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erstellt am:
17.07.2015
Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus, Regina Asendorf und Hans-Joachim Janssen (Grüne) geantwortet.
Vorbemerkung der Abgeordneten
In diesen Tagen erleben wir einmal mehr extreme Wetterereignisse. Zwar kann eine unmittelbare Kausalität zum globalen Klimawandel daraus nicht unmittelbar abgeleitet werden. Jedoch ist die erhebliche Zunahme von besonderen Wettersituationen ein deutliches Indiz, dass der durch den Menschen beeinflusste Klimawandel auch in Niedersachsen seine Spuren hinterlässt, Menschen gefährdet und zu erheblichen wirtschaftlichen und ökologischen Schäden führt.
Trockenheit, Rekordhitze und schwere Unwetter mit lokal schweren Schäden machten im Juni und Anfang Juli das Wetter zum Top-Thema.
Große Landesteile insbesondere im Osten Niedersachsens leiden unter einer anhaltenden Trockenheit, wie es sie seit vielen Jahren nicht gegeben hat. Die Folgen für die Landwirtschaft sind bereits sichtbar. So berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung online am 24. Juni 2015 „Niedersachsen ist … besonders von Trockenheit betroffen. Nach jüngsten Prognosen dürfte die Getreideernte hier weniger als 5 Millionen t betragen, verglichen mit etwa 6,5 Millionen t 2014. Das bedeute für die Landwirte insgesamt Einkommensverluste von schätzungsweise 150 Millionen Euro.“
Auch andere Branchen sind unmittelbar betroffen. NDR online schreibt am 16. Juni 2015, dass wegen der niedrigen Pegelstände die „Fähr- und Binnenschifferei mancherorts nicht möglich“ sei. Folgen für die kommunale Bewirtschaftung des Stadtgrüns beschreibt die taz am 9. Juni 2015: „Auch den jungen Straßenbäumen schade die Dürre. Um die Pflanzen nicht eingehen zu lassen, habe die Stadt Gifhorn in diesem Jahr bereits Fremdfirmen mit dem Gießen beauftragen müssen. Denn jeder Baum koste in der Anschaffung um die 200 Euro.“ In den Vorjahren hatte Niedersachsen mit Rekordhochwässern im Binnenland zu kämpfen.
Die Entwicklung einer Strategie zur Klimaanpassung war auch Thema der niedersächsischen Regierungskommission Klimaschutz, die hierzu umfangreiche Empfehlungen abgegeben hat. Dabei griff die Regierungskommission auf die Erkenntnisse der norddeutschen Klimafolgenforschung (Kliff) zurück.
Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:
Vorbemerkung der Landesregierung
Seit drei Monaten herrscht in Niedersachsen eine ungewöhnlich trockene und zunehmend wärmere oder sogar heiße Witterung. Nach Aussage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist damit im Langzeitvergleich der sechste zu trockene Frühling in den letzten sieben Jahren zu zählen. Besonders betroffen hiervon war und ist Niedersachsen.
Im Sommer 2013 standen wir dagegen vor den Herausforderungen von Hochwasserlagen und Überschwemmungen. Die Zunahme von außergewöhnlichen Wetterereignissen ist ein Indiz dafür, dass sich der Klimawandel und seine Folgen auch in Niedersachsen in den nächsten Jahren verschärfen werden.
Die niedersächsische Landesregierung hat am 23. Juni 2015 ihren Fahrplan für die Klimapolitik Niedersachsens in den kommenden Jahren festgelegt und damit ihren Weg für die Weiterentwicklung der Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels und zur Reduktion von CO2-Emissionen in Niedersachsen aufgezeigt.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
1. Welche Sektoren in Niedersachsen sind vom Klimawandel in welcher Weise besonders bedroht?
Die Folgen des Klimawandels erstrecken sich im Grunde auf alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche des Landes, fallen jedoch in Intensität und Richtung nach gegenwärtigem Kenntnisstand teilweise sehr unterschiedlich aus. Die Landesregierung hat daher mit ihrem Kabinettsbeschluss vom 23. Juni 2015 die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen für die aus ihrer Sicht besonders bedrohten Sektoren festgelegt.
Die Schwerpunkte bei den insgesamt beschlossenen Maßnahmen liegen demnach auf Wasserwirtschaft und Küstenschutz, Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Katastrophenbekämpfung und Gesundheitsschutz.
Unabhängig davon sind aus Sicht der Landesregierung noch weitere methodische und empirische Erkenntnisse erforderlich, um die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels für Niedersachsen sowohl räumlich als auch sektoral noch genauer abschätzen zu können.
2. Wie will die Landesregierung die Weiterentwicklung einer Landesstrategie zur Klimaanpassung und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen vorantreiben?
Mit Kabinettsbeschluss vom 23. Juni 2015 hat die Landesregierung den Fahrplan für die Weiterentwicklung ihrer Klimapolitik festgelegt. Daher verfügt Niedersachsen mit der Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels über sehr gute Voraussetzungen diese Aufgabe der langfristigen Daseinsvorsorge Schritt für Schritt in die Verwaltung des Landes zu integrieren.
In nächster Zeit wird es hier vor allem darauf ankommen, die fortlaufenden neuesten Ergebnisse der regionalen Klimaforschung für Niedersachsen systematisch aufzubereiten und für lokale Anpassungsprozesse noch besser nutzbar zu machen.
Die immensen Herausforderungen der Energiewende machen jedoch eine deutliche Ausweitung und Vertiefung der niedersächsischen Klimaschutzpolitik erforderlich. Die zentralen Vorhaben der Landesregierung sind dabei:
die Erstellung eines Energiewendeszenarios, um die Möglichkeiten einer weitgehend auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgung in Niedersachsen bis zum Jahr 2050 aufzuzeigen,
die Verabschiedung eines Landesklimaschutzgesetzes, in dem erstmalig Treibhausgasminderungsziele für Niedersachsen festgeschrieben werden und
die Aufstellung eines integrierten Energie- und Klimaschutzprogramms, das die für die Erreichung der gesetzlichen Landesziele notwendigen Maßnahmen und Prozesse konkretisiert.
Begleitet werden diese Vorhaben vom Runden Tisch „Energiewende Niedersachsen“, der am 07. Mai 2015 seine Arbeit aufgenommen hat.
Die Landesregierung geht darüber hinaus in Sachen Klimaschutz mit gutem Beispiel voran. Verschiedenste Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang bereits umgesetzt, zum Beispiel:
Die erste Stufe des Stufenplans zur Sanierung landeseigener Gebäude wurde im Rahmen des „Sondervermögens zur Nachholung von Investitionen durch energetische Sanierung und Infrastruktursanierung von Landesvermögen“ umgesetzt. In 2014 und 2015 standen bzw. stehen hier jeweils 7,08 Millionen Euro für energetische Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung.
Für das Umweltministerium und seine Dienststellen wurden per Erlass Umweltkriterien bei der Beschaffung von Dienstkraftfahrzeugen eingeführt: Der Erlass gibt konkrete CO2-Obergrenzen für PKW zur dienstlichen Nutzung vor, die Werte von 90 g CO2/km bei Kleinstwagen und 120 g CO2/km in der Mittelklasse vorsehen und in den Folgejahren weiter angepasst werden können.
Die zentralen Feierlichkeiten zum „Tag der Deutschen Einheit“ im letzten Jahr in Hannover wurden erstmals unter dem Aspekt Umwelt- und Klimaschutz betrachtet. Das Land Niedersachsen hat hierzu gemeinsam mit der Klimaschutzorganisation atmosfair Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. So wurden die Feierlichkeiten zum Beispiel weitestgehend mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen durchgeführt und ein sensibles Abfallmanagementsystem etabliert.
Aufbauend auf diesen Einzelmaßnahmen soll jetzt ein Konzept erstellt werden, das die gesamte Landesverwaltung und möglichst alle relevanten Themenbereiche umfasst. Im Rahmen eines Gutachtens soll hierfür eine Treibhausgasbilanz für die Landesverwaltung erstellt werden und mögliche Reduktionspfade für die Zeit bis 2050 aufgezeigt werden.
Das Gutachten bildet damit auch die Grundlage für mögliche Selbstverpflichtungen im geplanten Niedersächsischen Klimaschutzgesetz. Vorstellbar ist hier beispielsweise eine eigene Reduktionsverpflichtung für den Bereich der Landesverwaltung.
3. Wie ist die erste Zwischenbilanz der im vorigen Jahr neu gegründeten Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN)?
Die Landesregierung hat mit der Gründung der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) im vergangenen Jahr eine der Hauptempfehlungen der Regierungskommission umgesetzt. Die Agentur hat die Aufgabe, sich den Themen Energieeinsparung und Energieeffizienz zu widmen. Sie soll insbesondere in den Bereichen des kommunalen Klimaschutzes, der Energieeffizienz in Unternehmen und der Gebäudeenergieeffizienz tätig sein.
Im Gesellschaftsvertrag ist als Gesellschaftszweck formuliert:
„Es ist zentraler Zweck der Gesellschaft, Klima und Umwelt zu schützen. Dem Umwelt- und Klimaschutz dient u. a. die Umstellung auf eine nachhaltige Energiewirtschaft und Substitution fossiler Energieträger sowie die Senkung des Energieverbrauchs durch Erhöhung der Energieeffizienz.“
In den drei definierten zentralen Arbeitsfeldern Kommunen, Unternehmen, privater Gebäudebestand sind eine Vielzahl konkreter Maßnahmen, Projekte und Unterstützungsarbeiten geleistet worden. Die bisherigen Arbeitsergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Kommunaler Klimaschutz
Den Kommunen kommt eine wichtige Rolle im Klimaschutz zu. Sie bewirtschaften selbst eine große Zahl an öffentlichen Gebäuden, sind u. a. Planungsbehörden für Neubaugebiete, Träger von Quartierssanierungen, mitverantwortlich für den öffentlichen Nahverkehr und haben zudem Vorbildfunktion für die Bürgerinnen und Bürger.
Die Klimaschutz-und Energieagentur Niedersachsen bietet den niedersächsischen Kommunen umfangreiche Unterstützung auf diesen Feldern an. Dies sind im Einzelnen:
Fortbildungen und Qualifizierungen für effizientes Energiemanagement von Liegenschaften
Informationsreihen zur energetischen Gebäudesanierung von Liegenschaften
Information und Hilfestellung bei der Beschaffung von Fördermitteln des Bundes
Vermittlung erfolgreicher Klimaschutzmaßnahmen zwischen Kommunen
Wettbewerbsdurchführung „Klima kommunal“ mit der Auszeichnung „Niedersächsische Klimakommune“
Vernetzung der Klimaschutzmanager/-innen
2014 wurden 21 eigene Veranstaltungen und Qualifizierungskurse durchgeführt, im ersten Halbjahr 2015 bereits 19. Die Angebote werden von den Kommunen durchweg sehr gut angenommen.
Darüber hinaus sind die zuständigen Mitarbeiterinnen der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen auf zahlreichen weiteren Veranstaltungen mit eigenen Vorträgen vertreten und leisten intensive Beratungstätigkeit für einzelne Kommunen.
Unternehmen
Effizienz und Flexibilität im Energieeinsatz sowie die stärkere Nutzung von erneuerbaren Energien sind zentrale Themen, mit denen sich die Unternehmen intensiv beschäftigen müssen. Hier lassen sich große Einsparpotentiale heben. Bislang gibt es in den KMU häufig noch erheblichen Handlungsbedarf. Die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen trägt diese Thematik zusammen mit Kooperationspartner aus Verbänden und regionalen Energieagenturen an die Unternehmen heran. Ziel ist es, zu vermitteln, dass am Anfang des Optimierungsprozesses ein systematisches, strukturiertes Vorgehen stehen soll: Mit einer Energieberatung und dem Aufbau eines betrieblichen Energiemanagements sollen Unternehmen den ersten Schritt in Richtung Energieeinsparung gehen. Die Information der Unternehmen über Fördermittel des Bundes wird ebenfalls intensiv verfolgt.
Um die Anforderungen des Energiedienstleistungsgesetzes erfüllen zu können, werden aktuell für Unternehmen drei „Ad-hoc-Transferzentren“ eingerichtet. Dies geschieht in einem gemeinsamen Projekt von KEAN, Unternehmerverbände Niedersachsen und der Dienstleistungsgesellschaft der norddeutschen Wirtschaft.
In einem weiteren Schritt wirkt die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen an der von der Bundesregierung vorgesehenen Gründung von betrieblichen Energieeffizienznetzwerken mit.
Gebäudebestand
Dem Gebäudebestand kommt bei der Energieeinsparung eine besondere Bedeutung zu. 40 Prozent der Endenergie wird in Gebäuden verbraucht, fast alles für Heizwärme und Warmwasserbereitung. Hier gilt es, die Gebäudeeigentümer unmittelbar anzusprechen, zu informieren, zu motivieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei Informationskampagnen verbunden mit einer kostenfreien oder kostengünstigen Einstiegsberatung zu.
Die Klimaschutz- und Energieagentur arbeitet hier mit lokalen Akteuren zusammen, insbesondere Kommunen und regionalen Energieagenturen.
In Kooperation werden folgende Beratungsangebote an Hauseigentümer herangetragen:
Gebäudeenergieberatung in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Niedersachsen und Landkreisen: 2015 bislang in drei Landkreisen
Solarberatung für Hauseigentümer/-innen in Zusammenarbeit mit regionalen Energieagenturen und Landkreisen und Städten: 2014 in fünf Landkreisen, 2015 in ca. elf Landkreisen und Städten
Beratungskampagne zur Heizungsoptimierung mit regionalen Energieagenturen und lokalen Trägern: 2015 in ca. acht Regionen
Um insgesamt das ortsnahe Beratungsangebot zu verbessern, initiiert und begleitet die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen die Gründung neuer lokaler Klimaschutz- und Energieagenturen.
Neugründungen werden zudem vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz finanziell über drei Jahr gefördert. 2015 wurden bereits vier neue Einrichtungen gegründet. Regionale Energieagenturen sind nach allen Erfahrungen besonders gut geeignet, das Thema der energetischen Gebäudemodernisierung an die Hauseigentümer/-innnen heranzutragen und zum Handeln zu motivieren.
Darüber hinaus befasst sich die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen mit der Entwicklung neuer Sanierungskonzepte z.B. für denkmalgeschützte Gebäude und bereitet eine Auszeichnung für energieeffizient sanierte Gebäude vor.
Im Weiteren leistet sie für die Qualifizierung neuer Energieagenturen und die Zusammenarbeit bestehender Energieagenturen umfangreiche Unterstützung.
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erstellt am:
17.07.2015