Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen klar Logo

Antwort auf die mündliche Anfrage zu: Wie viel Jagd verträgt der Nationalpark Harz?

Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Hillgriet Eilers, Hermann Grupe, Christian Grascha und Dr. Gero Hocker (FDP) geantwortet.

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Der Nationalpark Harz entstand in seiner heutigen Form am 1. Januar 2006 durch die Fusion des gleichnamigen Nationalparks Harz in Niedersachsen und des Nationalparks Hochharz in Sachsen-Anhalt. Der niedersächsische Teil des Parks entstand am 1. Januar 1994.

Nach Gründung des Nationalparks hat sich der Bestand vieler Wildtierarten in diesem Gebiet deutlich vergrößert. Folge dieses vergrößerten Wildbestands ist u. a. ein starker Wildverbiss bei jungen Bäumen und Neupflanzungen.

Nach Plänen des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soll die Jagdzeit in Bezug auf Rotwild im niedersächsischen Teil des Harzes bis zum 28. Februar verlängert werden. Naturschutzverbände kritisieren diese Pläne, da durch den zusätzlichen Stress, dem die Tiere ausgesetzt seien, der Nahrungsbedarf des Wildes um 30% stiege und es damit einen noch weiter erhöhten Wildverbiss geben würde.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie hat sich der Wildbestand seit Gründung des Nationalparks Harz entwickelt (bitte nach Rotwild, Rehwild, Luchsen, Wildkatzen, Schwarzwild und Waschbären aufschlüsseln)?

2. Welche besonderen Anforderungen sind nach Ansicht der Landesregierung an die Jagd im Nationalpark Harz zu stellen, um nationalen, europäischen und internationalen Kriterien und Anforderungen an ein solches Schutzgebiet gerecht zu werden?

3. Wie schwerwiegend ist nach Auffassung der Landesregierung der Wildverbiss im Nationalpark Harz durch die Vergrößerung der Wildbestände, und wie würde sich dieses Problem durch eine Verlängerung der Jagdzeiten verändern?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkungen:

Im Nationalpark (NLP) Harz wird nicht im klassischen Sinne gejagt, vielmehr werden die Wildbestände mit jagdlichen Mitteln reguliert. Ziel dieses Wildbestandsmanagements ist nicht die Hege der Schalenwildbestände und dabei möglichst vieler und kapitaler Trophäenträger, sondern die Anpassung der Wildbestände an die Kapazität des Lebensraums auf einem Niveau, das die natürliche Wald- und Lebensraumentwicklung zulässt oder fördert. Dabei soll die dauerhafte und genetisch gesunde Erhaltung der Schalenwildpopulationen gewährleistet werden. Durch Konzentration der Nachstellung auf wenige, großflächige Ereignisse im Jahr sollen dabei die Störungen für das Wild minimiert werden.

Die Höhe der Wildbestände kann nicht exakt angegeben werden, da Wildbestände nicht mit vertretbarem Aufwand gezählt werden können. Ein wichtiger Weiser und Hinweis auf die Bestandesentwicklung sind bei den Arten Rotwild, Rehwild und Schwarzwild die vorliegenden Streckenergebnisse, die für diese Arten in der Anlage beigefügt sind. Den größten Einfluss auf die Waldentwicklung hat im Nationalpark Harz das Rotwild und ist damit die Wildart, die im Fokus der Wildbestandsregulierung steht. Die Streckenentwicklung deckt sich mit den Entwicklungen in den umliegenden Landesforstflächen und dokumentiert einen in den letzten Jahren angewachsenen, insgesamt überhöhten Rotwildbestand in weiten Teilen des gesamten Harzes. Der gesamte Harz beherbergt die regionale Rotwildpopulation, künstliche Grenzen wie die Außengrenzen des Nationalparks haben auf die Populationsentwicklung selbst keinen Einfluss, wohl aber die unterschiedliche Behandlung in verschiedenen Gebieten auf das Verhalten der Tiere.

Rehwild spielt demgegenüber eine nachgeordnete Rolle im NLP Harz, da es von Natur aus in den Fichtenwäldern der Hochlagen nur in geringerer Dichte vorkommt. In den Randlagen hat es regional aber trotzdem einen großen Einfluss auf die natürliche Waldentwicklung, da es selektiv die Laubbaumarten und unter diesen wiederum die seltenen Arten bevorzugt verbeißt und daher mit reguliert wird.

Schwarzwild unterliegt von Natur aus in seinem Bestand großen Schwankungen, die sich damit in der Streckenentwicklung niederschlagen. Im NLP Harz ist der Einfluss auf die Waldentwicklung in der Regel gering. Schwarzwild verursacht jedoch - teilweise erhebliche -Schäden in angrenzenden Feldfluren und in Gartenanlagen von Bewohnern anliegender Nationalparkgemeinden. Es wird daher ebenfalls reguliert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Rotwild, Rehwild und Schwarzwild: siehe Vorbemerkung und anliegende Streckenstatistik.

Luchs: Die Bestandshöhe kann wegen dessen heimlicher Lebensweise bei dieser Tierart nicht exakt angegeben werden. Im NLP Harz und den umliegenden Wäldern läuft zurzeit jedoch ein Projekt, in dessen Verlauf mit Hilfe der Auswertung von Bildern aus Fotofallen eine zumindest näherungsweise Schätzung der Luchsdichte vorgenommen werden soll. Mit ersten Ergebnissen rechnet die Nationalparkverwaltung im April 2015.

Wildkatze: Auch die Wildkatzenbestände sind nicht exakt anzugeben. Der gesamte Harz gilt aber traditionell als langjähriges sicheres Vorkommensgebiet dieser Art. Die ersten Ergebnisse aus den schon für den Luchs erwähnten Fotofallenauswertungen zeigen eine Vielzahl von Wildkatzenaufnahmen, die diese Auffassung stützen. Bei der Wildkatze sind jedoch (im Gegensatz zum Luchs) individuelle Identifizierungen von Einzeltieren nicht möglich, so dass eine genaue Schätzung der Höhe des Bestandes nicht erwartet werden kann.

Waschbär: Eine Bestandsermittlung beim Waschbären ist im NLP Harz nicht möglich. Es steht jedoch fest, dass dieser Neubürger inzwischen weite Teile des Schutzgebietes besiedelt. Dabei scheint die Bestandshöhe in der Nähe von Siedlungen am höchsten zu sein.

Zu 2:

Eine vorrangige Aufgabe der Nationalparkverwaltung ist es, die Entwicklung der Wälder in Richtung größerer Naturnähe zu gewährleisten. Hierzu werden in naturfernen Fichtenreinbeständen Anstrengungen unternommen, die natürliche Entwicklung durch Pflanzung einheimischer Laubbäume zu unterstützen. Diese Pflanzungen sowie die natürlich verjüngten Laubbäume bedürfen des Schutzes vor zu starkem Wildverbiss, weshalb überhöhte Bestände der relevanten Arten (v.a. Rotwild, nachrangig Reh- und Schwarzwild) reguliert werden müssen. Dies steht im Einklang mit nationalen und internationalen Empfehlungen zum Management von Nationalparken. Dabei werden Besonderheiten berücksichtigt, die die Wildtierregulierung im Nationalpark von der Jagd außerhalb des Schutzgebietes deutlich unterscheiden, v.a. durch folgende Regelungen:

Es gibt keine wirtschaftliche Zielsetzung bei der Wildtierregulierung (z. B. keine Verpachtung, keine entgeltlichen Jagderlaubnisse).

Es wird keine Trophäenjagd ausgeübt.

Es wird nur eine stark eingeschränkte Auswahl an relevanten Arten reguliert. Das sind Rotwild, Rehwild, Schwarzwild, (Muffelwild und Damwild, sofern diese gebietsfremden Arten vorkommen). Waschbär und Marderhund werden als Neozoën zurückgedrängt, der Fuchs nur im Ausnahmefall (im Umfeld des Auerhuhngeheges). Alle anderen dem Jagdrecht unterliegenden Arten werden im NLP Harz nicht reguliert.

Die Regulierungsmaßnahmen werden unter Minimierung des Störeffektes durchgeführt, das schließt eine Verkürzung der Jagdzeiten ein. So werden zurzeit die gesetzlich möglichen Jagdzeiten zwischen Anfang Februar und Ende Juli generell nicht genutzt.

Zu 3:

Die überhöhten Wildbestände führen tatsächlich zu einer nennenswerten Beeinträchtigung der natürlichen Waldentwicklung im NLP Harz. Die Anstrengungen zur Wildtierregulierung wurden daher in den letzten Jahren verstärkt, was sich nicht nur in der Streckenentwicklung niederschlägt, sondern auch in anderen Parametern. Vor allem das sogenannte „Alttier-Kalb-Verhältnis“ wurde stark verbessert. Das bedeutet, dass der Anteil an Alttieren, also den Zuwachsträgern eines Rotwildbestandes, am Abschuss erheblich erhöht werden konnte.

Eine Verlängerung der Jagdzeit in den Februar hinein ist für den NLP Harz keine Lösung, um die Wildschadenssituation signifikant zu entspannen. Die dadurch zu erwartenden zusätzlichen Abschüsse sind durch die Rahmenbedingungen (Schneelage mit eingeschränkter Zugänglichkeit der Flächen, Kollision mit Ansprüchen des Tourismus, v.a. mit Skilangläufern) eher gering und werden möglicherweise in ihrer Wirkung durch die Störungseffekte wieder aufgewogen.

Die erhöhten Wildbestände erfordern im gesamten Harz langfristige Anstrengungen zu ihrer Regulierung, Effekte sind erst mittelfristig zu erwarten. Hier sieht sich die Nationalparkverwaltung auf einem guten Weg.

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.02.2015

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln