Artikel-Informationen
erstellt am:
21.04.2006
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010
-Es gilt das gesprochene Wort –
Anrede,
die Ereignisse an der Elbe sowie die Nachrichten von der Donau machen klar,
• wie gewaltig die Macht des Wassers ist
• wie wichtig ein vernünftiger Hochwasserschutz ist
• was wir an der Elbe schon erreicht haben, wie hoch der Stand unseres Hochwasserschutzes ist,
• und wie viel in Europa noch zu tun ist.
Die ersten Meldungen vom Hochwasser der Elbe erreichten uns am 27.03.2006 vom Pegel Usti in Tschechien.
Ich habe Ihnen eine Abbildung der gesamten Flussgebietseinheit Elbe ausgehändigt. Anders als in den vergangenen Jahren flossen dieses Jahr aus allen Teileinzugsgebiete von Moldau, Saale, Havel etc., gleichzeitig große Wassermassen in die Elbe.
Der Hochwasser-Scheitel in Dresden war deutlich niedriger als im Jahre 2002. Er lag rund 2 Meter unter dem damaligen Stand. Deshalb gingen alle Prognosen – die selbstverständlich von stabilen Deichen ausgingen – zu diesem Zeitpunkt auch von niedrigeren Wasserständen bei uns aus. Doch die Eigenhochwasser der Nebenflüsse, die sich vor und auf das Elbehochwasser setzten, führten dazu, dass die Welle im Unterlauf schneller und höher eintrat als zu Beginn prognostiziert.
Am 30.03.2006 hat unser Landesbetrieb, NLWKN, – aufgrund der Vorhersagen der Hochwasservorhersagezentrale Elbe in Magdeburg zum Pegel Neu Darchau – eigene Berechnungen für Hitzacker angestellt. NLWKN prognostizierte für den 09.04.2006 einen Wasserstand von 7,20 m. Die Überflutung der Altstadtinsel Hitzacker war demnach ab dem 06.04. zu erwarten. Diese Prognose wurde zeitgleich auch an die Landkreise Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Winsen-Luhe, die Polizeidirektion Lüneburg und ebenfalls an die betroffenen Deichverbände weitergeleitet. Diese Werte wurden in Klammern gesetzt, weil eine Prognose über einen so langen Zeitraum als sehr unsicher einzustufen ist. Aber jeder in der Region weiß, dass die Altstadt von Hitzacker ab einem Pegelstand von 6,10 m überflutet wird. Also waren sofort Vorkehrungen zu treffen, dies muss auch den Behörden und Verbänden klar gewesen sein.
Lassen Sie mich zuerst bei den Prognosen bleiben:
• Der Bund ist zuständig für die Pegel der Bundeswasserstraße Elbe.
• Die Bundesländer sind zuständig für die Hochwassermeldungen.
• Die Landkreise und Verbände sind zuständig für die Gefahrenabwehr bei Hochwasser.
Da auch schon beim August-Hochwasser 2002 die Vorhersagen erheblich differierten, wurde beschlossen, eine gemeinsame Hochwasser-Vorhersagezentrale einzurichten. Diese Aufgabe wird seitdem von der Hochwasservorhersagezentrale Elbe in Magdeburg wahrgenommen.
Diese verwendet für ihre Prognose das neue Wasserstandsvorhersagemodell Elbe (WAVOS Elbe). Es ist provisorisch am 13.02.2006 in Betrieb genommen worden, da noch nicht alle Grundlagedaten für das gesamte Elbegebiet vorliegen. Ich gehe davon aus, dass es endgültig noch in diesem Jahr eingeführt werden kann.
Das Land Niedersachsen hat über seinen Landesbetrieb NLWKN seit dem 28.03.2006 täglich die tatsächlichen Pegelstände der Vorhersagezentrale Elbe mit den Prognosen für die nächsten Tage an den bereits oben erwähnten Verteiler-Kreis weitergeleitet.
Die Pegelmessstelle Neu Darchau ist für uns ausschlaggebend. Von dieser Messstelle kann auf die Prognosewerte für andere Pegel - zum Beispiel in Hitzacker - geschlossen werden.
Ich habe Ihnen eine Tabelle ausgehändigt, anhand der Sie die täglich von uns gemeldeten zu erwartenden Pegelstände mit den tatsächlich eingetretenen Pegelständen vergleichen können.
Prognose und tatsächlich eingetroffene Pegelstände schwanken um 2-5 cm!
Wobei ich eins auch gleich feststellen möchte: Prognosen, die über den Zeitraum von 4-5 Tagen hinausgehen, sind wegen großer Unwägbarkeiten nur begrenzt aussagekräftig (Ich sage nur Wetter, Wind und Regen).
Dann gab es aber zwei unerklärliche Sprünge. Die Prognose vom 03.04. sagte für den 04.04.06 am Pegel Neu Darchau einen Stand von 5,55 m voraus, tatsächlich aber stieg der Pegel auf 5,69 m. Für den 05.04.06 waren dann 6,10 m prognostiziert (also die für Hitzacker kritische Höhe), tatsächlich erreichte der Wasserstand 6,33 m. Das bedeutete, dass das Hochwasser die Altstadt von Hitzacker einen Tag früher überflutete als vorausgesagt.
Da danach die Prognosen wieder wie zuvor eine tolerierbare Differenz von 2-5 cm aufwiesen, mussten wir nach Ursachen forschen.
Ich sagte Ihnen schon, dass die Wasserstände aller Nebeneinzugsgebiete dieses Jahr sehr hoch waren. Das galt auch und besonders für die Havel.
Die Wehrgruppe Quitzöbel wurde 1936 gebaut, um bei Hochwasser den Rückstau der Elbe in die Havel zu regulieren. Zum Ausgleich wurden später entsprechende Flutungspolder geschaffen. 2002 konnte durch Flutung dieser Havelpolder der Hochwasser-Scheitel der Elbe um rund 40 cm gesenkt werden.
Dieses Jahr war das nicht möglich, da die Havel selber viel zu hoch stand und der Elbescheitel ungewöhnlich lang war. Dieses wurde uns auch auf meine Nachfrage rechtzeitig und nachvollziehbar von Sachsen-Anhalt mitgeteilt. Was uns aber nicht rechtzeitig erreicht hat, war die Mitteilung, dass am 04.04.06 das Wehr Quitzöbel geschlossen wurde.
Mit dem Ergebnis, dass die Elbe nicht mehr in den Havelschlauch entwässern konnte. Sie wurde in unsere Richtung schneller und höher.
Am 05.04. wurde der Vollabschluss des Wehres wieder aufgehoben und es erfolgte ein Abfluss aus der Havel in die Elbe.
Diese beiden Tage sind die Tage, bei denen es zwischen Prognosen und tatsächlichen Pegeln zu gravierenden Abweichungen gekommen war. Wie groß der Einfluss der Aufhebung des Havelstaus war und welche anderen Faktoren, wie Regen und Wind eine Rolle spielten, werden die Experten jetzt analysieren.
Uns aber in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, unsere Hochwassermeldungen seien unseriös, weise ich ausdrücklich zurück! Auf Grund der uns zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Informationen waren andere, zutreffendere Prognosen nicht möglich.
Den Eindruck, der an der ein oder anderen Stelle entstanden sein mag, wir würden Brandenburg oder Sachsen-Anhalt für die Höhe des Hochwassers verantwortlich machen, ist falsch. Ich erlaube mir aber darauf hinzuweisen, dass ohne Informationen Prognosen schief gehen und derartige Informationen in Zukunft besser unter den Ländern ausgetauscht werden müssen.
Am Donnerstag, den 06.04. habe ich mit dem Samtgemeindebürgermeister von Hitzacker Herrn Langen-Deichmann und dem Landrat von Lüchow-Dannenberg Herrn Aschbrenner telefoniert. Beide haben mir gegenüber erklärt, keine weitere Unterstützung zu benötigen.
Am Freitag, den 07.04. habe ich dann gegen ärztlichen Rat einen Krankenhausaufenthalt abgebrochen und mich – auch nach Rücksprache mit dem Innenministerium – als Vertreter der Landesregierung nach Hitzacker begeben, um mir einen Überblick über die Lage vor Ort zu verschaffen und mit den Verantwortlichen vor Ort zu sprechen. Keiner der Verantwortlichen vor Ort hat eine weitergehende Unterstützung durch die Landesregierung erbeten. Vielmehr wurde deutliche geäußert, dass man die Lage im Griff habe.
Seit dem Hochwasser im August 2002 werrden an der Elbe ausschließlich Maßnahmen zum Wiederaufbau von Hochwasserschutzanlagen realisiert. Hierfür stehen Mittel aus dem "Fonds Wiederaufbauhilfe" zur Verfügung, die entsprechend der gesetzlichen Zweckbestimmung verwendet werden. Da diese Mittel voraussichtlich für alle erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden aus dem Jahre 2002 nicht ausreichen werden, sind in der Vergangenheit zusätzlich Mittel aus dem EAGFL und dem EFRE eingesetzt worden. Im Zuge der neuen EU-Förderperiode wollen wir diese Praxis fortsetzen. Nach heutigem Stand gehe ich davon aus, dass wir damit die nötigen Maßnahmen finanzieren können:
1. Hitzacker
Um die Stadt Hitzacker mit den Ortslagen Serau, Kähmen und Streetz und auch die gesamte Jeetzelniederung bis hin nach Lüchow zu schützen, wurde schon seit 2002 geplant:
- der Bau eines Sieles und eines Schöpfwerks (22 Millionen Euro)
Mit den Vorbereitungen zum Bau wurde begonnen, die Betriebsfertigstellung soll Ende 2007 erfolgen.
- der Bau einer 938 m langen Hochwasserschutzwand (15 Millionen Euro)
Die Bauzeit beträgt mit Siel und Schöpfwerk zwei Jahre. Mit Gründungsarbeiten am Schöpfwerk wurde noch vor dem Hochwasser begonnen. Wieweit Schäden eingetreten sind wird sich zeigen, wenn das Wasser abgeflossen ist.
Sie wissen um die Streitereien vor Ort um den Bau der Schutzmauer. Darum gab es am Dienstag dieser Woche auf meine Initiative hin eine Besprechung mit allen Betroffenen, mit dem Ziel, die Hochwasserschutzanlage sobald wie möglich zu bauen
Die Kläger gegen die Pläne haben zugesagt, die Gerichtsverfahren auszusetzen und die Planungsbehörden nicht am Betreten ihrer Grundstücke zu hindern. Im Gegenzug soll die Schutzmauer in zwei Varianten ausgeschrieben werden, so dass später über die endgültige Gestaltung entschieden werden kann. Das Ausschreibungsverfahren soll innerhalb von fünf Monaten abgeschlossen sein!
- ca. 63 km Jeetzeldeiche werden erneuert (26 Millionen Euro), mit dem ersten Bauabschnitt Dannenberg-Soven wird in diesem Jahr begonnen.
2. Insel Laasche
In 2005 wurden hier 400 m Deich gebaut. In diesem Jahr werden 700 m dazukommen. Wir werden alles tun, um das Planfeststellungsverfahren zeitnah abzuschließen und ich hoffe, dass der Plan dann gemeinsam mit den Bürgern umgesetzt werden kann.
Die Haushaltsmittel von 2,0 Millionen Euro stehen hierfür zur Verfügung.
3. Bereich Seege
Im Bereich der Seege liegt ein Planfeststellungsantrag für die rechtsseitigen Deiche vor (6,17 Mio. €). Ich gehe davon aus, dass mit dem Bau noch dieses Jahr begonnen werden kann und die Fertigstellung 2008 erfolgt.
4. Bereich Amt Neuhaus
Im Amt Neuhaus sind von 44,3 km Elbdeich 31,7 km seit wiederhergestellt. Der fehlende Abschnitt von Neu-Garge bis Mahnkenwerder (26,5 Mio. €) wird in diesem Jahr begonnen und bis zum Jahre 2008 fertig gestellt.
Im Bereich der Samtgemeinde Bleckede, Alt Wendischthen, konnten aus Mitteln des Aufbaufonds keine Hochwasserschutzanlagen finanziert werden, da uns dies vom Bundesrechnungshof untersagt worden war.
Eine Finanzierung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe oder aus EU-Mitteln wird zurzeit in meinem Haus geprüft.
Aufgrund der vom Bund angekündigten Kürzung der GA-Mittel (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes), stehen im laufenden Haushaltsjahr nur 8,12 Mio. € für Maßnahmen im Hochwasserschutz zur Verfügung. Ursprünglich hatten wir einen Haushaltsansatz für 2006 von 9,03 Mio. €.
Es wäre begrüßenswert, wenn sich die Fraktionen im Bundestag bis zur Verabschiedung des Haushalts im Juli 2006 noch mal Gedanken über die Kürzung der GA-Mittel machen würden.
Nachdem ich schon während der kritischen Phase am 05.04.2006 mit meinen Kollegen in Brandenburg und dem Staatssekretär in Sachsen-Anhalt telefoniert hatte, um eine Abstimmung herbeizuführen, habe ich alle Kollegen der Elbe-Anrainerländer sowie Bundesumweltminister Gabriel am 13.04.2006 angeschrieben.
Zum baldmöglichsten Termin soll eine Beratung stattfinden zu den Themen:
• Gemeinsames Gewässermanagement im Hochwasserfall
• Schaffung und Nutzung von Retentions- und Rückhalteräumen, Schaffung eines Krisenstabes im Hochwasserfall im Rahmen der Flussgebietseinheit Elbe
• Verzicht auf weiteren Ausbau der mittleren Elbe.
Vorantreiben will ich auch die Unterzeichnung des Staatsvertrages zur Nutzung der Havelpolder Quitzöbel. Schon im Herbst vergangenen Jahres hatte ich meinen Kollegen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt geschrieben und darauf gedrängt, endlich zu einem einheitlichen Entwurf zu kommen. Kernpunkte dieses Staatsvertrages ist die Einrichtung einer gemeinsamen Koordinierungsstelle zur Entscheidung von Überflutungsmöglichkeiten der Havelpolder und notwendiger Folgemaßnahmen beim Ablassen des Wassers.
Gestern wurde ein einheitlicher Entwurf auf Abteilungsleiter-Ebene erarbeitet, in den auf meinen Wunsch noch gemeinsame Maßnahmen für die Wehrbedienung bei Nichtflutung der Polder eingebracht wurden.
Ich möchte schließen mit einem Ausblick auf internationale Aktivitäten.
Im Rahmen der "Vereinbarung über die internationale Kommission zum Schutz der Elbe" werden wir hier gemeinsam mit den anderen Anrainern über weitere effektive Maßnahmen zum Hochwasserschutz verhandeln.
Die Hochwasserrichtlinie der EU ist dort sinnvoll, wo es sich um Regelungen für grenzüberschreitende internationale Gewässer handelt. Allein die Erstellung von Bestandsaufnahmen, Karten und Plänen bis ins kleinste Einzugsgebiet kostet viel Geld, was wir lieber in konkrete Hochwasserschutzmaßnahmen investieren sollten.
Wie zum Beispiel bei der von uns im Herbst initiierten Entbuschung. Ich nehme aber auch die weitergehenden Hinweise von Hochwasserexperten auf, die auf das Problem der verstärkten Sandablagerung im Deichvorland hinweisen.
Nach dem Elbehochwasser ist vor dem Elbehochwasser. Viele kleine und große und kluge Schritte sind auch künftig notwendig, damit gerade wir als Unterlieger für die Menschen an den niedersächsischen Flüssen bestmögliche Sicherheit gewährleisten können.
Anrede,
ich habe mich – unabhängig von den heftigen Vorwürfen der Opposition der vergangenen Tage – natürlich auch gefragt, ob nicht doch irgendwann und irgendwo insbesondere in meinem Geschäftsbereich gravierende Versäumnisse vorgelegen haben. Dies ist aber nicht der Fall: Die Überflutung der Altstadtinsel von Hitzacker war auf Grund der gegebenen Situation nicht zu vermeiden!
Für Rückfragen stehe ich Ihnen – auch nach der Ausschusssitzung – gerne zur Verfügung.
Artikel-Informationen
erstellt am:
21.04.2006
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010