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Antwort auf die mündliche Anfrage: Wie unfallgefährdet sind Windkraftanlagen in Niedersachsen?

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Im Dezember 2013 ist im rheinland-pfälzischen Gersbach ein 60 m langes und 60 t schweres Rotorblatt von einem Windrad aus einer Höhe von rund 140 m abgestürzt.

Bereits in der Vergangenheit gab es ähnliche Vorfälle, bei denen sich Teile von Windrädern lösten und teilweise auf Straßen fielen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Gab es Unfälle dieser Art auch schon in Niedersachsen, und wenn ja, wann, wo, und was ist passiert?

2. Welche Anlagen sind nach Meinung der Landesregierung am anfälligsten für Unfälle dieser Art?

3. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um Unfälle dieser Art in Zukunft zu verhindern?

Minister Wenzel beantwortete die Anfrage namens der Landesregierung:

Vorbemerkungen:

Hintergrund der Anfrage ist ein Unfall vom Dezember 2013 im rheinland-pfälzischen Gersbach. Dort kam es bei einer Windkraftanlage des Typs Enercon E-126 (Nabenhöhe 140 Meter, Rotorblattlänge 60 Meter) zu einem Rotorblattbruch. Die für den Hersteller zuständige Marktüberwachungsbehörde und das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz wurden von Rheinland - Pfalz über den Vorfall informiert.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Zu Schadensfällen von Windkraftanlagen liegen keine statistisch gesicherten Erkenntnisse vor, da keine rechtliche Schadensmeldepflicht – weder nach Produktsicherheitsgesetz noch nach Baurecht - für Betreiber oder Wirtschaftsakteure besteht.

Rotorblattbrüche an Windkraftanlagen gleichen Typs (Enercon E-126) sind in Niedersachsen nicht bekannt.

Nachfolgend sind die Schadensereignisse, bei denen Informationen zum Schadenszeitpunkt vorliegen, aufgelistet, die dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration(MS) und dem Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz(MU) bekannt sind:

22.12.2013 im Landkreis Harburg: Rotorblattbruch an einer Anlage des Typs Repower MM82

06.12.2013 im Landkreis Oldenburg: Gondelabbruch an einer Anlage des Typs Enercon E-40

15.06.2013 im Landkreis Emsland: Rotorbruch an einer Windkraftanlage des Typs Tacke TW 600a

Aug. 2013 im Landkreis Oldenburg: Rotorblattabbruch an einer Anlage des Typs Vestas V 80 -2,0 MW

In den Jahren 2007/2008 kam es zu Rotorblattabbrüchen an Windkraftanlagen vom Typ Nordex S77 (1,5 MW) mit Rotorblättern vom Typ Nordex NR 37,5 im Landkreis Osnabrück, in Höckel und im Kreis Kleve.

2007 im Landkreis Holzminden: Abbruch eines Rotors bei einer NEG Micon-Anlage

2007 im Landkreis Oldenburg: Rotorblattabbrüche bei Vestas – Anlagen

19.01.2007 im Landkreis Helmstedt: Rotorblattabbruch an einer Windkraftanlage vom Typ Ventis 20-100, Nabenhöhe 30,50 m. Die Windkraftanlage wurde daraufhin dauerhaft außer Betrieb genommen.

03.11.2006 im Landkreis Oldenburg: Rotorblattabbruch bei einer Anlage des Typs Vestas V 80 – 2,0 MW

Vor ca. 8-10 Jahren kam es im Landkreis Wolfenbüttel zu einem Flügelabriss bei einer Anlage des Typs Enercon E-66, die am 02.11.1999 genehmigt und am 25.10.00 in Betrieb genommen wurde.

2002 im Landkreis Vechta: Umsturz der Gesamtanlage des Typs „GET 41a“ in Goldenstedt

2000 im Landkreis Wittmund: Rotorblattabwurf einer Anlage des Typs Tacke TW-600

2000 auf Norderney: Gondelabsturz bei einer Anlage des Typs Enercon E-15

Zu 2:

Die erbetene Einschätzung kann nur vorgenommen werden, wenn umfassende Detailkenntnisse zum Ereignis und den Ursachen vorliegen. Diese Informationen liegen hier nicht vor. Angesichts der Zahl von mehreren tausend Windkraftanlagen allein in Niedersachsen und vielen zehntausend Betriebsstunden ist die Zahl der bekannt gewordenen Unfälle gering.

Zu 3:

Die formellen und sicherheitstechnischen Anforderungen an das Inverkehrbringen von Windkraftanlagen ergeben sich aus den europäischen Binnenmarktrichtlinien und dem sich daraus ableitenden nationalen Recht. Durch die europäische Normensetzung ist ein hoher Sicherheitsstandard bei der Herstellung gegeben. Die Überwachung der formellen und sicherheitstechnischen Anforderungen obliegt den Marktüberwachungsbehörden der Länder, in Niedersachsen den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern(GAÄ). Diese haben stichprobenartige Kontrollen am Markt vorzunehmen. Um Marktüberwachung effektiv und europaweit durchführen zu können, wurde das System ICSMS (Information and Communication System for Market Surveillance) entwickelt. Die Datenbank enthält in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Teil Informationen über Produkte, die von Marktüberwachungsbehörden geprüft worden sind. Das System bietet die Möglichkeit, Informationen gezielt an zuständige Behörden weiterzuleiten sowie Vorgänge zu übergeben. Bei dem Schadensfall an der genannten Windkraftanlage hat die ermittelnde Behörde aus Rheinland-Pfalz die entsprechenden Ergebnisse der Unfalluntersuchung über ICSMS an die für den Hersteller zuständige Marktüberwachungsbehörde, dass GAA Emden, weitergeleitet. Das GAA Emden hat in Abstimmung mit dem Hersteller die erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Diese werden nunmehr durch den Hersteller weltweit veranlasst.

Nach den bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen müssen Betreiber von Windenergieanlagen die maschinentechnischen Anlagenteile regelmäßig durch Sachverständige überprüfen lassen; ob diese Überprüfungen durchgeführt wurden, haben die Bauaufsichtsbehörden zu überwachen. MS wird die Bauausichtsbehörden auf diese Überwachungspflicht hinweisen. Daneben werden MS und MU die Bauaufsichtsbehörden und Immissionsschutzbehörden bitten, bei Schadensereignissen die Marktüberwachungsbehörde zu informieren, damit Ereignis und Produktinformationen in das ICSMS eingepflegt werden.

Im Zusammenhang mit den Schadensfällen im Jahr 2007 (Nordex S77) hat das MU per Erlass verfügt, dass bei baugleichen Anlagen die Rotorblätter von einem Sachverständigen auf mögliche Schäden überprüft werden müssen und eine Wiederinbetriebnahme erst nach Vorliegen des Nachweises über einen sicheren Betrieb erfolgen darf. Zuvor hatte eine gutachterliche Überprüfung der Schadensfälle ergeben, dass ein Serienschaden vorliegt und Handlungsbedarf im Hinblick auf baugleiche Anlagen bestand.

Bei dem aktuellen Schadensereignis im Landkreis Harburg am 22.12.2013 hat der Betreiber bezüglich 3 typgleicher Anlagen nach Mitteilung des Landkreises eine Überprüfung im Hinblick auf einen Serienschaden veranlasst. Der Landkreis hat den Betreiber um Mitteilung des Ergebnisses der Schadensuntersuchung gebeten.

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.01.2014

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