1264~~undefined
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen klar Logo

Küstenschutz

Antwort von Umweltminister Hans-Heinrich Sander Auf die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Deichsicherheit und Grundsätze für den Küstenschutz


Pressemitteilung 96/2006

(Es gilt das gesprochene Wort)

Anrede,

der Küstenschutz war, ist und bleibt eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Wir werden deshalb auch in den kommenden Jahren die Deiche weiter verstärken, um die Menschen hinter den Deichen und die Kulturlandschaft zu schützen.

Die finanziellen Rahmenbedingungen verpflichten uns aber auch, immer wieder darüber nachdenken, wie wir den Küstenschutz unter Beachtung ökologischer Gesichtspunkte noch wirtschaftlicher gestalten können. Und natürlich haben wir uns dazu die 10 Grundsätze angesehen, die die damalige Landesregierung im Jahr 1995 zum Küstenschutz beschlossen hat. Denn dort sind Festlegungen getroffen worden, die technische und wirtschaftliche Aspekte einseitig ausgeblendet haben. Und mir ist bei vielen Terminen an der Nordseeküste von Experten und Praktikern immer wieder verdeutlicht worden, dass dadurch im Einzelfall verantwortungsvolle Abwägungen verhindert worden sind.

Die Landesregierung hat sich zu einer nachhaltigen Umweltpolitik verpflichtet, die die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Menschen gleichermaßen berücksichtigt. Dazu gehört auch die finanzielle Nachhaltigkeit. Da die Mittel auch für den Küstenschutz begrenzt sind, müssen wir sie so einsetzen, dass ein Optimum für die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen erreicht wird, ohne dabei den Umweltschutz auszublenden.

Anrede,

deshalb habe ich 2005 in Wilhelmshaven die Veranstaltung "Küstenschutz – naturverträglich und effizient" durchgeführt. Dabei haben wir den Modernisierungsbedarf mit Vertretern der Küstenregion, der Deichverbände, der Umweltverbände und mit weiteren Experten diskutiert. Der Landtag hat mit seinem Beschluss vom 17. Mai dieses Jahres die Landesregierung gebeten, die Küstenschutz-Grundsätze zu überprüfen und gegebenenfalls – auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit - fortzuentwickeln. Das ist inzwischen geschehen. Die entsprechende Fortschreibung hat die Landesregierung am 5. September beschlossen. Zuvor hat sie die bereits 1995 und 1999 am Thema beteiligten Verbände erneut beteiligt.

Anrede,

in der Diskussion um die Grundsätze für den Küstenschutz wird verschiedentlich der falsche Eindruck erweckt, nach der Fortschreibung würde der Naturschutz einseitig vernachlässigt. In der Dringlichen Anfrage wird sogar behauptet, Kleiabbau im Deichvorland und seeseitige Deichverstärkung würden der Regelfall. Das ist nicht richtig. Das ist Unsinn. Vielmehr stellen die neuen Grundsätze sicher, dass in Zukunft immer die technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Belange in jedem Einzelfall ergebnisoffen abgewogen werden können.

Zur Versachlichung der Debatte möchte ich die beschlossenen Veränderungen kurz darstellen:

Zunächst zum Grundsatz Nr. 2:

Die im Jahr 1995 von der damaligen Landesregierung gewünschte Bevorzugung der binnenseitigen Verstärkung der Deiche hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt.

Denn bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass in den zurückliegenden 10 Jahren Deichverstärkungen etwa in der gleichen Größenordnung binnen- wie auch außendeichs vorgenommen wurden. Es war daher selbstverständlich, die gegenwärtige Praxis in die neuen Grundsätze aufzunehmen. In Zukunft wird immer im Einzelfall entschieden, ob eine Verstärkung binnendeichs oder außendeichs erfolgt. So können Kostengesichtspunkte und Naturschutzbelange besser abgewogen werden. Zum Beispiel kann bei einer Verstärkung binnendeichs der Neubau der Deichverteidigungswege und der Entwässerung zu einer erheblichen Verteuerung der Maßnahme führen.

Besonders umstritten scheint der Grundsatz Nr. 8 zu sein: Dabei geht es um die Gewinnung des Kleibodens.

Der sollte nach den Grundsätzen aus dem Jahr 1995 im Regelfall im Binnenland gewonnen werden. In Zukunft sollen "Kleientnahmen grundsätzlich auch im Deichvorland möglich" sein. Das heißt, dass auch in Zukunft im Einzelfall zu entscheiden ist. Dabei sind ökologische, technische und wirtschaftliche Belange abzuwägen.

Aus Umweltsicht ist dabei auch zu berücksichtigen, dass Klei aus dem Binnenland vielfach weit von der Baustelle entfernt gewonnen werden muss. Das heißt, mit entsprechenden negativen Folgen für die Umwelt durch Lärm, Luftverschmutzung und Verkehr. Und das in einer Region, in der der Tourismus eine entscheidende Rolle spielt.

Anrede,

uns ist natürlich bewusst, dass eine Kleientnahme im Vorland die dortigen Lebensräume vorübergehend verändert.

An geeigneten Standorten kann die natürliche Wiederverlandung aber dazu führen, dass die Pütten in absehbarer Zeit wieder zuwachsen und in ökologischer Hinsicht mindestens gleichwertige Flächen entstehen. Erwähnen möchte ich dabei auch, dass jahrhunderte lang Klei fast ausschließlich aus dem Deichvorland gewonnen wurde. Eine sorgsame Anwendung im Einzelfall wird sicherstellen, dass der Natur insgesamt kein Schaden entstehen wird.

Anrede,

Schließlich wurde der Grundsatz Nr. 10 verändert. Nunmehr ist die extensive Nutzung der Deichvorländer (also durch Beweidung und Mahd) zur Verminderung des Treibselanfalls unter Berücksichtigung der ökologischen Belange möglich.

Anrede,

zusammenfassend ist festzustellen, dass mit den beschlossenen Änderungen zukünftig die technischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten bei Vorhaben des Küstenschutzes stärker berücksichtigt werden.

Das bedeutet nicht, - das möchte ich ausdrücklich betonen - dass die berechtigten ökologischen Belange vernachlässigt würden. Schließlich muss grundsätzlich bei den betroffenen Deichbaumaßnahmen eine FFH-Verträglichkeitsprüfung stattfinden.

Die Aspekte des Naturschutzes werden also in jedem Fall sorgsam und gewissenhaft berücksichtigt. Allerdings entfällt ein genereller Vorrang der ökologischen Belange. Denn zukünftig werden in jedem Einzelfall die ökologischen, technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen gleichrangig miteinander abgewogen. Vor dem Hintergrund des weiterhin erheblichen Investitionsbedarfs im Küstenschutz ist die verstärkte Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Belange ein Gebot sowohl der wirtschaftlichen Vernunft als auch nachhaltiger Umweltpolitik. Dieses Vorgehen ist gerade eine Voraussetzung dafür, dass auch künftige Generationen sicher im Schutze der Deiche leben können.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

zu Frage 1:

Die in der Frage aufgestellte Behauptung, die Landesregierung hätte sich bei der Fortentwicklung der Grundsätze für einen effektiveren Küstenschutz über den Beschluss des Landtages hinweggesetzt, trifft nicht zu. Vielmehr ist die Landesregierung der Bitte des Landtages gefolgt und hat die Grundsätze überprüft und - auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit - fortentwickelt. Dabei wurden Deich- und Umweltverbände beteiligt.

zu Frage 2:

Mit den fortentwickelten Grundsätzen wird weder gegen Naturschutzrecht noch gegen die Grundsätze für die Förderung von Küstenschutzmaßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz verstoßen. Im Übrigen werden für alle Kleientnahmen in dem Schutzgebiet nach vorheriger Prüfung FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen durchgeführt. Damit wird sichergestellt, dass keine EU- oder Bundesmittel für den Küstenschutz verloren gehen.

zu Frage 3:

Die Frage ist nicht nachvollziehbar.

Die Deichsicherheit zählt für die Landesregierung auch zukünftig mit zu den höchsten Prioritäten. Die Landesregierung wird niemals Maßnahmen durchführen, die eine Gefährdung der Menschen an der Küste nach sich ziehen könnten.

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.09.2006
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln