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erstellt am:
17.04.2003
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010
Antwort des Niedersächischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander auf die dringliche Anfrage der Fraktion der SPD
PI 25/2003 Hannover.
In der vergangenen Woche habe ich die Grundzüge unserer Umweltpolitik für die aktuelle Legislaturperiode der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dabei bin ich unter anderem auch auf ein Thema eingegangen, das die politische Auseinandersetzung in Niedersachsen seit nunmehr über 25 Jahren vielfach kontrovers beschäftigt: Die Endlagerung radioaktiver Abfälle, für die ich – was den niedersächsischen Part angeht – seit meinem Amtsantritt vor genau einem Monat zuständig bin.
Dabei möchte ich gleich zu Anfang eines klarstellen: von "Wirrungen" um die Aufhebung des Erkundungsstopps in Gorleben oder gar der Einlagerung von Atommüll aus dem europäischen Ausland kann überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil: wir haben im Koalitionsvertrag zu diesem Thema von Anfang an klare Worte gewählt, und Herr Ministerpräsident Wulff hat diese klaren Aussagen in seiner Regierungserklärung aufgegriffen.
Wir haben deutlich gemacht, dass unsere Generation zu ihrer Verantwortung stehen muss, wenn es um die Nutzung der Kernenergie geht. Das bedeutet für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle, dass anstehende Probleme nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben werden dürfen, wenn sie heute gelöst werden können. Wir sind deshalb vor allem für eine Neuausrichtung der Strategie der Endlagerung radioaktiver Abfälle.
Dazu gehört als erstes die Abkehr von der so genannten Ein-Endlager-Strategie. Diese Strategie, die von der rot-grünen Bundesregierung erfunden wurde, ist rein politisch motiviert. Hier denken und handeln wir anders. Die Ein-Endlager-Strategie ist nach unserer Auffassung weder fachlich noch politisch zielführend.
Der wissenschaftliche Sicherheitsnachweis für das einzige Endlager, in das alle Arten und Mengen radioaktiver Abfälle, die es in Deutschland gibt und geben wird, untergebracht werden müssten, wäre ungleich schwieriger zu führen als zum Beispiel für das Endlager Konrad. Diese Meinung vertritt sogar der vom Bundesumweltminister eingesetzte Experten-Arbeitskreis AkEnd. Ich darf in Erinnerung rufen, dass bereits das Planfeststellungsverfahren Konrad, wo wir hervorragende geologische Barrieren vorfinden, fast zwanzig Jahre gedauert hat!
Schließlich ist das Endlager Konrad unter der von Herrn Gabriel geführten Landesregierung und mit Billigung des grünen Bundesumweltministers Trittin genehmigt worden. Erhebliche Summen sind hier schon investiert worden.
Wir stehen daher zu dieser Entscheidung, auch weil wir davon überzeugt sind, dass das Umweltministerium als Genehmigungsbehörde eine handwerklich ordentliche Arbeit abgeliefert hat, die auch vor den Gerichten Bestand haben wird. Deshalb sind wir für die Inbetriebnahme von Schacht Konrad auf sicherer Rechtsgrundlage.
Und nun zum Thema Gorleben:
Wir haben uns dafür ausgesprochen, dass es in Gorleben weiter geht, weil das von der rot-grünen Bundesregierung verhängte Moratorium keinen Sinn macht. Es macht politisch keinen Sinn, weil Sie, meine Damen und Herren in der Opposition, die Menschen im Wendland im Unklaren lassen wollen. Die Menschen vor Ort müssen wissen, woran sie sind, und sie dürfen nicht den Eindruck vermittelt bekommen:
macht Euch keine Sorgen, Eure Kinder und Enkel werden Eure Probleme schon lösen!
Es macht auch fachlich keinen Sinn, weil die Arbeiten der Wissenschaftler und Ingenieure, deren Qualität hohe Anerkennung verdient, aus politischen Gründen kurz vor dem Ziel unterbrochen worden sind. Und das, nachdem die bergmännisch schwierigste Aufgabe, nämlich das Abteufen der beiden Schächte, bereits gemeistert worden ist.
Die Bundesregierung selbst hat in der Konsensvereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen vom Juni 2001 erklärt, dass die bisher in Gorleben gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben nicht entgegenstehen.
Die dazu vom Bundesumweltministerium kreierten Fragestellungen sind abstrakter wissenschaftlicher Natur und können unabhängig vom Standort Gorleben bearbeitet werden.
Weiter machen in Gorleben heißt aber auch, und das ist mir ein besonders wichtiges Anliegen, ergebnisoffen. Dazu muss man wissen, dass die Erkundung in Gorleben schon von Anbeginn an ergebnisoffen erfolgt ist. Das heißt, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben als Endlagerstandort eben nicht gegeben hat und auch nicht geben kann, wenn weiter erkundet wird. Eine Entscheidung für oder gegen Gorleben kann erst erfolgen, wenn es dafür eine wissenschaftlich gesicherte Datenbasis gibt.
Der Zeitdruck für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle ist geringer als für die schwach- und mitteradioaktiven Abfälle. Alternativen zu Gorleben können sorgfältig und besonnen geprüft werden, denn die Sicherheit für die Menschen auf diesem sensiblen Gebiet hat absoluten Vorrang.
Für die Niedersächsische Landesregierung ist dabei aber auch eine Lastenteilung ein gewichtiges Argument.
Die Auswahlverfahren sollen transparent und nachvollziehbar sein, dürfen jedoch nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Verzögern, Verkomplizieren, Verhindern, das sind bei diesem Thema offensichtlich Grundprinzipien von Rot-Grün. Das wollen wir nicht! Wie eingangs schon ausgeführt, ist nach unserer Überzeugung die heutige Generation für ihre Hinterlassenschaften, auch für die sichere, zeitnahe und finanzierbare Entsorgung der radioak
tiven Abfälle verantwortlich. Ein zügiges Anpacken der heute lösbaren Probleme entspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit bedeutet auch Kompetenzerhalt für die heutige Generation und Wissenstransfer auf diejenigen, die nach uns die Verantwortung übernehmen werden.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.
Die Erkundung in Gorleben erfolgt ergebnisoffen. Eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt es daher nicht. Für die Fortsetzung der Erkundung und deren Auswertung im Hinblick auf den Eignungsnachweis für ein Endlager ist der Bund zuständig.
Zu 2.
Maßgebliche nationale und internationale Experten, auch in Beratungsgremien des Bundes, sind der Auffassung, dass für Deutschland die Errichtung eines Endlagers für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie eines weiteren Endlagers, das hochradioaktive Abfälle aufnehmen kann, sinnvoll ist. Die Landesregierung schließt sich dieser Auffassung an.
Zu 3.
Ziel der Landesregierung ist es, die Endlagerfrage zügig und verantwortungsbewusst zu lösen. Bei der Durchführung des dazu erforderlichen Auswahlverfahrens sind die Ergebnisse des AkEnd einzubeziehen.
Bei der Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gibt es aus technischen Gründen einen größeren zeitlichen Spielraum, so dass Sicherheitsaspekte und Handlungsalternativen angemessen berücksichtigt werden können.
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erstellt am:
17.04.2003
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010