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Föderale Einigkeit an der Elbe: Bundesländer und Bund stärken Hochwasserschutz

Pressemitteilung Nr. 9/2008

Potsdam – Nach langen Verhandlungen ist heute in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam der "Staatsvertrag über die Flutung der Havelpolder und die Einrichtung einer gemeinsamen Schiedsstelle" unterzeichnet worden. Zur feierlichen Unterschrift kamen Sachsen-Anhalt Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt, Petra Wernicke, Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern, Hans-Heinrich Sander, Minister für Umwelt und Klimaschutz Niedersachsen, Dr. Dietmar Woidke, Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg sowie Thomas Menzel, Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost.

Der Staatsvertrag unterstreicht, dass Brandenburg und Sachsen-Anhalt sich gegenüber den besonders gefährdeten Unterliegern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, im Flutfall solidarisch zeigen. Im Gegenzug erkennen die begünstigten Länder ihre Verpflichtung zur Beteiligung an den Folgekosten an. Die Länder bilden eine allzeit bereite Koordinierungsstelle aus Experten, die die Entscheidung einer Polderflutung durch die zuständigen Minister in Brandenburg und Sachsen-Anhalt vorbereitet.

Vertraglich vereinbart ist auch, dass die Folgekosten von den Ländern gemeinsam und entsprechend dem jeweiligen Vorteil getragen werden. Langwierige Verhandlungen werden dadurch vermieden. Sollte es dennoch Unstimmigkeiten über die Höhe der Kosten geben, haben sich die Länder zusätzlich darauf verständigt, zur abschließenden Einigung eine gemeinsame Schiedsstelle unter Vorsitz eines Richters des Bundesverwaltungsgerichts zu bilden.

Bei Elbehochwasser sind in den Ländern bis zu 95.000 Einwohner und über 168.000 Hektar Land gefährdet. Bereits bei dem extremen Elbehochwasser 2002 sind zur Entlastung der Deiche die Havelpolder zwischen Havelberg und Rathenow geflutet worden. In einer gemeinsamen Kabinettssitzung beschlossen Brandenburg und Sachsen-Anhalt im November 2002 die Zusammenarbeit bei Hochwasserereignissen zu verbessern. Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen schlossen sich diesem Vorhaben an, an dem notwendigerweise auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes als Betreiber von zwei der vier Wehranlagen beteiligt wurde.

"Ich danke allen, die die langen Verhandlungen begleitet haben. Das Ergebnis ist nicht nur ein Erfolg für den Hochwasserschutz an der Elbe, sondern auch ein Erfolg für den Föderalismus in Deutschland", so Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke "In langwierigen, aber fruchtbaren Verhandlungen haben sich die Partner nunmehr auf klare Entscheidungswege und eine ausgewogene Kostenverteilung verständigt."

"Hochwasser kennt keine Ländergrenzen", sagte Sachsen-Anhalts Umweltministerin Petra Wernicke. "Das macht diesen Staatsvertrag so wichtig. Er ermöglicht rechtssicheres Handeln und einen fairen Interessenausgleich." Wernicke ergänzte: "Die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben 2002 beschlossen, begleitend zum Staatsvertrag ein Gutachten zur Optimierung der Havelpolderflutung zu erstellen. Die bald vorliegenden Ergebnisse werden wir konsequent umsetzen."

"Die Möglichkeit der Havelpolderflutung ist für mich unverzichtbarer Bestandteil unserer gemeinsamen Anstrengungen zum Schutz der Bevölkerung vor Hochwasser und seinen Folgen", unterstrich Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus: "Die nun durch Staatsvertrag gesicherte Mitwirkung an einer Flutungsentscheidung gibt uns die Möglichkeit, die operative Hochwasserabwehr in Mecklenburg-Vorpommern frühzeitig und besser als in der Vergangenheit auszurichten. Eine zügige Entscheidung zur Polderflutung kann uns im Einzelfall nicht nur sehr viel Aufwand, sondern auch Unruhe in der Bevölkerung ersparen, wenn beispielsweise Evakuierungen vermieden werden können. Dieser Vorteil wiegt nach unserer Überzeugung schwerer als die Folgekosten an den Flutungseinrichtungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. An deren Regulierung werden wir uns selbstverständlich entsprechend beteiligen. Den an der Ausarbeitung des Staatsvertrages Beteiligten sage auch ich herzlichen Dank."

Niedersachsens Umweltminister Sander betonte: "Insbesondere bei Hochwasser müssen sich die Länder an der Elbe aufeinander verlassen können. Im Ernstfall muss eine Hochwasserwelle gekappt werden, um die Menschen in den gefährdeten Gebieten zu schützen. Genauso wird Niedersachsen als Unterlieger weiterhin dafür sorgen, dass ein schneller Abfluss in die Nordsee erfolgen kann."

Erfahrungen aus dem Elbehochwasser 2002

Baut sich ein Hochwasser in der Elbe auf, wird die Mündung der Havel am Wehr Quitzöbel geschlossen und die Havel beginnt sich hinter den Wehren Neuwerben und Quitzöbel aufzustauen. Bis zu einem festgelegten maximalen Wasserstand am Pegel Havelberg-Stadt kann die Havelniederung mit ihren sechs Poldern – je drei in Sachsen-Anhalt und Brandenburg - bis zu 140 Mio. Kubikmeter Wasser zurückhalten. Erstmals kamen die Havelpolder während des Jahrhunderthochwassers an der Elbe im Jahr 2002 zum Einsatz. Die Öffnung des Wehres Neuwerben erfolgte am 20. August um 20 Uhr: Zunächst 660 Kubikmeter je Sekunde wurden in die Havelpolder umgeleitet. Hier erfolgte durch Sprengung die Flutung der Polder. Die erstmalige Flutung seit dem Bestehen der Havelpolder war ein voller Erfolg. Erhebliche Schäden und Belastungen am Unterlauf der Elbe wurden vermieden. Die Flutung der Havelpolder hat sich als absolut richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt erwiesen. In dieser Form waren die Polder vorher noch nie benutzt worden, so dass keine Erfahrungen vorlagen. Die Erwartungen wurden mit der Flutung übertroffen. Die maximale Absenkung des Wasserspiegels betrug gegenüber den Prognosen 52 Zentimeter und wirkte sich tagelang aus. Das Brandenburger Agrar- und Umweltministerium geht davon aus, dass nicht nur Gebiete in der Prignitz, sondern auch die flussnahen Regionen in Nord-Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern davon profitiert haben.

Die Richtigkeit dieser Annahme wird unter anderem dadurch belegt, dass der noch am 19. August für den 23. August prognostizierte Scheitelwasserstand von 7,30 Metern am Pegel Dömitz, immerhin 50 Zentimeter über dem Bemessungswasserstand der dortigen Hochwasserschutzanlagen, um 73 Zentimeter unterschritten wurde. Neben Deichbrüchen in Sachsen und Sachsen-Anhalt hat die Polderflutung daran einen nicht unwesentlichen Anteil.

Klare Entscheidungswege und Kostenteilung

Nach diesen Erfahrungen haben sich die Elbanrainer darauf verständigt, die Zusammenarbeit im Hochwasserfall auf eine vertragliche Grundlage zu stellen, um die Hochwassersicherheit für bis zu 95.000 Einwohner und über 168.000 Hektar Land deutlich zu stärken. Voraussetzung dafür ist ein koordiniertes Zusammenwirken der Länderexperten und der Wasserstraßenverwaltung. Zugleich bekennen sich die Länder zu einer Teilung der Kosten auch bei Entschädigungsleistungen in den Poldergebieten.

Nach Unterzeichnung des Staatsvertrages ist dieser noch im Wege von Landesgesetzen – so auch in Brandenburg – durch die Länderparlamente zu ratifizieren.

Artikel-Informationen

erstellt am:
06.03.2008
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010

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