Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen klar Logo

Antwort auf die mündliche Anfrage: Können die historisch bedeutenden Nadelwehre an der Bundeswasserstraße Ilmenau erhalten werden?

Pressemitteilung Nr. 103/2014


Der Niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Stefan Wenzel hat namens der Landesregierung auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Andrea Schröder-Ehlers (SPD) geantwortet.

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur plant, die Ilmenau als Bundeswasserstraße zu entwidmen und damit herabzustufen und umzugestalten. Dabei sollen die drei Staustufen an der Bundeswasserstraße in Bardowick, Wittorf und Fahrenholz wegen mangelhafter Bausubstanz durch den Einbau von Sohlgleiten ersetzt werden.

In der Region bestehen große Bedenken, da durch den Einbau von Sohlgleiten ein Absenken des Grundwasserspiegels befürchtet wird. Dies hätte zur Folge, dass es an der alten Bausubstanz in Lüneburg und Bardowick, die auf Eichenpfählen gegründet sind, mittel- bis langfristig zu großen Schäden kommen kann, da die Standfestigkeit gefährdet wird. Ein Absenken des Grundwasserspiegels wäre auch mit großen Nachteilen für Landwirtschaft und Gemüsebau in der Region, für Fauna, Flora und Habitat in der Elbtalaue, wozu auch die Ilmenau mit ihren Nebenarmen gehört, sowie für den Wassertourismus und sanften Tourismus an der Elbe verbunden.

In Niedersachsen gibt es noch vier funktionstüchtige, historisch bedeutende Nadelwehre, drei davon sind die oben erwähnten in Bardowick, Wittorf und Fahrenholz an der Ilmenau. Sie stehen unter Denkmalschutz; alle drei Wehre sind im Verzeichnis der Baudenkmäler gemäß § 3 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes aufgeführt.

Das Nadelwehr beispielsweise in Fahrenholz wurde 1888 errichtet, ist also über 100 Jahre alt! Es besteht aus einem Gerüst und 420 Holzlatten, sogenannten Nadeln, die einzeln ins Wasser gelassen werden können. Dies ermöglicht eine sehr feine Regulierung des Wasserstandes. Je mehr Nadeln gesteckt werden, desto enger wird der Durchlass und desto höher wird das Wasser davor angestaut.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie steht die Landesregierung zur geplanten Entwidmung der Ilmenau, und inwieweit kann dieser widersprochen werden?

2. Können die Nadelwehre und damit die Schiffbarkeit der Ilmenau erhalten werden?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkungen:

Nach den auf der europäischen Wasserrahmenrichtlinie beruhenden wasserrechtlichen Bestimmungen des Bundes und des Landes Niedersachsen sind die Oberflächengewässer so zu bewirtschaften, dass bis 2015 ein guter ökologischer und chemischer Zustand erreicht wird, Fristverlängerungen bis spätestens 2027 sind möglich. Vor diesem Hintergrund hatte die Landesregierung aufgrund einer Initiative des Landkreises Lüneburg im Jahr 2010 mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes vereinbart, für die Bundeswasserstraße Ilmenau unterhalb von Lüneburg eine Machbarkeitsstudie aufzustellen, um zu prüfen, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel erreicht werden kann. Um den guten ökologischen Zustand im Bereich der unteren Ilmenau und des flussaufwärts gelegenen Gewässersystems der mittleren und oberen Ilmenau zu erreichen, sind Maßnahmen an den drei vorhandenen Wehr- und Schleusenanlagen in Bardowick, Wittorf und Fahrenholz zur Herstellung der biologischen Durchgängigkeit erforderlich. Die Bundeswasserstraßenverwaltung hat darüber hinaus ein Interesse, die Wehr- und Schleusenanlagen aufzugeben, da die Ilmenau ihre Bedeutung als Binnenwasserstraße verloren hat. Sie erwägt daher eine Entwidmung.

Die Machbarkeitsstudie liegt inzwischen vor, sie wurde von der Bundeswasserstraßenverwaltung und dem Land Niedersachsen gemeinsam finanziert und im Februar 2013 im Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg den beteiligten Kreisen vorgestellt. In der Machbarkeitsstudie werden Lösungsvarianten aufgezeigt und bewertet. Dazu gehört auch der Ersatz der vorhandenen Nadelwehre durch Sohlgleiten. Die Studie wurde durch eine sogenannte Multi-Kriterien-Analyse (MCA) ergänzt, um die Belange der Stakeholder frühzeitig zu berücksichtigen. Aus der Machbarkeitsstudie und der ergänzenden MCA-Studie hatte sich eine Präferenz für die Variante „Sohlgleite“ ergeben. Mit der Studie wurden jedoch noch keine Entscheidungen gefällt, welche der untersuchten Varianten zur Ausführung kommen soll. Diese Entscheidung ist erst in einem nachgelagerten Rechtsverfahren zu treffen.

Bestandteil der Machbarkeitsstudie waren auch besondere Untersuchungen zu den potentiellen Auswirkungen von Wasserstandsabsenkungen auf den Naturhaushalt und auf Belange der Landwirtschaft im Nahbereich der unteren Ilmenau. Nach Auffassung der Landesregierung sind die Auswirkungen grundsätzlich beherrschbar. In einer Detailplanung und im Zuge eines erforderlichen Wasserrechtsverfahrens wäre dem weiter nachzugehen. Diese sind bisher jedoch noch nicht eingeleitet worden.

Auswirkungen auf alte Bausubstanz in Lüneburg sind nach Auffassung der Landesregierung nicht zu besorgen, da die Stauwurzel der Wehranlage in Bardowick den hier zu betrachtenden Bereich nicht erreicht. Möglichen Auswirkungen auf Gebäudesubstanzen in Bardowick wäre im Zuge der weiteren Planung noch nachzugehen.

Das Gewässersystem der Ilmenau gehört zu den prioritären Wasserkörpern in Niedersachsen, an denen vorrangig Maßnahmen durchzuführen sind, um den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie nachzukommen. Aufgrund einer zwischenzeitlich vorgenommenen Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bundeswasserstraßengesetzes ist der Bund für die Durchführung von Maßnahmen zur Herstellung der biologischen Durchgängigkeit an Bundeswasserstraßen selbst zuständig geworden. Gleichwohl sieht sich auch die Landesregierung in der Pflicht, die Planung entsprechender Maßnahmen an der Bundeswasserstraße Ilmenau weiter voranzutreiben und zu unterstützen, um zu befürchtende Vertragsstrafen wegen Nichterfüllung europäischer Richtlinien zu vermeiden.


Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Die Ilmenau ist Bundeswasserstraße im Eigentum des Bundes, die dem allgemeinen Verkehr dient und in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Nummer 1 des Wasserstraßengesetzes aufgeführt ist. Eine Entwidmung kann somit nur mit Zustimmung desjenigen erfolgen, der nach der Entwidmung für das Gewässer zuständig ist. Sofern keine Einigung zu Stande kommt, bleibt der Bund Eigentümer der Bundeswasserstraße und ist nach wie vor vollumfänglich für den Erhalt, die Unterhaltung und die Verkehrssicherung auf der Wasserstraße zuständig. Die Landesregierung hat dem Bund mitgeteilt, dass eine Übernahme der Zuständigkeit für die Ilmenau durch das Land nicht in Betracht kommt. Soweit der Landesregierung bekannt ist, verhandelt der Bund derzeit mit dem Wasserverband der Ilmenauniederung über einen Übergang des Eigentums.

Zu 2:

Nadelwehre sind eine Form von unterschiedlichen Ausführungsarten eines Wehrverschlusses. Die Aufgabe des Wehrverschlusses, einen bestimmten vorgegebenen Wasserstand zu halten, kann durch unterschiedliche Konstruktionen gewährleistet werden. Nadelwehre zeichnen sich durch eine hohe Unterhaltungsintensität und schlechte Regulierbarkeit aus und werden aus diesen Gründen heute nicht mehr gebaut. Sofern ein altersbedingter Ersatz der vorhandenen Wehrkonstruktion erforderlich ist, werden heute andere Konstruktionsformen verwendet. Die Konstruktion der Wehranlage ist unabhängig von der Schiffbarkeit zu sehen und hat hierauf keinen oder keinen nennenswerten Einfluss.

Nach Mitteilung der Bundeswasserstraßenverwaltung sind die Nadelwehre an der Ilmenau aufgrund der heutigen Anforderungen an den Arbeitsschutz bedenklich, sie bergen insbesondere in den Wintermonaten (Eisgang) ein hohes Verletzungsrisiko, zumal die Bedienung händisch erfolgen muss. Ob die Nadelwehre vor diesem Hintergrund weiter langfristig erhalten werden können, ist nach Auffassung der Landesregierung bisher ungeklärt.

Die Schiffbarkeit der Ilmenau könnte erhalten bleiben, wenn im Zuge der weiteren Planung der Bund die in der Machbarkeitsstudie untersuchte Variante „Ist-Zustand mit Neubau der Anlagen“ weiterverfolgen würde, bei der neue Wehranlagen nach dem Stand der Technik errichtet werden und eine Sanierung der Schleusen erfolgen müssten. Nach Auffassung der Landesregierung ist es allerdings unwahrscheinlich, dass der Bund diese Variante bevorzugt.

Artikel-Informationen

erstellt am:
25.07.2014

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln