Artikel-Informationen
erstellt am:
29.10.2004
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010
Presseinformation Nr. 116/04
Fragen des Abgeordneten Ulf Thiele (CDU) an die Landesregierung:
Es gilt das gesprochene Wort
Anrede!
Naturschutz bedeutet in Niedersachsen vor allem Bewahrung der in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft mit ihren landschaftstypischen wild lebenden Tier- und Pflanzenarten. Deshalb kann erfolgreicher Naturschutz nur gemeinsam mit den Eigentümern und den Bewirtschaftern von Grund und Boden verwirklicht werden. Moderner Naturschutz muss deshalb alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Eigeninitiative und das freiwillige Handeln von Landwirten und Forstwirten im Sinne des Naturschutzes zu fördern. Moderner Naturschutz heißt auch, obrigkeitsstaatliches Handeln und die Gängelei der Bürger durch den Staat zurückzudrängen. Deshalb hat es die Landesregierung außerordentlich begrüßt, dass ostfriesischer Landwirte aus dem Rheiderland aus eigener Initiative Vorschläge zur Verbesserung der Naturschutzarbeit in ihrer Region entwickelt haben. Diese Landwirte haben nicht auf Vorschläge der Verwaltung gewartet. Sie haben als Betroffene selbst gehandelt. Dafür gebührt ihnen hohe Anerkennung.
Die Rheiderländer Landwirte haben nach Vorbildern in den Niederlanden naturschutzfachlich neue Wege beschritten und ein neues Konzept zum Schutz hoch bedrohter Tierarten, die auf Ackerflächen leben, entwickelt. Sie sind dabei von vielen Seiten, insbesondere auch von der Landesjägerschaft, unterstützt worden. Nach sorgfältiger fachlicher Prüfung des Vorschlags hat das Niedersächsische Umweltministerium 2003 entschieden, das Pilotvorhaben "Rheiderländer Marsch" des Landwirtschaftlichen Naturvereins mit Artenschutzmitteln zu fördern.
Dieses vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Fragen des Herrn Abgeordneten Thiele wie folgt:
Zu 1.:
Das Pilotvorhaben "Landwirtschaftlicher Naturschutz" des "Landwirtschaftlichen Naturvereins Rheiderländer Marsch e.V." ist 2004 außerordentlich erfolgreich angelaufen. 27 Landwirte, die durch den Vorstand des Vereins vertreten werden, haben auf hochwertigen Getreideböden insgesamt 50 km vernetzte Tierartenschutzstreifen mit einer Gesamtfläche von 55 Hektar angelegt.
Diese Schutzstreifen verbessern die Lebensqualität für seltene Tierarten auf einer Gesamtfläche von ca. 4.500 Hektar. Die Schutzstreifen bleiben von der landwirtschaftlichen Nutzung frei und werden von den Landwirten mit einer speziellen Saatmischung eingesät, die Kleintieren und der biologischen Vielfalt zugute kommt. Die Schutzstreifen werden während der Jungenaufzuchtzeit im Frühling und im Sommer von seltenen Vogelarten und Säugetierarten besiedelt.
Während und nach der Getreideernte dienen diese Streifen vielen Tieren als Zuflucht und Deckung. Das Pilotvorhaben wird wissenschaftlich begleitet. Die wissenschaftliche Bewertung ist noch nicht abgeschlossen. Es ist aber bereits jetzt dokumentiert, dass schon im ersten Jahr hervorragende und in diesem Ausmaß nicht erwartete Erfolge zu verzeichnen sind.
Alle drei mitteleuropäischen hoch bedrohten bodenbrütenden Greifvogelarten – die Kornweihe, die Wiesenweihe und die Rohrweihe haben im Gebiet gebrütet. Die seltene am Boden brütende Sumpfohreule ist nach 10 Jahren Abwesenheit in die Region zurückgekehrt. Selbst das Rebhuhn, das nach Auskunft der Landwirte seit Jahren nicht mehr in der Ackermarsch gesichtet werden konnte, war in diesem Jahr in Folge der Anlegung der Schutzstreifen in der Lage, Jungtiere aufzuziehen.
Die Schutzstreifen haben auch vielen Kleinvogelarten und sogar Säugetieren wie Feldhase und Reh als Aufzucht-, Nahrungs- und Rückzugsgebiete gedient. Besonders hervorzuheben ist der hohe Effektivitätsgrad des Vorhabens. Durch das Anlegen der vernetzten Schutzstreifen ist die Lebensqualität für eine große Zahl von Wildtieren auf einer Gesamtfläche von ca. 4.500 Hektar verbessert worden. In Relation dazu ist die Fördersumme von insgesamt 50.000 € außerordentlich gering.
Ein anderer wichtiger Aspekt dieses Pilotvorhabens ist die erzielte Einsparung von Verwaltungsaufwand. Das Konzept ist nicht von der Verwaltung, sondern von den Landwirten selbst entwickelt worden. Es musste von der Verwaltung lediglich fachlich, rechtlich und administrativ geprüft werden.
Ein neuer innovativer Ansatz besteht auch darin, dass die Verwaltung nur noch einen Vertrag mit dem Vorstand des Vereins abschließen musste, der im Namen aller dem Verein beigetretenen Landwirte für die Einhaltung der vertraglich mit dem Land eingegangenen Verpflichtungen verantwortlich zeichnet. Nach den bisher üblichen Vertragsnaturschutzkonzepten müssen dagegen mit allen Landwirten Einzelverträge abgeschlossen werden. Das neue Konzept macht somit einen erheblichen Abbau von Bürokratie möglich.
Durch den absehbaren weiteren Erfolg des Projektes in der Zukunft bestätigt sich in eindrucksvoller Weise das Konzept der Landesregierung, den Grundeigentümern bei der Umsetzung von Naturschutzprogrammen eine größere Eigenverantwortung zu übertragen. Nur so wird es angesichts der angespannten Haushaltslage des Landes möglich sein, im Naturschutz neue und erfolgreiche Wege zu beschreiten.
Zu 2.:
Das Land hat in der Vergangenheit keine fachlich und konzeptionell vergleichbaren Tierartenschutzprogramme auf Ackerflächen durchgeführt oder gefördert.
Zu 3.:
Die Landesregierung unterbreitet im Rahmen des im Jahr 2000 aufgelegten Förderprogramms "Proland Niedersachsen - Programm zur Entwicklung der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes" Angebote zur Zusammenarbeit.
Das Programm richtet sich an kooperationsbereite Landwirte, Grundstückseigentümer und Bürger im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Derzeit nehmen bereits über 2.000 Landwirte an diesen Programmen teil. Die Europäische Union finanziert zu 50 %.
Die Kooperationsprogramme Naturschutz sind ein hervorragendes Instrument zur Erhaltung, Pflege und Entwicklung einer vielgestaltigen nachhaltig genutzten Kulturlandschaft und zur Erhaltung für bedrohte wild lebende Tier- und Pflanzenarten. Die Verträge werden mit einer Laufzeit von 5 Jahren auf freiwilliger Basis abgeschlossen und beinhalten keine hoheitlich geregelten Auflagen. Die Landesregierung will die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung von Landwirten, Grundstückseigentümern und interessierten Bürgern im Naturschutz noch stärker als bisher fördern. Deshalb sollen die derzeit laufenden Naturschutzprogramme mit Blick auf die Neuausrichtung der Förderung landwirtschaftlicher Betriebe ab 2007 hinsichtlich ihrer Effizienz und des Wirkungsgrades der eingesetzten öffentlichen Mittel überprüft werden. Dort wo es notwendig ist, sollen sie inhaltlich neu ausgerichtet, erweitert oder ergänzt werden.
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erstellt am:
29.10.2004
zuletzt aktualisiert am:
16.03.2010