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„Gabriels Brief zum Netzausbau: Ermahnung oder „Foul“?“ Dringliche Anfrage der Fraktion der FDP (Lt.-Drs. 17/5158) Rede des Nds. Ministers für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel

- Es gilt das gesprochene Wort -

Die Landesregierung teilt ausdrücklich die Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass ein Ausbau der Stromnetze für den Umbau der Stromversorgung auf der Grundlage der Stromerzeugung auf der Basis von erneuerbaren Energiequellen von großer Bedeutung ist.

Die Planung und die Bedarfsermittlung der notwendigen Netzausbaumaßnahmen obliegen dabei nicht den Bundesländern sondern den Übertragungsnetzbetreibern und der Bundesnetzagentur. Diese bestätigt letztendlich die Maßnahmen, deren Bedarf aufgrund eines vorher erstellten Szenariorahmens für den Ausbau der Erneuerbaren Energien ermittelt wurde.

Die Planungen haben dabei eine Vorausschau von 10 Jahren und wurden bisher in einem jährlichen und zukünftig zweijährlichen Rhythmus fortgeschrieben. In einem weiteren Szenario wird ein Ausblick auf die kommenden 20 Jahre vorgenommen. Der Netzentwicklungsplan enthält alle Maßnahmen im deutschen Übertragungsnetz, die aus Sicht der Übertragungsnetzbetreiber erforderlich sind, um den zunehmenden Anteil an Erneuerbaren Energien in der Zukunft zu transportieren und dabei zugleich die Systemsicherheit und Netzstabilität weiterhin gewährleisten zu können. Diese Maßnahmenvorschläge der Übertragungsnetzbetreiber werden von der Bundesnetzagentur überprüft und ggf. genehmigt. Der genehmigte Maßnahmenkatalog bildet anschließend die Grundlage für den Bundesbedarfsplan, der alle drei Jahre vom Bundesgesetzgeber beschlossen wird.

Niedersachsen ist stärker als jedes andere Bundesland vom Netzausbau betroffen. Während z. B. in Thüringen und Sachsen jeweils nur 1 - 2 Netzausbaumaßnahmen mit relativ geringen Kilometerlängen vorgesehen sind, ist Niedersachsen mit einer Vielzahl von Maßnahmen mit einer bisher zu erwartenden Gesamtlänge von ca. 2030 Kilometern betroffen. Dies gilt zum einen als Transitland für den Energietransport und zum anderen durch die küstennahe Lage mit besonders windhöffigen Standorten. Daher gibt es in Niedersachsen eine Reihe von Netzausbauprojekten in der Genehmigungszuständigkeit des Landes. Dazu kommen die Projekte die mehrere Bundesländer betreffen und in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur genehmigt werden.

Für die Vorbereitungen zum SuedLink Projekt hatten die Vorhabenträger durch eine von Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geleitete Arbeitsgruppe (bestehend aus alle beteiligten Landesbehörden) Unterstützung bei der Trassenplanung. Leider wurden viele Hinweise aus dieser begleitenden Landes-AG vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT, der Bundesnetzagentur und der Bundesregierung nicht im ausreichenden Maße beachtet und genutzt. Insbesondere betrifft dies die Hinweise zur Konfliktlösung durch den Einsatz von Erdkabeln bei Problemabschnitten. Hier wurde an der Planung einer reinen Freileitungstrasse festgehalten, obwohl auch die frühere Rechtslage zumindest für SuedLink die Erdkabeleinsatzmöglichkeit auf Teilabschnitten vorsah. Aufgrund dieser Vorgehensweise eskalierten die Konflikte um die in Vorbereitung befindliche Trassenführung massiv. Letztendlich führte dies dazu, dass im Sommer 2015 endlich die vom Land Niedersachsen, vielen Gemeinden, Landkreisen und Bürgerinitiativen geforderte Vorrangregelung für die Erdkabeltechnik bundesgesetzlich festgeschrieben wurde.

Doch die vom Bund zu verantwortenden Fehler der Vergangenheit führen nun dazu, dass die großen geplanten überregionalen Übertragungskapazitäten, bei den beiden SuedLink-Leitungen von 2 mal 2 Gigawatt nicht wie ursprünglich geplant 2018 sondern erst viele Jahre später errichtet werden. Weder die planenden Übertragungsnetzbetreiber noch die Bundesnetzagentur sind derzeit in der Lage verlässliche Angaben dazu zu machen, wann tatsächlich mit der Inbetriebnahme dieser großen Gleichstromprojekte zu rechnen ist. Das hat natürlich Folgen für den Stromtransport aus Schleswig-Holstein nach Bayern und Baden-Württemberg, für die die SuedLink Leitungen geplant sind.

Die Drehstromprojekte in Niedersachsen, die sich derzeit im Genehmigungsverfahren befinden sind schwerpunktmäßig darauf ausgelegt, den Strom aus Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Niedersachsen aufzunehmen. Diese können jedoch nicht die fehlenden Transportkapazitäten für die überregionalen Transportaufgaben aus Schleswig-Holstein ersetzten.

Zur Beschleunigung des Netzausbaus hat die Landesregierung gemeinsam mit den Übertragungsnetzbetreibern TenneT und Amprion einen Abstimmungs- und Steuerungsprozess implementiert, um die Beteiligten bei den eingeleiteten Genehmigungsverfahren und den noch nicht begonnenen Verfahren zu unterstützen.

Darüber hinaus hat die Landesregierung den Übertragungsnetzbetreiber und der Bundesregierung bei den Gleichstromprojekten unverändert Unterstützung angeboten. Die unter Federführung des ML arbeitende ressortübergreifende Arbeitsgruppe steht bereit, um die Neuplanung der Übertragungsnetzbetreiber und der Bundesnetzagentur unterstützend zu begleiten. Der Erfolg der SuedLink Planung wird aber auch besonders davon abhängen, dass von Anfang an von den Übertragungsnetzbetreibern und der Bundesnetzagentur mit den betroffenen Kommunen und Kreisen ein offener und transparenter Dialog über eine möglichst konfliktarme Trassenführung geführt wird.

Die norddeutschen Ministerpräsidenten haben mit dem „Wismarer Appell“ deutlich gemacht, dass sie einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien (insbesondere Wind) für dringend geboten halten. Die Landesregierung hält die Erfüllung der internationalen klimapolitischen Verpflichtungen Deutschlands und die Umsetzung der klimapolitischen Ziele von Paris nur für erreichbar, wenn an einem ambitionierten Ausbau der Erneuerbaren Energien und hier insbesondere der Windenergie festgehalten wird.

Es macht daher keinen Sinn, mit Verweis auf einzelne Verzögerungen beim Netzausbau nun den Ausbau der Erneuerbaren Energien auszubremsen. Es muss vielmehr darum gehen, weitere Verzögerungen beim Netzausbau zu vermeiden und diesen durch den verstärkten Einsatz von Erdkabeln konfliktärmer zu gestalten. Damit kann eine reale Beschleunigung für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende erreicht werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Wie viele Kilometer Stromnetze der Höchstspannungsebene sind zusätzlich notwendig, wenn die Ausbauziele der Landesregierung bezüglich der erneuerbaren Energien umgesetzt werden, und bis wann sollen diese gebaut bzw. aufgerüstet werden?

Der Netzausbaubedarf im Übertragungsnetz wird nicht von der Landesregierung ermittelt, sondern im gesetzlich festgelegten Netzentwicklungsplanverfahren. Die Ausbauziele der Länder fließen über den jeweiligen Szenariorahmen in künftige Netzentwicklungsplanungen der Übertragungsnetzbetreiber ein. Derzeit ist in Niedersachsen durch den Bundesgesetzgeber der Bedarf für ca. 1400 km Netzausbaumaßnahmen gesetzlich festgestellt, die in der Genehmigungszuständigkeit der Landesbehörden fallen. Zudem sind in Niedersachsen weitere ca. 630 km in der Genehmigungsverantwortung der Bundesnetzagentur zu realisieren.

Laut Monitoring-Übersicht der Bundesnetzagentur haben die Übertragungsnetzbetreiber die nachfolgenden Zeitpunkte der Inbetriebnahme für die Vorhaben in Niedersachsen vorgesehen:

EnLAG-Projekte in Niedersachsen:

Dollern – Hamburg, Abschnitt Dollern – Hasseldorf/Elbekreuzung 2016

Ganderkesee – Wehrendorf, Abschnitt Wehrendorf – St. Hülfe 2017

Abschnitt St. Hülfe – Ganderkesee 2017

Dörpen/West – Niederrhein; Abschnitt Haddorfer See- Meppen 2019

Abschnitt Meppen – Dörpen 2017

Wahle – Mecklar, Abschnitt Wahle – Lamspringe 2018

Abschnitt Lamspringe – Hardegsen 2018

Abschnitt Hardegsen – Landesgrenze HE 2020

Wehrendorf – Gütersloh, Abschnitt Wehrendorf – Lüstringen 2020

Abschnitt Lüstringen – Landesgrenze NRW 2019

Lüstringen –Westerkappeln, Abschnitt Lüstringen – Gaste 2016

BBPL-Projekte in Niedersachsen:

Conneforde – Cloppenburg/Ost- Merzen 2022

Stade – Dollern - Landesbergen; Abschnitt Stade – Dollern 2021

Abschnitt Dollern – Landesbergen 2021

Wilhelmshaven – Conneforde 2018

Emden/Ost – Conneforde 2019

Emden/Ost – Raum Halbemond 2021

Dollern – Elsfleth/West 2024

BBPL-Projekte in Niedersachsen in der Genehmigungszuständigkeit der Bundesnetzagentur fallen:

Emden/Ost – Ostenrath 2022

Brunsbüttel – Großgartach 2022

Wilster – Grafenreinfeld 2022

Wollmirstedt – Helmstedt – Wahle 2022

Zu Frage 2:

Wie viele Kilometer sind bisher durch das Land genehmigt worden?

Durch die Landesgenehmigungsbehörden in Niedersachsen wurden bisher etwa 508 km Trassen in Erdkabeltechnik bis zum 31.12.2015 genehmigt. Es handelt sich dabei um die im Küstenraum gelegenen Landstrecken, die die Verbindung zu den Offshore-Windparks herstellen und nach der Inbetriebnahme dem Stromnetz hinzugerechnet werden. Die Genehmigung von weiteren ca. 100 Trassenkilometern ist in vier Genehmigungsverfahren noch in diesem Jahr zu erwarten. Es handelt sich hierbei um Drehstromprojekte im Binnenland, die als Freileitung geplant sind. Teilweise sind dabei Teilverkabelungsabschnitte vorgesehen. Der Zeitpunkt der sich der Genehmigung anschließenden Errichtung und Inbetriebnahme wird von den Übertragungsnetzbetreibern geplant und ausgeführt und kann vom Land nicht direkt festgelegt werden. Für das Jahr 2017 werden die Genehmigungen für weitere ca. 380 Trassenkilometer in Niedersachsen in 6 Projekten erwartet, soweit die Vorhabenträger die erforderlichen vollständigen Antragsunterlagen vorlegen.

Darüber hinaus befinden sich 196 Trassenkilometer im Raumordnungsverfahren. Für weiter 236 Trassenkilometer konnte aufgrund fehlender Antragsunterlagen noch kein Raumordnungsverfahren eingeleitet werden.

Zu Frage 3:

Sieht die Landesregierung in der Kritik des Bundeswirtschaftsministers Gabriel einen konstruktiven Anstoß, um die Energiewende zum Erfolg zu bringen, oder lediglich ein „Foul“, wie es Umweltminister ‚Wenzel formulierte um die Kohle gegen die erneuerbaren Energien zu schützen?

Der Brief von Wirtschaftsminister Gabriel vom 13 Januar 2016 an die Energieminister der Länder betont berechtigter Weise den erfolgreichen Netzausbau als wichtigen Beitrag zum Erfolg der Energiewende. Insoweit besteht zwischen dem Bundeswirtschaftsminister und der Landesregierung eine übereinstimmende Einschätzung. Es ist allerdings irritierend wenn der Bundeswirtschaftsminister Gabriel nur wenige Monate nach dem vorläufigen Scheitern des SuedLink-Projekts, die Verantwortung des Bundes für die daraus entstehenden Netzausbauprobleme ausblendet und ausschließlich Projekte in der Genehmigungszuständigkeit der Länder anspricht. Der größte Teil der in Deutschland vom Bundesgesetzgeber vorgesehenen Netzausbaumaßnahmen mit entsprechender Übertragungsleistung liegt in der Genehmigungszuständigkeit des Bundes und nicht der Länder.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien derzeit deckelt und insbesondere den Ausbau der Windenergie ausbremst. Wenn diese Verzögerungspolitik mit einem schleppenden Verlauf des Netzausbaus begründet wird, stellt sich die Frage welche politischen Ziele werden mit dieser Verknüpfung verfolgt werden. Anstatt den Fokus darauf zu legen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den Ländern den Netzausbau zu beschleunigen, wird der Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamt.

Die Landesregierung hat immer darauf hingewiesen, dass eine Beschleunigung des Netzausbaus nur mit einer erhöhten Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen ist. Der Einsatz von Erdkabeln spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Landesregierung bedauert es daher sehr, dass es erst der großen Proteste aus der Bevölkerung bedurfte um die von Niedersachsen schon seit Jahren geforderte Erdverkabelung für SuedLink und anderer großer Gleichstromprojekte bundesgesetzlich vorzusehen. Die dadurch ausgelöste Verzögerung beim Netzausbau darf nicht dazu führen, dass der Erfolg der Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien ausgebremst werden. Die Landesregierung hat in ihren Antwortschreiben an Bundeswirtschaftsminister Gabriel deutlich gemacht, dass die noch bestehenden Hemmnisse für einen beschleunigten Netzausbau beseitigt werden müssen. Dazu ist es auch erforderlich, dass bei allen Drehstromleitungsprojekten die Teilerdverkabelungen für Konfliktfälle zugelassen werden und nicht nur bei einigen Pilotprojekten. Es darf keine Zeit mehr mit unnötigen Auseinandersetzungen verloren werden, die dadurch ausgelöst werden, dass keine ausreichenden Teilerdverkabelungsmöglichkeiten durch den Bundesgesetzgeber ermöglicht werden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2016
zuletzt aktualisiert am:
19.02.2016

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