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Antwort auf die mündliche Anfrage: Wie steht die Landesregierung zum geplanten Wertstoffgesetz? (Teil 1)

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) geantwortet.

Vorbemerkung der Abgeordneten

Im Juni 2015 haben sich die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag auf Eckpunkte für ein Wertstoffgesetz geeinigt. Diese umfassen u. a. höhere Recyclingquoten und die Erweiterung der Produktverantwortung. Niedersachsen schloss sich hingegen zusammen mit den Ländern Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen einer Initiative des baden-württembergischen Umweltministeriums an (Beschluss der Landesregierung Baden-Württemberg vom 30. Juni 2015), welche im Gegensatz zu den vereinbarten Eckpunkten steht. Während die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD für die künftige Bewirtschaftung der Wertstoffe aus privaten Haushaltungen ein „grundsätzlich privat organisiertes System“ befürworten, soll bei diesem Konzept die Erfassung von Verpackungen und sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen ganz auf die Kommunen übertragen und nur die anschließende Sortierung und Verwertung dieser Wertstoffe von einer neu zu schaffenden zentralen Stelle ausgeschrieben werden, was dazu führen würde, dass die bisherigen Dualen Systeme abgeschafft würden. Dadurch entstünde ein „Sammelmonopol“ für die öffentliche Hand auf Kosten der bisher tätigen privatwirtschaftlichen Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze.

1. Inwieweit ist bei dem „bundesweit einheitlichen Kostenmodell“ gewährleistet, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht zusätzlich mit kommunalen Abfallgebühren für die Wertstofferfassung belastet werden?

2. Inwiefern und in welcher Höhe würde eine kommunale Entsorgung nach dem Muster der klassischen kommunalen Wertstoff- und Abfallsammlung die Gebührenzahler tatsächlich entlasten?

3. Welche Auswirkungen hätte die Übertragung der Erfassungszuständigkeit für Verpackungsabfälle auf die Beschäftigten beziehungsweise die Arbeitsplätze in den Betrieben der privaten Recyclingwirtschaft?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkung der Landesregierung

Seit mittlerweile vielen Jahren wird die Schaffung eines Wertstoffgesetzes diskutiert. Ein solches Gesetz soll die Verpackungsverordnung ablösen und nicht nur Verpackungen, sondern alle sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen wie z.B. Kinderspielzeug und Küchengerätschaften wie Bratpfannen oder Plastikschüsseln, gemeinsam erfassen und verwerten. Im Zuge dessen müssen die bestehenden Verwertungsquoten deutlich erhöht werden. Ziel ist es, ein besseres und innovativeres Recycling mittels ambitionierter, qualitativ hoher Verwertungsquoten zu erreichen, die Produktverantwortung zu stärken, den Vollzug zu vereinfachen und die kommunalen Interessen genauso wie den Wettbewerb von privaten Anbietern zu wahren.

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Finanzierungsproblemen der Systeme. Während die erfassten Verpackungsmengen leichte Zuwächse verzeichneten, ging die Menge der Verpackungen, für die ein Lizenzentgelt zu entrichten wäre, deutlich zurück.

Die Krise der dualen Systeme hatte sich im ersten Halbjahr 2014 dramatisch zugespitzt. Dies führte dazu, dass der Bund die Ausnahmeregelungen der Verpackungsverordnung zur Eigenrücknahme im Rahmen der 7. Novelle der Verpackungsverordnung (VerpackV) abschaffte und die Rahmenbedingungen für Branchenlösungen verschärfte. Die Notwendigkeit, die 7. Novelle der Verpackungsverordnung anzugehen bestand letztendlich darin, dass „das offenbar zunehmende Nutzen von Schlupflöchern im Bereich der so genannten Eigenrücknahme und Branchenlösungen das Erfassungssystem insgesamt zu destabilisieren droht“ (BR-Drs. 244/14 v. 06.06.2014).

Aufgrund der immer umfangreicheren Trickserei bei der haushaltsnahen Verpackungsentsorgung zog der Marktführer Duales System Deutschland GmbH (DSD) für sich die Notbremse. DSD kündigte die Verträge bei der „Gemeinsamen Stelle“ der Dualen Systeme. Der Streit um die Mengenmeldungen an die Clearingstelle schwelt zwischen den Systembetreibern seit Jahren und war und ist Gegenstand einiger juristischer Verfahren. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen dass allein in 2014 Finanzierungslücken von über 50 Mio. Euro für die „Entsorgung“ der Gelben Tonnen und der Gelben Säcke existierten. Eine Finanzierung war nur möglich, indem große Einzelhandelskonzerne eine Finanzspritze von über 20 Mio. zur Verfügung gestellt haben, um die Finanzierung der Verpackungsentsorgung überhaupt zu sichern. Seinerzeit wurden Szenarien erörtert, wie im Rahmen einer Ersatzvornahme durch die Kommunen die „Entsorgung“ nicht abgeholter gelber Säcke sichergestellt werden kann.

Mit der 7. Novelle wurde eine „Notoperation“ durchgeführt. Mit der Einschränkung von Branchenlösungen und der Streichung der Eigenrücknahme wurde der Versuch unternommen, die gravierenden Fehlentwicklungen weitgehend einzuschränken.

Die bisherige Pflichtmitgliedschaft der Dualen Systeme in einer von ihnen selbst getragenen „gemeinsamen Stelle“ und die damit verbundene weitgehende freiwillige Selbstkontrolle des Oligopols der Dualen Systeme (Mengenmeldung, Feststellung der Marktanteile, Kostenaufteilung, Vertragsabreden usw.) haben sich nicht bewährt.

Es ist an der Zeit für eine Partizipation der Kommunen an der Wertstofferfassung. Man kann den Kommunen nicht – wie im Arbeitsentwurf des Wertstoffgesetzes geplant - die überlassungspflichtigen stoffgleichen Nichtverpackungen entziehen und sie zum Dank dafür als Zaungäste des Wertstoffgesetzes draußen lassen.

Bei den nachfolgenden Antworten wird - neben den genannten Eckpunkten - auch auf den seit Oktober 2015 vorliegenden Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Bezug genommen.

Der Standpunkt der niedersächsischen Landesregierung kommt im Übrigen durch den gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 14.12.2015 – LT Drs. 17/4841 – zum Ausdruck.

1. Die bestehenden Gebührenregelungen für Hausmüll (Abfallgebühren) werden durch die angestrebte Regelung einer Produkt(finanz)verantwortung der Hersteller für Verpackungen und Stoffgleiche Nichtverpackungen (StNV) nicht berührt.

2. Wie zu 1. ausgeführt werden die Gebührenregelungen für Hausmüll durch das Wertstoffgesetz nicht berührt. Ein Entlastungspotenzial wird jedoch in einem anderen Bereich gesehen. Anlässlich einer in 2012 vom Bundeskartellamt durchgeführten „Sektoruntersuchung duale Systeme“, wurde deutlich, dass den operativen Entsorgungskosten bei der Verpackungsentsorgung von ca. 820 Mio. Euro im Jahr Lizenzumsätze der Systembetreiber von ca. 940 Mio. Euro im Jahr gegenüberstehen. Allein die Existenz der Systembetreiber kostet den Verbraucher demnach ca. 120 Mio. Euro im Jahr. Dies ist ein Einsparpotential, was bei Abschaffung der Dualen Systeme den Verbrauchern zu Gute kommt.

3. Die Organisationsverantwortung liegt bei den Kommunen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede Kommune die Erfassung selbst durchführen muss. Auch in Zukunft werden sich die Kommunen, die nicht selbst Erfassen, von einer Ausschreibung (wie bisher bereits in der kommunalen Abfallwirtschaft praktiziert) für die Erfassung der Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen aus privaten Haushalten Gebrauch machen. Unmittelbare Auswirkungen auf die Betriebe und damit auf die Arbeitsplätze in den Entsorgungs- bzw. Transportunternehmen sind derzeit nicht erkennbar.

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.01.2016

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