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erstellt am:
16.05.2014
Es gilt das gesprochene Wort
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Die Welt zitiert in ihrer Onlineausgabe vom 9. April aus dem Bericht der Bundesnetzagentur zur „Sicherstellung der Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie in Süddeutschland im Winter 2015/2016“ wie folgt: „Ebenfalls wurde die Annahme nachgereicht, wonach vom Betrieb des französischen Kernkraftwerks Fessenheim im Winterhalbjahr 2015/2016 auszugehen ist, und die Bedarfsrechnung entsprechend angepasst.“
Laut Welt werde damit erstmals amtlich festgestellt, „dass zumindest Süddeutschland vorerst weiterhin auf Atomstrom angewiesen ist. Nur wird dieser Atomstrom nun nicht mehr aus einem relativ sicheren deutschen, sondern einem vergleichsweise unsicheren französischen Atomkraftwerk kommen.“
Weiter zitiert die Welt in ihrer Onlineausgabe vom 10. April aus dem Bericht, dass die Ausschreibung zum Bau des ersten staatlichen Kraftwerkprojektes der Nachkriegszeit bereits von der Bundesnetzagentur vorbereitet werde.
Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund des 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes die o. g. Aussage der Bundesnetzagentur, das französische Kernkraftwerk Fessenheim zur Stabilisierung des Stromnetzes und Abwendung eines Stromausfalls in Süddeutschland als Reserve in die Bedarfsrechnung für das Winterhalbjahr 2015/2016 einzubeziehen?
2. Wie bewertet die Landesregierung die Pläne der Bundesnetzagentur für ein „Staatskraftwerk“ und dessen Bedeutung für den Energiemarkt?
3. Wie bewertet die Landesregierung die Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie in Niedersachsen für die Winter 2014/2015 und 2015/2016?
Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Vorbemerkungen:
In Deutschland ist die Versorgungssicherheit zusammen mit der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit der Energieversorgung eines der zentralen energiepolitischen Ziele. Gemäß § 12 Energiewirtschaftsgesetz haben Betreiber von Übertragungsnetzen die Verpflichtung, die Energieübertragung durch das Netz unter Berücksichtigung des Austausches mit anderen Verbundnetzen zu regeln und mit der Bereitstellung und dem Betrieb ihrer Übertragungsnetze im nationalen und internationalen Verbund zu einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung beizutragen.
Bei der Beurteilung der Versorgungssicherheit wird nicht nur betrachtet, ob ausreichend Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen, sondern auch, ob Spannung und Frequenz bei plötzlichem Ausfall eines Großkraftwerks oder einer Sammelschiene im Übertragungsnetz auch im Falle einer ungünstigen Erzeugungssituation, respektive Wetterlage, gehalten werden können. Dabei wird nicht nur das deutsche Netz betrachtet, sondern das europäische Verbundnetz.
Im derzeitigen vermaschten Drehstromnetz ist der Betrieb von konventionellen Kraftwerken in einem gewissen Minimalumfang erforderlich, um Spannung und Frequenz zu halten. Erst wenn Photovoltaik- und Windkraftanlagen die Aufgabe zunehmend übernehmen, kann der so genannte Must-Run von Großkraftwerken entsprechend reduziert werden. Bis dahin sorgen die Großkraftwerke für die nötige Netzstabilität.
Für Norddeutschland ist nach derzeitiger Erkenntnis, auch im Falle der o. g. Extrembedingungen die Versorgungssicherheit jederzeit gewährleistet.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Gemäß der zitierten Passage geht die Bundesnetzagentur (BNetzA) offenbar davon aus, dass der französische Reaktor Fessenheim nicht vor Ende 2016 abgeschaltet wird. Zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität in Deutschland ist der Reaktor nicht erforderlich.
Zu 2:
Die BNetzA kann auf Grundlage der Reservekraftwerksverordnung die Stilllegung systemrelevanter konventioneller Kraftwerke untersagen. Zudem stellt Sie den Reservekraftwerksbedarf fest. Für den Winter 2014/15 wurde der Bedarf an Reservekraftwerkskapazitäten in Höhe von 3.091 MW festgestellt. Im Zeitraum 2015/16 werden 6.000 MW an Netzreserve erforderlich.
Ein erheblicher Teil dieser Erzeugungskapazitäten ist nach Aussagen der BNetzA bereits durch bestehende vertragliche bzw. gesetzliche Bindungen gesichert. Für den Winter 2014/15 sind 3.027 MW und für den Zeitraum 2015/16 sind 4.561 MW als gesichert anzusehen. Die Beschaffung der noch fehlenden Reservekapazitäten wird von der BNetzA geplant.
Erst wenn keine Kraftwerkskapazitäten mehr auf dem Markt zur Verfügung stehen, sieht die Reservekraftwerksverordnung als ultima ratio die Ausschreibung oder den Bau neuer Kraftwerke durch den Übertragungsnetzbetreiber veranlasst vor. Für die Zukunft hat die Umweltministerkonferenz zudem Vorschläge zur Ausgestaltung eines Kapazitätsmechanismus zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit gemacht.
Zu 3:
Aufgrund der vorhandenen Erzeugungskapazitäten und der Einbindung ins europäische Verbundnetz ist die Versorgungssicherheit in Norddeutschland nach Kenntnis der Landesregierung auch in den besagten Wintern gegeben. Hierzu tragen der hohe Anteil Erneuerbarer Energien ebenso wie die konventionellen Kraftwerke bei.
Sollten weitere Kraftwerksbetreiber Stilllegungen beantragen, wird die BNetzA prüfen, ob die Kraftwerke systemrelevant sind und die Stilllegung erforderlichenfalls untersagen, um die Versorgungssicherheit auch unter Extremsituationen sicherzustellen.
Über die aktuelle Situation informiert die BNetzA auf der Seite www.bnetza.de. Dort finden sich Angaben über Kraftwerke, Stilllegungsabsichten und die Systemrelevanz der einzelnen Kraftwerke.
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erstellt am:
16.05.2014