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erstellt am:
13.12.2013
HANNOVER. Umweltminister Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Axel Miesner, Martin Bäumer, Ernst-Ingolf Angermann, André Bock, Helmut Dammann-Tamke, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ansgar Focke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Ulf Thiele und Lutz Winkelmann (CDU) geantwortet.
Die Abgeordneten hatten gefragt: SPD contra Grüne in der Energie- und Klimapolitik?
Der ehemalige niedersächsische SPD-Vorsitzende und heutige Wirtschaftsminister im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen, Garrelt Duin, führt in einem Interview mit der Wirtschaftswoche vom 21. Oktober 2013 aus: „Wir dürfen nicht alles dem Klimaschutz unterordnen“. Des Weiteren teilt er mit: „… dass wir alle derzeit vorhandenen fossilen Kapazitäten brauchen. Da zudem alte Kraftwerke eingemottet werden, sind neue nötig.“
In der darauf folgenden Ausgabe der Wirtschaftswoche vom 28. Oktober 2013 bewertet der NRW-Umweltminister, Johannes Remmel, die Aussagen seines Ministerkollegen mit folgenden Worten: „Das ist der falsche Weg.“ In der gleichen Ausgabe wird das Interview von Minister Remmel in dem Artikel „Koordinierter Bruch“ von den Autoren Konrad Fischer, Max Haerder und Cordula Tutt mit folgendem Satz kommentiert: „Sein“ „Kontrahent im Kabinett, Umweltminister Johannes Remmel (Grüne), holt zum umfassenden Gegenschlag aus“.
Bereits in der Ausgabe August/2013 der Neue Energie fordert NRW-Minister Duin (SPD) eine weniger strenge Auslegung bei der Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage. Dort ist er mit folgendem Satz zitiert: „Nach sorgfältiger Prüfung sind wir der Ansicht, dass das Bafa“ (Anmerkung: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) „die zugrunde liegenden Vorschriften unnötig eng ausgelegt hat.“
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung die Absicht des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers, neue Kraftwerke auf Basis fossiler Brennstoffe zu ermöglichen?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Position des nordrhein-westfälischen Umweltministers, dieses sei der falsche Weg?
3. Wie bewertet die Landesregierung die Position des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministers, dass die Bafa „die zugrunde liegenden Vorschriften“ (bei der Befreiung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage) „unnötig eng auslegt“?
Stefan Wenzel, der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Vorbemerkungen:
Ziel der Landesregierung ist eine sichere, bezahlbare und umwelt- sowie klima-freundliche Energieversorgung. Langfristig ist dieses Ziel mit einer Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen zu realisieren. Bis der Ausbau der Erneuerbaren soweit fortgeschritten ist und andere Flexibilitäten wie Speicher in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, sind insbesondere flexible konventionelle Backup-Kraftwerke erforderlich. Sie stellen die Versorgungssicherheit zusammen mit den erneuerbaren Kapazitäten sicher.
Durch den Ausbau Erneuerbarer Energien nehmen die Erzeugungskapazitäten zu. Zugleich findet ein Abbau von konventionellen Erzeugungskapazitäten statt, die nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Zudem befinden sich einige konventionelle Kraftwerke am Ende ihres Lebenszyklus und werden zum Teil durch Neubauten mit höherem Wirkungsgrad und weniger Schadstoffausstoß ersetzt. Stilllegungen sind in jedem Fall bei der Bundesnetzagentur anzuzeigen. Falls ein Kraftwerk, das stillgelegt werden soll, als systemrelevant eingestuft wird, verbleibt es am Netz, so dass die Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt gewährleistet werden kann.
In den Jahren 2012 und 2013 wurden in Niedersachsen die 1972 und 1973 in Betrieb genommenen Gaskraftwerke in Emden und Landesbergen seitens des Betreibers Statkraft in die unternehmensinterne Kaltreserve überführt. Die beiden Kraftwerke wurden von der Bundesnetzagentur nicht als systemrelevant eingestuft, da in Norddeutschland derzeit ausreichend Erzeugungskapazitäten vorhanden sind. Ein regionaler Mangel an Erzeugungskapazitäten besteht hingegen in Süddeutschland. Dieser kann aufgrund derzeit noch fehlender Übertragungskapazitäten nicht vollständig aufgefangen werden, weshalb insbesondere im süddeutschen Raum und im angrenzenden Ausland auf Basis der Reservekraftwerksverordnung Reservekraftwerkskapazitäten kontrahiert wurden. Mittelfristig wird dieses Problem durch den Ausbau der Übertragungsnetzkapazitäten beseitigt werden.
Auch bezogen auf den europäischen Binnenmarkt für Strom besteht derzeit kein Mangel an Erzeugungskapazitäten. So geht der Zusammenschluss der Europäischen Strom-Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) in seinem am 28.11.2013 veröffentlichten Report davon aus, dass auch unter schlechten Wetterbedingungen ein Kapazitätsüberschuss von 43 GW in Europa besteht. Womit allerdings regionale Engpässe nicht automatisch ausgeschlossen sind, die dann aber durch den Ausbau des Netzes und von Grenzkuppelkapazitäten behoben werden können.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Mit Stand 16.10.2013 umfasst die Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur Erzeugungsanlagen mit einer Netto-Nennleistung von insgesamt 183,4 GW (ohne endgültig stillgelegte Anlagen). Hiervon entfallen 80,8 GW auf erneuerbare Energieträger. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat im Herbst 2013 die Stilllegung von zwölf Kraftwerksblöcken genehmigt. Ihre Abschaltung ist aus Sicht der BNetzA unproblematisch, da sie nicht systemrelevant sind. Diese zwölf Kraftwerke liegen im Norden Deutschlands. Insgesamt lagen der BNetzA am 18.11.2013 laut Kraftwerksstilllegungsanzeigeliste 26 Stilllegungsanzeigen sowie vier weitere Stilllegungsanzeigen, deren namentlicher Benennung die Betreiber nicht zugestimmt haben, vor. Deren Leistung beträgt soweit bekannt rund 7000 Megawatt. Die fünf in der Liste von den Übertragungsnetzbetreibern als systemrelevant bezeichneten Kraftwerke liegen allesamt im süddeutschen Raum. Der heutige Kraftwerkspark erfordert jedoch auch Ersatzinvestitionen. Gefordert sind dabei flexible Kraftwerke, die auf Lastschwankungen reagieren können und vergleichsweise wenig Treibhausgase ausstoßen.
Zu 2:
Aus Gründen des Klimaschutzes ist es erforderlich, den Treibhausgasausstoß deutlich zu reduzieren. Aufgrund geringer Preise für CO2-Zertifikate rechnen sich derzeit allerdings klimaschädlichere Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke besser als vergleichsweise klimafreundliche Gaskraftwerke. Damit Investitionen in klimafreundlichere Technologien angeregt werden, setzt sich die Landesregierung für eine Verknappung der CO2-Zertifikate ein. Zudem hält sie die Einführung von Mindestpreisen für CO2-Zertifikate für überlegenswert.
Bis der Strombedarf jederzeit für alle Verbraucher mittels Erneuerbarer Energien gedeckt werden kann, sind konventionelle Kraftwerke zur Unterstützung und zur Absicherung des Transformationsprozesses der Energiewende erforderlich. Ersatzinvestitionen führen zu einer Modernisierung des Kraftwerksparks. Für das Klima wäre es nach Ansicht der Landesregierung von Vorteil, wenn die Investoren dabei auf klima-freundliche konventionelle Energieträger wie Erdgas setzten.
Zu 3:
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) begrenzt gemäß § 40 Satz 1 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) entsprechend der §§ 41 und 42 EEG auf Antrag für eine Abnahmestelle die EEG-Umlage, die von Elektrizitätsversorgungsunternehmen an Letztverbraucher, die stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem Stromverbrauch oder Schienenbahnen sind, weitergegeben wird.
Anlässlich der anstehenden Reform des EEG unterstützt die Landesregierung eine Überprüfung der Befreiungstatbestände im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung Sie verfolgt das Ziel, die Befreiungen von stromintensiven Industrien auf das erforderliche Maß zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit in internationalen Märkten zu begrenzen. Die Landesregierung sieht mit Sorge ein drohendes Beihilfeprüfungsverfahren der EU-Kommission. Sie hält es daher für erforderlich, dass künftige Regelungen im europäischen Kontext abgestimmt werden. Auch der Entwurf des Koalitionsvertrages zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene sieht bei der Besonderen Ausgleichsregelung eine Überprüfung der Privilegierung in den einzelnen Branchen und des Kostenbeitrags der privilegierten Unternehmen vor.
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erstellt am:
13.12.2013