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erstellt am:
27.02.2014
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Der Koalitionsvertrag der Landesregierung enthält eine Reihe von Punkten in Bezug auf den Netzausbau. Ferner wird gefordert, dass konventionelle fossile Kraftwerke zur Abdeckung von Spitzenlast oder industriellen Prozessen nur noch genehmigt werden, wenn der Wirkungsgrad mindestens 55 % erreiche. Dafür soll das Landes-Raumordnungsprogramm überarbeitet werden.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wann wird die Landesregierung einen Runden Tisch mit Vertretern der Energiewirtschaft und insbesondere Netzbetreibern, den Regionen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Bevölkerung einrichten, und welche Teilnehmer sollen konkret eingeladen werden?
2. Wann und wie beabsichtigt die Landesregierung, in Bezug auf den Netzausbau „Transparenz bei Daten zum Bedarf und technischen Alternativen“ zu schaffen?
3. Welche Relevanz hat die Forderung aus dem Koalitionsvertrag, wonach „dem Umbau von bestehenden Stromleitungen Vorrang vor dem Neubau von Stromnetzen“ einzuräumen ist, im Hinblick auf die bekannten Netzausbauplanungen und -vorhaben in Niedersachsen? Bitte die Auswirkungen auf jedes einzelne Vorhaben konkret darstellen.
4. Auf welche Art und Weise beabsichtigt die Landesregierung der Forderung im Koalitionsvertrag, wonach ökologisch sinnvoller Erdverkabelung (z. B. HGÜ) Priorität zu geben sei, Geltung zu verschaffen, und was bedeutet dies konkret im Hinblick auf Sued.Link?
5. Wann soll das Landes-Raumordnungsprogramm im Hinblick auf die Kraftwerksstandorte angepasst werden, und wie soll die Anpassung konkret inhaltlich aussehen?
6. Welche Kraftwerksbauvorhaben in Niedersachsen sind der Landesregierung bekannt, und welche Auswirkungen haben die von der Landesregierung geplanten Anpassungen auf diese Vorhaben?
Teil 1
Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Zu 1:
Die Einrichtung eines Runden Tisches wird derzeit vorbereitet. Es ist beabsichtigt, noch in der ersten Jahreshälfte hierzu die Kabinettsentscheidung herbeizuführen. Diese wird dann auch die Benennung der Teilnehmer enthalten.
Zu 2:
Die Netzausbauplanung der Übertragungsnetzbetreiber erfolgt über die Aufstellung der Netzentwicklungspläne. Diese werden von der Bundesnetzagentur überprüft und im notwendigen Umfang bestätigt. In diesem Prozess legen die Netzbetreiber auch erforderliche technische Daten vor. Die Länder und die Öffentlichkeit sind im Rahmen der Konsultation zu den Netzentwicklungsplänen in diesen Prozess eingebunden. Lastflussdaten der Netzbetreiber können von Universitäten und anderen Einrichtungen mittlerweile bezogen und auch außerhalb dieses Prozesses überprüft werden. Den Ländern stehen darüber hinaus keine eigenen Datenquellen zur Verfügung.
Zu 3:
Diese Forderung entspricht den Wirtschaftlichkeitsvorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes, wonach Ertüchtigungsmaßnahmen im Bestandsnetz in der Regel Vorrang vor aufwendigeren Neubaumaßnahmen haben. Neubaumaßnahmen werden nur dann durch die Bundesnetzagentur bestätigt, wenn diese unter Beachtung dieses Vorranges erforderlich sind. Der Bedarf für alle in Niedersachsen vorgesehenen Maßnahmen ist im Energieleitungsausbaugesetz und dem Bundesbedarfsplangesetz festgestellt.
Teil 2
Vorbemerkungen:
Namens der Landesregierung beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Die Landesregierung setzt sich sowohl gegenüber der Bundesregierung als auch im Dialog mit den anderen Bundesländern dafür ein, die Möglichkeit zur Teilerdverkabelung für alle Netzausbauprojekte einzuführen. Bisher gilt diese Option nur für 4 Projekte nach dem Energieleitungsausbaugesetz und ein Projekt nach dem Bundesbedarfsplangesetz (SuedLink).
Bei der Beratung des Bundesbedarfsplangesetzes hatte die Landesregierung in den Ausschüssen des Bundesrates entsprechende Regelungen beantragt. Die frühere, von CDU/CSU und FDP gestellte Bundesregierung war aber nicht bereit, diesen Vorschlag Niedersachsens aufzugreifen.
Die Landesregierung hat die Erwartung, dass die insbesondere in Bayern geführte Diskussion um neue Stromtrassen, die bisherige Verweigerungshaltung der unionsgeführten Bundesländer und der Bundesregierung verändern könnte. Im Rahmen der anstehenden Änderungen in der Energiegesetzgebung wird sie die Möglichkeit zur erneuten Behandlung der Erdkabelproblematik nutzen.
Für das Projekt Suedlink ist die Teilerdverkabelungsoption bereits gegeben. Die Landesregierung erwartet vom Vorhabensträger als Antragsteller und der Bundesnetzagentur als Genehmigungsbehörde, dass die Erdkabeloptionen zur Konfliktminderung und der Optimierung der Trassenführungen genutzt werden.
Zu 2:
Die Landesregierung hat mit der Bekanntmachung der allgemeinen Planungsabsichten vom 24.07.2013 das Verfahren zur Änderung des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) eingeleitet. Entsprechend der Ankündigung der Änderungen in den einzelnen Abschnitten ist vorgesehen, die Regelungen zu den festgelegten Vorranggebieten Großkraftwerk dahingehend zu ergänzen, dass ein Neubau von Großkraftwerken zur Begleitung des Ausbaus der erneuerbaren Energien oder für industrielle Prozesse an diesen Standorten nur dann zulässig ist, wenn der Wirkungsgrad mindestens 55 Prozent erreicht.
Das förmliche Abstimmungs- und Beteiligungsverfahren zur Änderung des LROP wird voraussichtlich im März 2014 eingeleitet werden.
Zu 3:
Kraftwerke werden von Unternehmen der Energiewirtschaft eigenverantwortlich und auf eigenes Risiko gebaut. Entsprechend kann die Landesregierung keinen vollständigen Überblick über geplante Kraftwerksbauten haben.
Bundesweit wird nach Angaben der Bundesnetzagentur (BNetzA) bis 2018 mit einem Zubau von dargebotsunabhängigen Kraftwerken mit einer Leistung von rund 11 GW gerechnet. Bei einem Abbau von etwa 10 GW im selben Zeitraum würde die installierte Leistung um 1 GW zunehmen. Südlich des Mains sieht die Situation anders aus als in Norddeutschland. Dort wird mit einem Rückgang der installierten Leistung im genannten Zeitraum von 5,6 GW gerechnet. Dies und der Zubau Erneuerbarer Energien im Norden erhöhen den Druck auf den Ausbau der Übertragungsnetze.
Durch raumordnungsrechtliche Regelungen sind und werden die wesentlichen Voraussetzungen für den Bau neuer, hocheffizienter Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von mehr als 55 Prozent zur Begleitung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien oder für industrielle Prozesse in Niedersachsen geschaffen. 12 Standorte sind im Landesraumordnungsprogramm als Vorranggebiete für Großkraftwerke festgelegt: Buschhaus, Dörpen, Emden, Emden/Rysum, Grohnde, Landesbergen, Lingen, Mehrum, Meppen, Stade, Unterweser, Wilhelmshaven. An diesen Standorten sind entsprechende Flächenkapazitäten vorhanden und planerisch gesichert.
Folgende konkrete Kraftwerksbauvorhaben sind der Landesregierung bekannt:
In Wilhelmshaven wurde eines der modernsten und effizientesten Steinkohlekraftwerke von GDF-Suez gebaut. Das Kraftwerk hat eine Nettoleistung von 731 Megawatt und einen Netto Wirkungsgrad von 46 Prozent. Mit diesen Richtwerten kann das Kraftwerk bis zu 5,5 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Das entspricht etwa einem Prozent des gesamten in Deutschland produzierten Stroms. Das Kraftwerk ist fertiggestellt. Die Netzsychronisation war erfolgreich, das Kraftwerk läuft im Probebetrieb. Der reguläre Netzbetrieb wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2014 erfolgen.
Mit dem Bau eines Blockheizkraftwerkes im Volkswagenwerk Braunschweig wurde im April 2013 begonnen. Das Gaskraftwerk hat eine geplante elektrische Nettoleistung von 10 Megawatt und eine Gesamtfeuerungswärmeleistung bis 46 Megawatt. Der Gesamtwirkungsgrad des Industriekraftwerkes soll laut Firmenangaben bei cirka 84 Prozent liegen.
In Stade wurden in der Vergangenheit mehrere Kraftwerke geplant. E.ON hat seine Pläne auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. GDF-Suez hat seine Pläne aufgegeben; der entsprechende Bebauungsplan wurde gerichtlich aufgehoben. Für das von DOW geplante Steinkohlekraftwerk in Stade mit einer geplanten elektrischen Brutto-Leistung von 920 Megawatt liegt beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg derzeit kein Genehmigungsantrag nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vor. Die im Zusammenhang mit dem Bau des Industriekraftwerks stehende erneute öffentliche Auslegung des Bebauungsplanes 603 der Hansestadt Stade wurde im Januar 2014 abgeschlossen. Die eingereichten Einwendungen werden derzeit ausgewertet und abgearbeitet.
Ob und welche Kraftwerke letztlich konkret geplant und gebaut werden hängt von der Entwicklung des Strommarktes und seiner regulatorischen Rahmenbedingungen ab.
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erstellt am:
27.02.2014