hohen Wirkungsgraden und Wärmenutzungskonzepten, die gemessen an der Energieproduktion einen deutlich geringeren Ausstoß klimaschädlicher Gase aufweisen als Braunkohle- aber auch Steinkohlekraftwerke, müssen wieder wirtschaftlich werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die Landesregierung ist sich der aktuellen Bedeutung der Nutzung von Braun- und Steinkohlekraftwerken bewusst. Genauso ist sie sich der Notwendigkeit bewusst, den Anteil der verstromten fossilen Energieträger kurz-, mittel- und langfristig zu reduzieren.

Zu 2:

Die Energiewende kann nur schrittweise umgesetzt und auch nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn sie für die Wirtschaft und die Verbraucher bezahlbar bleibt. Daher ist aus Gründen der Versorgungssicherheit die Stromproduktion aus Kohle ein derzeit noch notwendiger Baustein der Stromerzeugung.

Je weiter die Folgen des Klimawandels sichtbar werden, desto stärker wird jedoch der Druck zunehmen die Stromproduktion aus fossilen Energieträgern zurückzufahren und zu beenden. Dabei wird insbesondere die Verstromung klimaschädlicher Braunkohle in den Fokus geraten.

Zudem müssen neben den aktuellen Kosten der Stromproduktion auch die nicht internalisierten Kosten für Klimafolgen und Umwelt einbezogen werden.

Insoweit geht es auch nach Auffassung der Landesregierung bei der Umsetzung der Energiewende nicht nur kurzfristig um „Geld“, sondern auch um die langfristigen Auswirkungen der Kohleverstromung für Klima, Umwelt und künftige Generationen.

Zu 3:

Im heutigen Versorgungssystem nehmen flexible, moderne Kohlekraftwerke wie auch Gaskraftwerke wichtige Funktionen wahr. Sie liefern Blindleistung und Regelenergie und stehen für Redispatch - Maßnahmen zur Verfügung. Da sie dargebotsunabhängig Strom liefern können, sind sie derzeit noch für die Versorgungssicherheit erforderlich. In dem Maße, wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen mehr und mehr Systemdienstleistungen übernehmen, an Schwarzstartfähigkeit gewinnen und Speicher die Backup - Funktionen von konventionellen Kraftwerken übernehmen, wird die Bedeutung von Kohlekraftwerken abnehmen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.01.2014

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