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Rede von Umweltminister Hans-Heinrich Sander

zur "Aktuellen Stunde" im Niedersächsischen Landtag am 1. Juli 2008


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Asse II ist eine radioaktive Altlast, die die seit 1968 tätigen Vorgängerregierungen – unabhängig von ihrer jeweiligen parteipolitischer Zusammensetzung – geerbt haben. Die damalige Landesregierung aus CDU und FDP hat sich gegenüber dem Bund durchgesetzt: Die Asse wurde kein radioaktives Endlager, weil die Wissenschafter schon damals klar und deutlich erklärt haben, dass ein ausgebeutetes Salzbergwerk sich dafür nicht eignet.

Meine Damen und Herren,

danach haben unterschiedliche Landes- und Bundesregierungen diese Erblast übernehmen müssen. Vielleicht kann man sagen, dass das Thema nicht mit der Intensität behandelt wurde, wie es nach dem Kenntnisstand, den wir heute haben, hätte erfolgen müssen. Seit den 90er-Jahren sind Laugeneintritte und auch das Problem, dass diese Laugen mit radioaktiven Abfällen aus Forschungsreaktoren und mit medizinischen Abfällen, die dort gelagert wurden, in Kontakt kommen würden, bekannt.

Seit 2001/2002, Herr Kollege Jüttner, ist bekannt, dass überhöhte Messwerte festgestellt worden sind. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte das Landesbergamt bzw. die Vorgängergesellschaft des heutigen Helmholtz-Zentrums die Landesregierung als Aufsichtsbehörde darüber informieren müssen. Wie man uns heute darstellt, sind diese Laugeneinflüsse unterschiedlichster Art wieder zurückgegangen. Sie waren zeitweise nicht mehr vorhanden, traten später jedoch wieder auf.

Nachdem im Jahr 2005 erneut festgestellt worden ist, dass Laugeneintritte vorkommen, musste bei diesem sensiblen Thema das Helmholtz-Zentrum das Landesbergamt um eine Genehmigung bitten. Darüber besteht nach heutiger Kenntnis gar kein Zweifel. Dieses einzig unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr nach § 19 des Atomgesetzes zu behandeln, war leichtsinnig und fahrlässig. Das war und ist nicht hinzunehmen. Daher werden diese Fragen im juristischen Bereich in Zukunft auf jeden Fall anders behandelt werden müssen.

Der Vorfall an sich, der jetzt bekannt geworden ist, ist ein Skandal. Ich kann Ihre Worte nur wiederholen, Herr Kollege Jüttner. Aber mindestens ebenso schlimm und nicht akzeptabel ist es, dass man die Bevölkerung, das Parlament, die Regierung, die Aufsichtsbehörde nicht umfassend darüber informiert hat.

Meine Damen und Herren,

nun könnten wir über Schuldzuweisungen sprechen, auch darüber, wer damals in den 90er-Jahren Bundesratsminister und wer seit 1998 Bundesumweltminister war. All diese Fragen bringen uns aber nicht weiter. Klar und deutlich muss ich sagen: Erst mit der Großen Koalition war die Bundesforschungsministerin – denn sie ist die Ansprechpartnerin für die Asse – bereit, über das Thema zu sprechen. Ich kann Ihnen gern den Briefwechsel vom 14. Dezember 2004 auch mit ihrer Vorgängerin zur Verfügung stellen, in dem ich besonders auf das Problem hingewiesen habe, dass wir ein Informationszentrum brauchen, um die Bevölkerung zu informieren. Die Antwort hat lange auf sich warten lassen. In ihr gab es auch einen interessanten Vorschlag zur Finanzierung: Wir als Genehmigungsbehörde sollten die Hälfte der Kosten übernehmen.

Meine Damen und Herren,

wir haben dieses Problem jetzt erkannt. Hier muss ich den Bundesumweltminister Gabriel mit einbeziehen; denn er hat im letzten Jahr gemeinsam mit uns die Initiative ergriffen, Herr Kollege Oesterhelweg und Herr Kollege Bosse. Ich

habe nicht nur in Hedeper, sondern auch danach mit ihm diskutiert. Wir haben einen Fragenkatalog aufgestellt. Die Abhandlung dieser Fragen sollte zum Teil bereits erfolgt sein. Diese Fragen kann die Landesregierung oder die Aufsichtsbehörde nicht abhandeln; diese Fragen müssen vom Helmholtz-Zentrum gemeinsam mit dem Landesbergamt erörtert werden.

Meine Damen und Herren,

nachdem diese Vorgänge seit dem 12. Juni 2008 bekannt sind und am 18. Juni 2008 noch Informationen dazu kamen, dass dort zusätzliche Materialien mit verpresst wurden, ist es zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch gekommen.

In der Folge dessen habe ich dann die Kollegin Frau Schavan und den Kollegen Gabriel zu einem Gespräch gebeten. Denn in dieser Frage müssen alle drei zusammenarbeiten. Das Landesumweltministerium als Genehmigungsbehörde für einen vorzulegenden Schließungsplan und der Bund – insbesondere das Bundesforschungsministerium quasi als Eigentümer, aber auch das Bundesumweltministerium, wenn es sich um atomrechtliche Fragen handelt – müssen hier zusammenarbeiten.

Wir sind am 24. Juni zu dem Ergebnis gekommen, dass wir eine Expertengruppe unter der Führung des Umweltministeriums einrichten. Dieser Expertengruppe sollen Vertreter des Bundesforschungsministeriums, des Bundesumweltministeriums, des Niedersächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz und auch – darauf lege ich besonderen Wert – des Landeskreises angehören. Herr Landrat Röhmann, wir wollen auch Sie und damit den Landkreis in diese Expertengruppe einbeziehen, weil es vielleicht nur dadurch die Möglichkeit gibt, Sie und die Bevölkerung in der Region über alle Schritte, die in der nächsten Zeit erfolgen werden, zu unterrichten.

Wir haben vereinbart, dass bis Ende August ein Statusbericht erstellt werden soll. Der Statusbericht – man könnte auch von einer Bestandsaufnahme sprechen – soll dazu dienen, darzulegen, wie wir weiter verfahren wollen. "Wir" heißt wieder: wie die drei beteiligten Ministerien verfahren wollen. Dabei ist natürlich eines ganz klar, Herr Kollege Jüttner: Wenn dieser Statusbericht erstellt ist, sind alle Fragen, die es in der Vergangenheit gab, wieder auf dem Tisch und sind die Antworten auf diese Fragen wieder infrage zu stellen. Dann ist natürlich auch ein Vergleich der Optionen mit zu beachten. Es ist aber auch der Teil der Wissenschaftler zu beachten, der sagt: Ihr habt nicht unendlich viel Zeit; ihr müsst bis 2014 ein Konzept haben. Unter dieser Perspektive müssen wir natürlich immer vom problematischsten Fall ausgehen. Das heißt, dass wir im Grunde genommen zweigleisig fahren müssen. Wir werden dann auch die Frage, ob wir eine Einbettung mit Magnesiumchlorid oder mit Salzbeton, wie es in Morsleben geschieht, vornehmen, so schnell wie möglich erörtern.

Wir haben vereinbart, dass vom Betreiber bis zum Ende des Jahres ein prüffähiges Schließungskonzept vorgelegt wird. Der Betreiber hat zwar ein Schließungskonzept vorgelegt; dieses ist aber nach übereinstimmender Meinung in keinem Fall genehmigungsfähig.

Deshalb entsteht jetzt natürlich ein gewisser Druck. Ich hoffe, dass wir durch Verstärkung auch im Helmholtz-Zentrum bessere Ergebnisse erzielen können.

Meine Damen und Herren,

unabhängig davon werden wir am 8. Juli 2008 den Umweltausschuss des Landtages informieren. Das erste Gespräch der Expertengruppe hat am letzten Freitag stattgefunden. Am Donnerstag findet das zweite Gespräch statt. Am 7. Juli soll ein Arbeitspapier entwickelt werden, wie wir die einzelnen Fragen bis Ende August 2008 abhandeln wollen. Dieses Arbeitspapier werden wir am 8. Juli auch dem Ausschuss zur Verfügung stellen, verbunden mit der Bitte bzw. Aufforderung, unter Umständen noch weitere Punkte aufzunehmen, damit alle, die dazu gewillt sind, gemeinsam die Verantwortung dafür übernehmen können, dass wir zu einem vernünftigen Konzept kommen.

Unabhängig von dem, was in der Zwischenzeit geschehen ist – wir haben die Verpressung von Laugen gestoppt –, werden wir weiter an einem Konzept arbeiten müssen, damit die Menschen in der Region wieder das Gefühl bekommen, dass sie der Politik – nur die Politik kann auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen die Entscheidungen treffen – wieder vertrauen können. Dieses Vertrauen – es ist das höchste Gut – möchte die Landesregierung wiederherstellen. Ich glaube, nicht nur die Gespräche in der letzten Woche in Berlin, sondern auch die heutige Diskussion haben gezeigt, dass die große Mehrheit in diesem Sinne agieren möchte. Das ist erfreulich. Sowohl die CDU als auch die SPD – zumindest auf Bundesebene konnte man das feststellen – messen diesem Thema einen sehr hohen Stellenwert bei. Herr Kollege Jüttner, ich habe auch Ihren Worten entnommen, dass auch Sie dieses Thema ebenfalls für so wichtig erachten, dass wir gemeinsam zu einer Lösung kommen müssen. Das sind wir den Menschen in der Region, aber auch den Menschen in Niedersachsen schuldig.

Artikel-Informationen

erstellt am:
02.07.2008
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010

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